Trotz Kritik aus Italien dehnt die EU die Maßnahmen aus, da sie die Friedensvereinbarung nicht erfüllt sieht. CSU-Politiker Horst Seehofer hält es für an der Zeit, die Sanktionen auslaufen zu lassen.

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Brüssel - Eigentlich sollte die Verlängerung der Sanktionen gegen Russland eine reine Formalität auf Beamtenebene sein. So hatte es der EU-Ratspräsident Donald Tusk im Vorfeld angekündigt – ausgehend von einem Beschluss am Rande des G20-Treffens in Istanbul Mitte November. Doch Italien machte der Europäischen Union zumindest kurzfristig einen Strich durch die Rechnung. „In Europa ist man davon ausgegangen, dass die Verlängerung der Russland-Sanktionen einfach so über die Bühne geht“, sagte der italienische Regierungschef Matteo Renzi am Freitagnachmittag auf dem EU-Gipfel in Brüssel.

 

Er könne nicht nachvollziehen, so Renzi weiter, dass man dies nicht mit allen europäischen Staats- und Regierungschefs besprochen habe. Seiner Meinung nach sei es an der Zeit, die Sanktionen auslaufen zu lassen. Ähnlich äußerte sich in Deutschland auch CSU-Chef Horst Seehofer: „Man muss die Frage stellen, wollen wir die Sanktionen auf unbegrenzte Zeit laufen lassen? Oder ist es an der Zeit, darüber zu reden?“ Russland werde schließlich gebraucht, um die Krisen in der Welt zu beenden, sagte Seehofer.

Sanktionen bis 31. Juli verlängert

Die Kontroverse mit Renzi hatte jedoch keinen Einfluss auf den förmlichen Beschluss, bei dem sich die 28 EU-Botschafter am Freitagabend auf eine Verlängerung der Sanktionen bis zum 31. Juli einigten. Schon vorher waren EU-Diplomaten von einer Einigung ausgegangen. „Da hat Renzi viel Theater nach außen gemacht“, sagte ein Sitzungsbeobachter. Ein Veto gegen die Verlängerung habe er aber nicht eingelegt.

Es geht der italienischen Regierung auch gar nicht so sehr um die Sanktionen, sondern um die Gasversorgung aus Russland. Renzi warf Deutschland beim Gipfel vor, gegenüber Moskau eine Art Doppelspiel zu betreiben: Die deutsche Regierung habe eine Erweiterung der Erdgaspipeline Nord Stream von Russland nach Deutschland eingefädelt, während die südeuropäische Pipeline South Stream wegen Bedenken der EU-Kommission geplatzt ist. South Stream hätte unter anderem auch Italien mit russischem Gas versorgen sollen. Die russische Regierung gab dieses Vorhaben aber im vergangenen Jahr mit einem Verweis auf die „Blockadehaltung“ der EU auf.

Streit um die Gasversorgung

Beim EU-Gipfel in Brüssel kritisierte der Gipfelchef Donald Tusk nun auch den geplanten Ausbau von Nord Stream: „Aus meiner Sicht trägt das nicht zur Diversifizierung der Energieversorgung bei.“ Die Erweiterung Nord Stream 2 „würde die Abhängigkeit von Russland erhöhen und 80 Prozent der Lieferungen auf einer Route versammeln“. Das laufe den festgeschriebenen Zielen der EU-Energiepolitik zuwider. „Wir müssen europäisches Recht verteidigen.“ Es gebe aber noch keine abschließende rechtliche Bewertung des Falls.

Der Streit um die Gasversorgung aber wirkte sich entgegen erster Befürchtungen mancher Regierungen nicht auf die Entscheidung für eine Verlängerung der Sanktionen aus. Die EU hatte im vergangenen Jahr schrittweise Sanktionen gegen Russland verhängt. Zunächst ging es im März 2014 um die illegale Annexion der Krim, später um die russische Unterstützung der Separatisten in der Ostukraine. Die EU verhängte zunächst nur Reiseverbote und beschloss das Einfrieren von Vermögen bestimmter Personen. Wirtschaftssanktionen gegen bestimmte Branchen folgten Ende Juli 2014. Die Strafmaßnahmen richten sich gegen den Finanzsektor sowie den Im- und Export von Rüstungsgütern und die russische Öl- und Gasindustrie. Laut des Europäischen Auswärtigen Dienstes gelten derzeit für 149 Personen Visaverbote und Vermögenseinfrierungen, zudem ist das in Europa befindliche Vermögen von 37 Unternehmen eingefroren. Die EU hatte immer wieder deutlich gemacht, dass Russland das in Minsk ausgehandelte Friedensabkommen für die Ostukraine voll umsetzen müsse, bevor die Sanktionen aufgehoben werden. Darin ist unter anderem festgehalten, dass die Ukraine wieder volle Kontrolle über ihre Grenze erhalten solle und faire Wahlen in den von den Separatisten beherrschten Gebieten abgehalten werden sollen. Beides ist nicht in Sicht.

Unterdessen stoppte die Ukraine die Rückzahlung von Krediten an Russland. „Vom heutigen Tage an werden die Rückzahlungen dieser Schulden in einer Gesamthöhe von 3,582 Milliarden US-Dollar (3,31 Milliarden Euro) eingestellt“, verkündete der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk am Freitag. Der Großteil von 3,075 Milliarden US-Dollar bezieht sich auf Euro-Anleihen, die Moskau im Dezember 2013 erworben hatte. Die neue ukrainische Regierung erkennt diese Schulden nicht an.