Zerbombte Städte, Flüchtlingsströme, Vergewaltigungen: Erschreckend aktuell ist mit Blick auf die Ukraine der Film „Baden gegen Württemberg“, dessen Preview der SWR mit Hauptdarstellern und Historikern im Haus der Geschichte gefeiert hat.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Nicht nur beim Fußball zeigt sich’s, dass Badener und Schwaben, obwohl seit bald 70 Jahren in einem Bindestrich-Bundesland vereint, nicht gerade Best Buddies sind. Woher die Rivalität kommt, erklärt der 36-jährige Drehbuchautor und Regisseur Andreas Köller in dem packenden Polit-Krimi „Baden gegen Württemberg – Männer, Macht und Frauenfunk“, der mit seiner Mischung aus Spielfilm und Doku die Landesgeschichte emotional erzählt. Bevor der SWR die ehrgeizige Produktion zum Jubiläum von Baden-Württemberg am 13. April in die ARD-Mediathek stellt und am 15. April um 21 Uhr im SWR-Fernsehen ausstrahlt, hat der Sender am Dienstagabend mit der Filmcrew, Hauptdarstellern, Historikern sowie mit Vertretern des Rundfunkrats und der Medien die Vorab-Aufführung im Haus der Geschichte gefeiert. „Ich bin mir sicher, dass die meisten die wahren Hintergründe zum Landes-Zusammenschluss nicht kennen“, sagt Autor Köller. Auch er war selbst überrascht, was für „krasses Bildmaterial“ er in den Archiven bei der Recherche gefunden hat, die über ein Jahr lang gedauert hat.

 

„Ich könnte kotzen vor Wut“, sagt Hauptdarstellerin Laura Schwickerath

In dem Film, der authentisch wirkende Schauspielszenen mit spannend aufbereiteten Archivaufnahmen und oft überraschenden Statements von Zeitzeuginnen (darunter ist die 91-jährige Haushälterin des badischen Politikers Leo Wohleb) und Historikern verbindet, wird unter anderem die „Freinacht“ thematisiert. In dieser „Freinacht“ waren deutsche Frauen den französischen Besatzungstruppen zum Missbrauch freigegeben. Die Türen der Häuser durften nicht verschlossen werden, damit die Soldaten die Bewohnerinnen nach Belieben vergewaltigen konnten. „Ich könnte kotzen vor Wut, dass auch heute noch so viele Frauen vergewaltigt werden“, ruft die Berliner Schauspielerin Laura Schwickerath nach der Vorstellung in der Talkrunde auf der Bühne. Sie spielt das „Fräulein Schätterle“, das im „Frauenfunk“ nach dem Krieg eine neue Art von Radiojournalismus aufbaut und dem Film angesichts der alten weißen Männer, die im Streit um die Bildung des Südweststaates den Hauptpart spielen, die feminine Antwort zum Verstehen der damaligen Zeit liefert.

Hauptdarsteller Christian Pätzold wird auf der Bühne laut

In der Diskussion nach dem Abspann fragt ein 22-jähriges Mitglied des Rundfunkrates, was es den Menschen in Baden-Württemberg heute bringe, wenn sie wüssten, wie trickreich es im Jahr 1952 vor der Fusion von Württemberg-Baden, Baden und Württemberg-Hohenzollern zu einem einzigen Südweststaat zugegangen ist. Der 77-jährige Hauptdarsteller Christian Pätzold, der Reinhold Maier, den damaligen Ministerpräsidenten von Württemberg-Baden und späteren ersten Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg spielt, wird auf der Bühne aus Verärgerung laut. „Interessiert es junge Leute nicht, wenn Flüchtlinge massenhaft ins Land strömen und Frauen vergewaltigt werden?“, ruft er dem 22-Jährigen zu.

Der junge Mann fühlt sich falsch verstanden. Aber nein, der Film habe ihm sehr gut gefallen, doch sieht er die Gefahr, dass junge Menschen davon nicht angesprochen werden. Damit spricht er ein Problem des Senders an: Der Altersschnitt des SWR-Fernsehens liegt bei über 60 Jahren, junge Leute bevorzugen neue Medien. Moderatorin Cecilia Knodt schlägt dem 22-Jährigen vor: „Sie sollten Ihren Gleichaltrigen übermitteln, wie wichtig ein Film wie dieser ist.“

Der heimliche Star des Films ist ein Dackel

SWR-Landessenderdirektorin Stefanie Schneider freut sich, dass der Film die Bedeutung des Stuttgarter Frauenfunks und den Alltag der Frauen in der Nachkriegszeit aufgreift. In den Machtzentralen der Politik waren damals die Männer unter sich, während sie dem Wein reichlich zugesprochen haben. Bei der Preview hat sich Autor Andreas Köller gefreut, dass oft gelacht worden ist, dass der Film dem Publikum unter die Haut ging und dass der Dackel des badischen Staatspräsidenten Leo Wohleb zum heimlichen Star des Films geworden ist. Im Kampf um die Eigenständigkeit von Baden wird Wohleb, der als Underdog Sympathien des Filmpublikums gewinnt, bei einer nicht ganz fairen Volksabstimmung zum Verlierer. Seine Frau umarmt den Unterlegenen, ja Betrogenen – die menschliche Seite beim Ringen um Baden-Württemberg ist dem jungen Autor wichtig. Sein Film ist mehr als eine Geschichtsstunde, sein Film ist großes Kino.