Das Team von Joachim Löw ist wieder auf Kurs – und kann mit einem Sieg in Schottland an diesem Montag womöglich schon das Ticket für die Europameisterschaft lösen.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Stuttgart - Um die Fußball-Lieblinge der Nation zu ihrem Auswärtsspiel in der EM-Qualifikation nach Glasgow zu bringen, hat sich die Lufthansa am Sonntagmittag etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Für den Sonderflug des Weltmeistertrosses von Frankfurt in den Norden der britischen Insel bot die Airline eine Maschine im Design der fünfziger Jahre auf, dem Zeitalter der Propeller-betriebenen Super-Constellation. Das war nett gedacht – doch thematisch leicht daneben. Schließlich denkt das Team um den Bundestrainer Joachim Löw nach einer auch emotional schwierigen Phase im Anschluss an den WM-Titelrausch spätestens jetzt wieder zukunftsorientiert.

 

An diesem Montag (20.45 Uhr/RTL) trifft die DFB-Auswahl auf Schottland und will den nächsten großen Schritt Richtung EM 2016 machen. „Ich freue mich auf das Spiel, auf die Atmosphäre im Stadion, den Stolz der Fans und der Spieler, ihre Leidenschaft und ihr Herzblut“, sagte Löw, als er bei strahlendem Sonnenschein das Hilton-Hotel im Herzen Glasgows erreicht hatte. Die Ausgangslage ist klar: Siegt die DFB-Elf nach ihrem nicht durchgehend souveränen, aber mitreißenden Auftritt beim 3:1 gegen Polen auch im ausverkauften Hampden Park, dem ältesten Fußballstadion der Welt, dann ist sie im günstigsten Fall bereits für die EM qualifiziert. Ein Turnier, das erstmals mit 24 statt bisher 16 Teams ausgespielt wird. Daher ist den beiden Gruppenersten die direkte Qualifikation garantiert, während sogar die Dritten noch ihre Chance über K.-o.-Spiele bekommen.

„Wir müssen darauf vorbereitet sein, dass der Gegner alles reinwirft“, sagte Löw, der in seinem Kader aber nicht nur eine intakte Moral vorfindet, sondern auch keine Verletzten zu beklagen hat. Dennoch möchte der Bundestrainer sein Team, welches das Hinspiel in Dortmund gegen das schottische Team um den Trainer Gordon Strachan knapp mit 2:1 gewonnen hat, offenbar auf ein, zwei Positionen verändern. Also könnte es sowohl auf der Position des rechten Verteidigers, wo gegen Polen Emre Can wackelte (siehe: „Der Schuh drückt rechts hinten“), aber auch im Mittelfeld eine Rochade geben.

Gündogan in bestechender Form

Schließlich präsentierte sich vor allem der Dortmunder Ilkay Gündogan gegen Polen in bestechender Form, übernahm nach seiner Einwechslung für Karim Bellarabi die Initiative und setzte auch Offensivakzente. „Ilkay ist jetzt von Tempo und Beweglichkeit her wieder in der tollen Verfassung wie vor zwei Jahren – dieses Niveau hatte er in der Vorsaison noch nicht“, sagte Löw über den BVB-Profi, den seine hartnäckigen Rückenprobleme 14 Monate lang außer Gefecht gesetzt hatten. Weil die beiden Mittelfeld-Platzhirsche, der Kapitän Bastian Schweinsteiger und der Real-Profi Toni Kroos gesetzt sind, lautet die Frage: Wird Gündogan den offensiver ausgerichteten Bellarabi ersetzen?

Denn bei aller Angriffspower machte sich der Weltmeister zuletzt zu häufig in der Rückwärtsbewegung das Leben selbst schwer. Das hat Löw nicht gefallen. „Wenn Polen zu Chancen kam, dann nur, wenn wir selbst Fehler gemacht haben“, analysierte der Bundestrainer. Und sein Teammanager hob zeitgleich warnend den Zeigefinger: „Wir müssen aufpassen, dass wir jetzt nicht alles zu leicht nehmen. Denn das Spiel gegen die kampfstarken Schotten wird kein Selbstläufer“, mahnte Oliver Bierhoff angesichts der allgemeinen Erleichterung über den Sieg gegen Polen – und der Luxusprobleme bezüglich der Aufstellung.

Zu den Problemen, die ein Nationaltrainer gerne hat, gehört auch die Diskussion über Mario Götze, den Doppel-Torschützen gegen Polen. Denn in dem 23-Jährigen sehen viele inzwischen den Mann mit zwei Gesichtern. Im Nationalteam mit seinen Karrieretreffern 15 und 16 hui – bei Bayern, wo er inzwischen seit 15 Bundesligaspielen torlos ist, pfui – das findet Löw aber viel zu einfach. „Mario arbeitet spätestens seit seiner längeren Verletzungspause 2013 hochprofessionell“, lobte der Bundestrainer, „und er ist auch der Mann, der die wichtigen Tore schießt: gegen Argentinien und Brasilien oder zweimal gegen Polen. Auch deshalb vertraue ich ihm.“

Derlei Zuspruch baut einen zuweilen sensiblen Profi wie den WM-Finaltorschützen natürlich auf. „Es ist schön, wenn man das Vertrauen spürt. Und das tue ich bei der Nationalmannschaft grundsätzlich immer“, sagte Mario Götze, der damit lediglich eine Frage offenließ: nämlich die, ob dies beim FC Bayern, wo er sich einer größeren Konkurrenz erwehren muss als im Nationalteam, nicht der Fall ist.