Emmer und Einkorn sollen wieder auf dem Speiseplan stehen. Das Projekt der Uni Hohenheim will das Urgetreide wieder bekannt machen.  

Stuttgart - Wer in der Vorweihnachtszeit experimentierfreudig ist und neue Rezepte ausprobieren möchte, könnte es mit einem ganz neuem Mehl probieren - oder besser gesagt einem ganz altem. Emmer und Einkorn sind Getreidearten mit Vergangenheit, die aber kaum jemand kennt. Das soll sich bald ändern: Friedrich Longin von der Landessaatzuchtanstalt an der Uni Hohenheim und Andreas Kofler vom Landesinnungsverband des württembergischen Handwerks möchten das Urgetreide wieder bekannt machen und zu einer Renaissance verhelfen.

 

Dazu haben sie den Arbeitskreis Spelzweizen ins Leben gerufen. Mit dabei sind Forscher aus Hohenheim, der Schweiz und Österreich sowie Müller, Bäcker und Vertreter der Nudelindustrie. Wissenschaftlich wird das Urgetreide auf Inhaltsstoffe und Wachstumseigenschaften untersucht und mit praktischen Erfahrungen aus dem Anbau und der Verarbeitung ergänzt. "Damit sitzt die gesamte Produktionskette an einem Tisch", sagt Longin.

Seit einigen Jahren wird Urgetreide wieder angebaut

Emmer, Einkorn und Dinkel haben in vergangenen Zeiten den Speiseplan unserer Vorfahren bestimmt. Das Getreide wurde geschrotet und gemahlen und zu einem dicken Brei gekocht, Brot oder Plätzchen in der Vorweihnachtszeit gab es noch nicht. Doch schon während der Bronzezeit setzten sich ertragreichere Arten durch, die zudem leichter zu verarbeiten waren: Weizen, Roggen und Gerste verdrängten das ursprüngliche Getreide nahezu komplett. Als man sich vor etwa zehn Jahren an der Uni Hohenheim für Emmer und Einkorn zu interessieren begann, hat man auf Genbanken zurückgegriffen. Seit einigen Jahren wird das Urgetreide nun wieder vereinzelt angebaut, vor allem in Süddeutschland und in der Schweiz.

Emmer und Einkorn gehören zu den Spelzgetreiden. Das Korn ist von einer festen Hülle umschlossen, der Spelze. Es ist somit vor Schadstoffen aus der Umwelt geschützt. Auch Pilze können ihm weniger anhaben als Weizen. Allerdings machen Spelzgetreide mehr Arbeit in der Müllerei. Weichweizen etwa kann nach dem Dreschen sofort weiterverarbeitet werden, während bei Spelzgetreide in einem weiteren Arbeitsgang die Spelze vom Korn getrennt werden muss.

Emmer und Einkorn sind sehr gesund

Doch Longin setzt auf die inneren Werte des Urgetreides: "Es schmeckt sehr viel aromatischer." Emmer und Einkorn punkten auch unter gesundheitlichen Aspekten. Sie sind reich an Mineralstoffen, Vitaminen und Spurenelementen. Einkorn beispielsweise enthält sehr viele Beta-Carotinoide. Diese zählen zu den sekundären Pflanzenstoffen, die als Antioxidantien wirken und damit freie Radikale abfangen können, die im Körper immer wieder als Abfallprodukte gebildet werden und bei der Krebsentstehung eine Rolle spielen.

Auch bei den Vorstufen der Vitamine A und E schneidet das alte Getreide gut ab. Es enthält im Vergleich zu Weizen mehr Mineralstoffe und Spurenelemente. Einkorn ist reich an Zink und Selen. "Allerdings muss noch genauer untersucht werden, ob diese Inhaltsstoffe auch im verarbeiteten Produkt verfügbar sind und wie sie vom Körper aufgenommen werden", erklärt Longin. Dies übernehmen Hohenheimer Lebensmitteltechnologen.

Einkorn und Emmer stellen hohe Ansprüche an Bäcker

Die Weiterverarbeitung muss ebenfalls genauer unter die Lupe genommen werden. Einkorn und Emmer stellen hohe Ansprüche an den Bäcker oder den backfreudigen Hobbykoch. Aus dem kleinen Einkorn wird gelbliches Mehl gewonnen, das wenig Kleber enthält. Emmer und Dinkel haben einen deutlich höheren Kleberanteil. Von diesem Kleber, der aus Proteinen besteht, hängt es ab, wie viel Wasser der Teig binden kann und wie elastisch er wird. Doch die Kleberqualitäten des Urgetreides zeigen enorme Schwankungen, je nach Sorte, Anbaugebiet und Charge. Dies gilt es zu erforschen, so dass ein homogener Anbau garantiert werden kann.

Auch in der Landwirtschaft sei man mittlerweile auf die alten Arten aufmerksam geworden, berichtet der Hohenheimer Wissenschaftler. Vor allem für den ökologischen Anbau eignen sich die Pflanzen. Sie sind robust und widerstandsfähig. Daher wachsen sie auch noch in rauen Lagen wie etwa der Schwäbischen Alb, wo der Weizen keine Chance mehr hat. Durch die Widerstandsfähigkeit müsse man weniger Dünger und weniger chemische Pflanzenschutzmittel einsetzen, berichtet Longin. Allerdings werde das Getreide bis zu zwei Meter hoch, so dass es durch Wind und Wetter leicht umgeknickt. Daher gilt es nun für die Hohenheimer Züchtungsforscher, eine Sorte zu finden, die standfest und ertragreich ist.

"Das Ursprungsgetreide wird wahrscheinlich nicht zur Massenware werden", meint Longin. Doch Bäcker könnten damit ihre Produktpalette erweitern und sich von den Standardwaren abheben. "Ein handwerklicher Bäcker, der Brote aus Emmer und Einkorn im Sortiment hat, hebt sich von Discountern und großen Ketten ab. Für qualitätsbewusste Kunden ist das sicherlich interessant."