Sylvia Mehlbeer lebt mit einer fremden Niere, Richard Pregizer wurde eine Lunge transplantiert. Sie sind froh, dass ihnen ein neues Leben geschenkt wurde und dankbar gegenüber den Spendern.

Kreis Göppingen - Sylvia Mehlbeer aus Adelberg hatte besonders in der Anfangszeit ihres Leidens so ziemlich alle Kliniken in der näheren Umgebung durch. In der Uniklinik Tübingen wurde sie „durchtherapiert“, man wechselte alle sechs Wochen die Medikation, weil man (noch) nicht wusste, was dahintersteckte. Nebenwirkungen, wie Haarausfall, Haarwuchs an unerwünschten Stellen sowie ein aufgedunsenes Gesicht waren noch die kleineren Probleme. „Man hat mich in den Hörsaal geschoben, um mich vorzustellen, ich war ein Phänomen. Die Nieren sind kaputt, aber was ist die Ursache?“

 

Doch irgendwann hatte ihre Krankheit einen Namen: Lupus erythematodes (SLE), eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung. „Und der Wolf, also Lupus, zerfrisst die inneren Organe oder erscheint äußerlich als Hautkrankheit.“ Als Beispiel nennt sie den britischen Sänger Seal, Heidi Klums Ex-Mann, der seit seiner Jugend unter dieser Krankheit leidet und dessen Narben in seinem Gesicht darauf zurückzuführen sind.

Dreimal in der Woche zur Dialyse

Ihren Job in einer Krankenkasse konnte sie schon lange nicht mehr machen. „Ich hing dreimal die Woche für je zwölf Stunden an der Dialyse“, berichtet Sylvia Mehlbeer und musste anfangs von Bad Boll nach Stuttgart fahren, weil dies in Göppingen noch nicht möglich war. Das erste Jahr liegend im Krankenwagen, die folgenden drei Jahre mit dem Krankentaxi, danach war sie fix und fertig. „Das war eine schwere Zeit, manche sah man dabei sterben.“ Irgendwann kam sie in ein Dialysezentrum nach Esslingen, von dort aus setzte man sie in Heidelberg auf die Transplantationsliste.

Neben der Großstadt am Neckar war damals in Deutschland nur noch eine Transplantation in Berlin und Tübingen möglich. Mit den Jahren an der Dialyse ging es ihr besser, inzwischen hatte sie es nach Berlin verschlagen. Und dann kam der Anruf aus Heidelberg, dass eine Niere da sei, sie solle kommen. Doch Sylvia Mehlbeer lehnte ab. Weil es ihr gut ging und sie just an diesem Tag in der größten Töpferei in Berlin ihren Traum einer Lehre nicht aufs Spiel setzen wollte. Und, wie sie im Gespräch zugibt, auch aus Angst. „Diese Operation gab es davor ja kaum.“ Doch die Frau am Telefon gab ihr eine halbe Stunde Zeit, sie solle sich das gut überlegen, denn, sie bekomme eine seltene „Full-house-Niere“ – alle Gewebetypisierungen stimmten überein.

„Man darf den Mut nicht verlieren“

Dann ging alles ratzfatz. „Meine Nierentransplantation war am 17. Oktober 1979 im Klinikum Steglitz, ich bekam die linke Niere eines Unfallopfers, man bekommt immer nur ein Organ“, verrät die Adelbergerin. Die Operation dauerte sechs Stunden. Es war eine Zeit, in der man in Deutschland so gut wie gar nichts darüber wusste, erklärt Sylvia Mehlbeer und betont: „Das Schlimme war, man wurde danach als Patient psychisch ziemlich alleine gelassen, da gab es keine soziale Unterstützung in irgendeiner Form.“

Selbst ihre Familie dachte, jetzt hat sie eine neue Niere und alles ist wieder gut, „aber so ist es halt nicht.“ Der Gedanke, dass sie nur weiterleben kann, weil ein anderer Mensch gestorben ist, muss verarbeitet werden – eine große Stütze war ihr damaliger Partner. Sie konnte in Berlin noch eine Ausbildung zur Naturkosmetikerin absolvieren und später „als erste Hauschka-Kosmetikerin im Kreis“ eine Praxis in Bad Boll eröffnen, die sie wegen ihrer Affinität zur Kunst an den Nagel hängte. Sie besuchte Kunstschulen, studierte in Nürtingen Kunst und Bildhauerei. Auch wenn sich die Adelbergerin mit 69 Jahren mittlerweile aus dem Kunstgewerbe zurückgezogen hat, ist Sylvia Mehlbeer durch ihre Ausstellungen, den Aufbau der Kreativwerkstatt des SOS-Kinderdorfs sowie als Mitglied in mehreren Kunstvereinen, im Kreis keine Unbekannte. „Man darf den Mut nicht verlieren und muss dran glauben, dass es gut gehen kann“, verspürt sie auch eine tiefe Dankbarkeit gegenüber allen Spendern.

Zwischen Hoffen und Bangen

Ein plötzlicher Hustenanfall auf einer Wiese – eigentlich nichts Besonderes und doch, für Richard Pregizer aus Bad Boll-Eckwälden sollte sich von da an vieles ändern. Selbst wenn er sich „scheinbar fit“ fühlte, häufte sich im Laufe der Zeit sein Reizhusten, kamen Schmerzen im Brustkorb, Druckgefühl, belastungsabhängige Atemnot und Müdigkeit hinzu. „Sie sind zu dick“, meinte sein Kardiologe – doch rund eineinhalb Jahre später sowie 30 Kilo leichter und inzwischen Nichtraucher, wurde sein Zustand eher schlimmer als besser. Beim Lungenfacharzt bekam der Auslöser seiner Beschwerden einen Namen: Sarkoidose (Morbus Boeck), ähnlich der Tuberkulose. Eine entzündliche, meist chronische Krankheit mit knötchenförmigen Gewebeveränderungen und geschwollenen Lymphknoten im Lungenbereich, die auch Herz und Augen befallen kann.

Es folgten viele Untersuchungen in vielen Kliniken. Immer zwischen „Hoffen und Bangen“, geschwächt von einer Lungenentzündung und zwei Pneumothoraxe, ging es im Herbst 2010 via Hubschrauber schnell in den Schwarzwald: Man hatte für Richard Pregizer ein Spenderorgan. „Ich wurde vorbereitet, war schon fast in Narkose, dann wurde mir gesagt, dass die Lunge nicht passt.“ Alles wieder auf Anfang. Die Zeit vor der Transplantation beschreibt der heute 72-Jährige wie folgt: „Es war eine Achterbahnfahrt. Insgesamt dreimal konnte das Organ nicht verwendet werden.“ Dann, am 7. April 2011 war es soweit: Mit knapp 61 Jahren wurde Richard Pregizer in einer sechsstündigen Nacht-Operation (s)eine passende Lunge transplantiert. Ein ziemlich martialischer Eingriff, bei dem der Brustkorb aufgeschnitten und die Rippen gespreizt werden. Der Patient hängt an der Herz-Lungen-Maschine. Zuerst wird der eine, dann der andere Lungenflügel getauscht.

„Jedes Jahr ist für mich eine Überraschung“

Für den gelernten Drucker ging es danach schnell aufwärts. „In der neunwöchigen Reha im Berchtesgadener Land bin ich wieder zu Kräften gekommen“, erzählt er. Eingeschränkt in der Ernährung und im Sport, ist er immer noch ehrenamtlich Beisitzer der Arbeits- und Lebensgemeinschaft Bad Boll. „Ich weiß um meine Grenzen und, dass das Organ noch immer abgestoßen werden kann.“ Doch eines ist für den mit sich im Reinen wirkenden Senior klar: „Jedes Jahr ist für mich eine Überraschung.“