Mit NRW-Innenminister Reul sollte im ZDF über Sicherheitsprobleme der EM debattiert werden. Es kam anders. Ein neuer Name fürs Sommermärchen wird gesucht.

Nein, es läuft bisher wirklich gut und friedlich mit der Europameisterschaft. Über die Innere Sicherheit und die Politisierung bei diesem Fußballspektakel hatte Moderator Markus Lanz am Donnerstagabend mit Experten wie dem NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) diskutieren wollen, aber da gab es gar nicht viel zu reden. Selbst Reul räumte ein, dass er und seine Polizisten bei einer Begegnung von Schalke mit Dortmund in Gelsenkirchen „mehr Stress“ haben würden als es beim dort gelaufenen EM-Spiel von England gegen Serbien der Fall gewesen sei. Und die EM, gerade die Deutschland-Spiele, machten einfach „Spaß“.

 

Mulmiges Gefühl beim Stadionbesuch

Die Ex-Fußballtorhüterin Katja Kraus berichtete, dass sie angesichts der strengen Sicherheitskontrollen bei einem EM-Spiel wirklich ein „mulmiges Gefühl“ gehabt habe, ihre Töchter mit ins Stadion zu nehmen, dass sie aber bei einem zweiten EM-Spiel – Albanien gegen Kroatien – „nur freundliche Menschen getroffen“ habe. Die EM als Hort der Glückseligkeit? Minister Reul wies daraufhin, dass es einen enormen Personalaufwand der Polizei für diese Europameisterschaft gebe: „Die Polizisten in NRW und ich glaube auch in ganz Deutschland kriegen Monate lang keinen Urlaub“, das Ganze sei jetzt schon eine „besondere Herausforderung“ für den Sicherheitsapparat. Und dass es illusorisch sei – so eine Antwort auf die Frage von Lanz - solch einen hohen Aufwand an Sicherheitsmaßnahmen für normale Bundesligaspiele zu verwirklichen. Apropos Bundesliga, da scheint es jedenfalls „tougher“ zu zugehen als bei der EM, das hatte Reul schon erwähnt.

Raufereien in den unteren Klassen

Er selbst aber sieht mit Verdruss die hohen Einsatzkosten der Polizei bei Liga-Spielen, für die eigentlich die Vereine zahlen sollten und er sieht mit Sorgen „die Raufereien“ in den unteren Klassen. Dass die Gewalt in den Stadien aber zugenommen habe, dem ist vom Sportjournalisten Philipp Köster vehement widersprochen worden. Natürlich sehe man auch jetzt martialische Bilder von Sturmhauben und bengalischen Feuern, aber dass es mehr Aggressionen gebe, „das ist in den Stadien wirklich nicht ablesbar“. In den 90er Jahren seien die Zeiten rauer gewesen, da habe es Verabredungen von Hooligans für Schlägereien vor dem Stadion gegeben und Beleidigungen von schwarzen Spielern. Fußball agiere heute viel bewusster, aber Fußball sei natürlich „genuin politisch“, die Stadien seien nun mal die Orte, „wo wir uns begegnen, das Lagerfeuer der Nation.“

Gefahr durch Einzeltäter

Minister Reul hat dem im Prinzip zustimmen können, ihn bedrängt weniger die Gefahr die von Fußballfans ausgeht, als andere gesellschaftliche Bedrohungen. Etwa, dass sich jetzt schon 14- bis 16-Jährige zu Anschlägen verabreden oder die Aktivität der islamistischen Terrorgruppe aus Tadschikistan, die für die schweren Anschläge jüngst in Moskau verantwortlich war. Die machten sich doch auf den Weg in die Welt. Noch schwerer aber sei es Terroristen beizukommen, die sich als Einzeltäter im Netz radikalisiert hätten: Die sagten, sie gingen jetzt „mal mit dem Messer raus“, um die Welt in Richtung Kalifat-Staat zu verändern. Prävention ist da schwierig.

Heilsame Wirkung vom Fußball

Mit Fußball haben all diese Szenarien nun wenig zu tun, aber Reul musste anerkennen, dass von diesem Breitensport so etwas wie eine heilsame Wirkung ausgehen könnte für die Gesellschaft. Man lerne doch im Fußball den Teamgeist, das Rücksichtnehmen, das Erdulden von Niederlagen und die Tatsache, dass man nicht ständig andere „faulen“ könne ohne Ärger zu bekommen. „Ich denke, es gibt nichts besseres als den Mannschaftssport, wo man erfährt, dass Leistung Spaß macht. Hätten wir mehr, die da mitmachen, könnte ich mir viele Polizisten einsparen.“

Der Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger berichtete, dass er als junger Mensch begeistert vom Fußballspiel gewesen sei, einfach weitergemacht habe nach den ersten Erfolgen und nicht aufgegeben habe nach Misserfolgen. „Heute scheint mir die Teilhabe am Fußball mehr organisiert zu sein.“ Und es gebe wesentlich mehr Jugendliche, die sich zuhause zurückziehen.

Bei der Endabstimmung in der TV-Runde prognostizierten alle vier Studiogäste übrigens einen Sieg von Deutschland über die Schweiz am Sonntag. Wichtiger aber war die zuvor gezogene Zwischenbilanz von Philipp Köster über diese EM, die unwidersprochen blieb: Man sei schon nah dran, jetzt wieder so etwas wie ein Sommermärchen zu erleben: „Aber wir sollten dem alten Namen nicht hinterher hecheln, wir sollten einen neuen finden.“