Unser Afrika-Korrespondent Johannes Dieterich hat monatelang nicht bemerkt, dass die südafrikanische Post streikt. Das fiel erst auf, als die Kinder ihre Wunschzettel verschicken wollten.

Südafrika - Dass etwas nicht in Ordnung war, bemerkte ich erst, als ich eines Tages mal wieder einen Brief in einem Johannesburger Postamt aufgeben wollte. Derzeit würden keine Briefe angenommen, erklärte der Mann am Schalter. Seine streikenden Kollegen würden die Sendung nur vernichten. Wie lange der Streik denn schon anhalte, wollte ich wissen. Vier Monaten, so die Antwort.   Da dämmerte mir, dass ich tatsächlich lange nichts mehr im Briefkasten gefunden hatte.

 

Ein Umstand, der mir zuvor nicht aufgefallen war. Schließlich werden mit der Schneckenpost schon lange nur noch Sendungen von zweifelhaftem Wert befördert – wie Strafzettel, Mitteilungen der deutschen Lebensversicherung oder Einladungen zur Goldenen Hochzeit von Kollegen. Selbst im rückständigen Afrika wird Wichtiges längst per E-Mail verschickt. Wenn es um reelle Gegenstände geht, muss ein Kurier herhalten. Denn Päckchen pflegen die Postler am Kap der Guten Hoffnung genau unter die Lupe zu nehmen – und den Inhalt bei Gefallen zu behalten.  

Wie Depeschen aus dem somalischen Kriegsgebiet

Irgendwann muss sich der Streik auch unter einheimischen Journalisten herum gesprochen haben. Jedenfalls füllte sich die Sendezeit im lokalen Radio plötzlich mit Berichterstattung über die Zustände in der Postverwaltung. Sie hörten sich an wie Depeschen aus dem somalischen Kriegsgebiet. Da war von unbezahlten Löhnen, vom Verschwinden der Pensionsrücklagen und vom Ex-Geheimdienstminister die Rede, der nach der Verurteilung seiner Drogen schmuggelnden Frau im Postministerium entsorgt worden war. Die Berichterstattung verfolgte ich nicht mit voller Aufmerksamkeit. Das Ganze klang wie ein Erlebnisbericht aus Jurassic Park.   Und, seien wir ehrlich, wen interessiert die Post noch?

Den Briefträgern könnte es passieren, dass sie im 15. Jahr Streik feststellen, dass ihr Betrieb bereits vor zehn Jahren bankrott gegangen ist. Möglich wäre auch, dass die Postler nach fünf Jahren wieder die Arbeit aufnehmen, um dann festzustellen, dass es nix mehr zu befördern gibt, weil ihr Geschäft von E-Mail- und Kurierdiensten erledigt wird. Nach dem Motto: Stell dir vor, es ist Streik, und keiner bemerkt’s.

Eltern rufen um Gnade

  In unserem Fall kam den Austrägern eine Einrichtung zu Gute, die noch älter und etablierter ist als ihr Gewerbe: Weihnachten. Die Eltern unaufgeklärter Kinder fragten sich plötzlich, wer denn nun all die Briefe an den Weihnachtsmann befördert. Plötzlich füllten sich wieder die Sendungen des Lokalradios – dieses Mal mit verzweifelten Gnaderufen der Eltern.   Ihre Intervention hatte Erfolg. Kürzlich nahmen die Austräger wieder ihre Arbeit auf – als erstes erhielt ich einen Strafzettel für eine Geschwindigkeitsübertretung Mitte August.

Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass die Postler ihren Ausstand nur beendet hätten, weil sie vor Weihnachten jeden Haushalt um eine saisonale Abgabe bitten und sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen wollten. Meine Antwort werden sie in der mir vertrautesten Mundart zu hören bekommen: Mir gäbet nix.