Autofahren ist für viele ein unantastbares Grundrecht. Zumindest gewinnt man diesen Eindruck, wenn man die Reaktionen in den sozialen Netzwerken zum Thema Feinstaubalarm auf sich wirken lässt. Unsere Redakteurin Jessica Kneißler ist anderer Meinung.

Stuttgart - Hilfe, die Politiker beschneiden schon wieder unsere Freiheit! Wir sollen einen Tag lang auf unsere geliebten Autos verzichten - und der VVS, rotzfrech, bietet im Gegenzug nicht mal Kostenlos-Fahrten an! Abgesehen davon, ohne stundenlange Verspätungen und blaue Flecken vom Durchdrängeln kommt man mit den Öffentlichen ja eh nicht zur Arbeit.

 

Das ist der Grundtenor vieler Reaktionen, die sich in den sozialen Netzwerken zum Thema Feinstaubalarm in Stuttgart überschlagen. Freiwillig verzichten? Pfff, sagt die große Mehrheit. Während die meisten in Sachen Feinstaubalarm den bösen Politikern, der miesen Verkehrsführung und/oder den angeblich überteuerten öffentlichen Verkehrsmitteln den schwarzen Peter zuschieben, sind manche wenigstens erfrischend ehrlich: "Ich zahle doch keine Hunderte von Euro KFZ-Steuer, um mein Auto dann bei dieser sowieso fragwürdigen Maßnahme stehen zu lassen...", schreibt eine passionierte Fahrerin auf Facebook.

Zugegeben: Für manchen Pendler mag die Verbindung mit Bus oder Bahn allzu umständlich sein, und wer sowohl Auto als auch die Öffentlichen nutzen will, hat teils beträchtliche Mehrkosten. Doch für viele ist das Recht aufs Autofahren offenbar ein unantastbares Grundrecht. Wird es auch nur ansatzweise durch (zunächst) bloßes Bitten zum Umdenken angetastet, reagieren sie wie schlecht erzogene, verwöhnte Gören: "Fahrverbot?! Das dürfen wir uns NIE bieten lassen!", "Wir fahren trotzdem!" und dergleichen mehr ist im Netz zu lesen.

Wer öfters durch Stuttgart spaziert, weiß, dass diese Stadt das Prädikat Luftkurort niemals bekommen wird. So hoch wollen wir unsere Ansprüche angesichts Kessellage und (Auto-)Industriestandort auch gar nicht hängen. Doch der ein oder andere, der hier nicht nur arbeitet, sondern auch lebt und atmet, sollte sich überlegen, ob ein Umsteigen nicht nur Beschneidung, sondern Bereicherung wäre. Zudem sparte man sich den einen oder anderen Stau auf den Straßen in und rund um Stuttgart, gegen den Verspätungen bei den Öffentlichen in der Regel wirklich ein Witz sind.