Die Fluggesellschaften müssen künftig für die Klimabelastung bezahlen – aber nur auf dem Papier. Denn bis 2020 sind viele Verschmutzungsrechte kostenlos.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Stuttgart - Fliegen belastet das Klima erheblich. Seit 1990 hat sich der Ausstoß von Schadstoffen im Luftverkehr glatt verdoppelt. Zum Jahreswechsel werden die Airlines, die in der Europäischen Union starten und landen, nun erstmals in den Emissionshandel einbezogen. Die großen Wirtschaftsverbände geben ihren Widerstand aber nicht auf und fordern ein Jahr Verschiebung.

 

Gleich sechs Verbände, angeführt vom Bundesverband der Deutschen Industrie, machen gegen die „Sonderabgabe für europäische Unternehmen“ mobil. Begründung: eine wettbewerbsneutrale Umsetzung sei nicht in Sicht. Denn zahlreiche Drittstaaten wie die USA, China, Indien, Japan und Russland wollten beim EU-Emissionshandel nicht mitmachen, verlangten Ausnahmen oder drohten mit Handelssanktionen. Falls deren Airlines keine Klimaabgaben zahlten, würde die europäische Konkurrenz einseitig benachteiligt.

Falscher Adressat

Die Bundesregierung sieht sich als falschen Adressaten der Kritik. „Der Emissionshandel ist europäische Gesetzgebung, hier ist Brüssel am Zug“, heißt es im Haus von Verkehrsminister Peter Ramsauer. Das Umweltbundesamt (UBA) bereitet derweil unbeirrt weiter die Zuteilung der Zertifikate vor. Präsident Jochen Flasbarth verweist auf „den längst fälligen Beitrag zum Klimaschutz“, den künftig auch der Luftverkehr zu leisten habe. Der Emissionshandel sei dafür ein wirksames Instrument.

Industrie und Energieerzeuger in der EU benötigen schon seit 2005 Verschmutzungsrechte für jede Tonne Kohlendioxid (CO2), mit der sie die Atmosphäre belasten. Der Schadstoff gilt als wichtige Ursache für den Klimawandel und die zunehmenden Wetterextreme. Ab Januar müssen nun auch Fluggesellschaften und Businessflieger für jede ausgestoßene Tonne Kohlendioxid eine Emissionsberechtigung abgeben.

Massiv gewehrt

Die Branche hat sich jahrelang massiv gegen die Klimaschutzauflagen gewehrt. Die einflussreiche Lobby setzte schließlich durch, dass es bis 2020 die meisten Verschmutzungsrechte kostenlos gibt. Nur einen Bruchteil müssen jene Airlines, die ihre Emissionen nicht wie vorgegeben reduzieren, am Markt kaufen. Für 2012 werden 85 Prozent der Zertifikate kostenlos verteilt, 2013 immerhin noch 82 Prozent.

Die weitgehend kostenlose Verteilung soll verhindern, dass die Ticketpreise durch den Emissionshandel explodieren. Die Branche nennt die künftigen Abgaben zwar gerne als Grund für weiter steigende Flugpreise. In Wirklichkeit aber werden die Airlines durch Klimazertifikate nur wenig belastet. Nach UBA-Angaben ist für ein einfaches Flugticket von Berlin nach Mallorca mit Mehrkosten von maximal 1,50 Euro zu rechnen.

Verbraucherschützer sind argwöhnisch

Nicht nur Verbraucherschützer argwöhnen jedoch, dass die Flugbranche eine Taktik nachahmt, die schon den Energieerzeugern Milliardengewinne auf Kosten ihrer Kunden brachte. Die Stromkonzerne bekamen bei Einführung des Emissionshandels auch einen Großteil der Zertifikate kostenlos, rechneten aber bilanziell so, als müssten von Beginn an alle Verschmutzungsrechte bezahlt werden. Und diese „Opportunitätskosten“ stellte die Branche den Verbrauchern voll in Rechnung.

Die EU-Kommission hat daher vorsorglich die Kosten des Emissionshandels pro Passagier berechnet. Demnach dürfte sich ein Flug Frankfurt-Singapur nur um 1,81 Euro verteuern, wenn die Fluggesellschaft lediglich die tatsächlich gezahlten Kosten weitergibt. Mehr als zwei Euro wären dann selbst auf den längsten Strecken nicht gerechtfertigt. Wälzt die Airline allerdings den bilanzierten Gesamtwert der benötigten Verschmutzungsrechte auf den Kunden über, stiege der Ticketpreis nach Singapur der EU-Rechnung zufolge um 9,04 Euro. Mehr als 12 Euro pro Flug wären aber auch in diesem Fall kaum begründbar.

Zusatzkosten höher als Klimaschutz

Experten weisen zu Recht darauf hin, dass andere Zusatzkosten beim Fliegen viel höher zu Buche schlagen als der Klimaschutz. So kassieren manche Airlines allein „Kerosinzuschläge“ von zeitweise bis zu 100 Euro und mehr. Auch Sicherheitsgebühren an Flughäfen schlagen zu Buche, in den USA werden zum Beispiel 16,30 Dollar je Abflug und Landung fällig. In Deutschland kassiert zudem der Fiskus eine Luftverkehrssteuer von acht, 25 oder 45 Euro pro Flug je nach Reiseziel.