Gerade offensiv enttäuscht Frankreich bei der EM bislang, hat aus dem Spiel heraus noch keinen einzigen Treffer erzielt. Dabei müsste die Équipe Tricolore laut Statistik viel besser dastehen.

Volontäre: Maximilian Kroh (kro)

Die gängige Version der Geschichte von Frankreichs bisheriger Europameisterschaft ist schnell erzählt. Die französische Nationalmannschaft zeigt biederen, unansehnlichen Fußball und enttäuscht vor allem offensiv. Die Weltauswahl um Superstar Kylian Mbappé brachte in fünf Anläufen aus dem Spiel heraus noch kein einziges Tor zustande. Sie gurkte sich durch die Gruppenphase, überstand das Achtelfinale durch ein belgisches Eigentor und rettete sich im Viertelfinale über das Elfmeterschießen in die Runde der letzten Vier. Doch ein Blick in die Zahlen zeigt: Ganz so dramatisch ist es um die Qualität der französischen Offensive dann doch nicht bestellt.

 

Im Gegensatz zu den ebenfalls heftig kritisierten Engländern etwa spielen sich die Franzosen durchaus Chancen heraus. Sie treffen nur das Tor nicht. Nach den „Expected Goals“, also den anhand der Chancen zu erwartenden Toren, müsste die französische Mannschaft eigentlich bereits acht Treffer erzielt haben. Nur Spanien, Deutschland und Portugal erreichen in dieser Statistik bislang höhere Werte. Ein größeres Missverhältnis zwischen Expected Goals (xG) und erzielten Toren als die Franzosen weist keine andere Mannschaft auf.

Nur im Viertelfinale gegen die Portugiesen lag der xG-Wert Frankreichs knapp unter dem des Gegners, allein im ersten Gruppenspiel gegen Österreich kamen die Franzosen auf zwei Expected Goals – das Spiel gewannen sie nur dank eines Eigentors von Maximilian Wöber. Zum Vergleich: Bei der Weltmeisterschaft 2022 machte Frankreich aus 13,8 Expected Goals 16 Tore, beim Titel vier Jahre zuvor waren es zwölf Tore aus acht Expected Goals.

Möglicherweise hakt Frankreichs Offensivspiel deshalb so sehr, weil vieles von Stürmerstar Mbappé a bhängt und er sich nach seinem Nasenbeinbruch von einer Schutzmaske eingeschränkt fühlt . Oder weil Antoine Griezmann das Spiel gestalten soll, aber außer Form ist. Beide kommen zusammen auf fast fünf Expected Goals, heraus kam dabei lediglich ein Elfmetertor durch Mbappé. Vielleicht fehlt dem französischen Angriff auch einfach nur das Glück. Die Mannschaft selbst jedenfalls sieht die Situation entspannt.

„Es ist gut, dass wir die Chancen hatten. Wir sind nur nicht effizient genug gewesen“, sagte etwa Ousmane Dembélé nach dem Portugal-Spiel. Zumal der Fokus im französischen Spiel unter Trainer Didier Deschamps trotz all der Offensivkünstler noch nie auf dem Spektakel lag. „Wir wissen, dass wir zu 90 Prozent weiter sind, wenn wir ohne Gegentor bleiben“, bestärkte Verteidiger William Saliba die Herangehensweise seines Trainers, zu der sich auch Flügelstürmer Dembélé bekennt: „Unsere Taktik ist die richtige.“

Die Kritik an der Spielweise ist heftiger als üblich

Schon in der Vergangenheit gefiel dieser We g ob der riesigen Qualität in der Mannschaft nicht allen, war aber durchaus erfolgreich. Seit 2014 hat die É quipe Tricolore bei einem großen Turnier kein K.-o.-Spiel mehr in der regulären Spielzeit verloren. Jahrelang war das Team erfolgreich, weil es zwar unspektakulär, aber defensivstark und effektiv spielte. Nun fehlen die Tore, der französische Pragmatismus fällt in sich zusammen und die Kritik an der Spielweise noch heftiger aus als üblich.

So steht Frankreich zwar erneut in einem Halbfinale, doch alles wirkt noch glanzloser als in der Vergangenheit. Ein paar Tore mehr, und der Blick auf ihre aktuelle EM könnte ein anderer sein. Die Chancen jedenfalls waren da.