Haarige Angelegenheit: die südafrikanische Drogeriekette Clicks hat mit ihrer Werbung Befreiungskämpfer auf den Plan gerufen.

Johannesburg - Haare, weiß jeder, der sich nicht nur in kulturell gleichgeschalteten Reservaten bewegt, ist eines der heikelsten Themen der menschlichen Vielfalt. Das gilt vor allem in Südafrika, wo sich die Architekten der Apartheid einst eine haarsträubende Methode ausdachten, um die grenzenlosen Variationen menschlicher Erscheinungsform in Kategorien zwängen zu können.

 

Die Rassenrichter steckten einen Bleistift ins Haar einer Person: Fiel der Bleistift zu Boden, ging die Kandidatin oder der Kandidat als weiß oder europäisch durch, blieb er stecken, war die Person schwarz oder „Bantu“. Noch heute löst die unterschiedliche Beschaffenheit der Haare am Kap der Guten Hoffnung regelmäßig heftige Debatten aus: Etwa wenn Lernanstalten ihren Schülern vorschreiben, ihre Haare „ordentlich“ zu tragen, was vor allem „kein Afro“ bedeutet. Was die Evolution über Zigtausende von Jahren zum Schutz vor der gnadenlosen Sonne hervorgebracht hatte, machte der europäische Überlegenheitswahn in einem Handstreich zunichte: dichtes krauses Haar gilt als hässlich, glattes und vor allem blondes Haar als schön. Basta.

Ein Sturm der Entrüstung

Das sitzt dermaßen fest, dass den Verantwortlichen des multinationalen Unilever-Konzerns gar nicht auffiel, was einer Werbeagentur einfiel, um ihre Haarproduktreihe TRESemmé an die Frau zu bringen. Sie stellte vier Bilder nebeneinander, die einerseits zwei Blondinen unter der Überschrift „normales Haar“ und „fein und glatt“ zeigen. Außerdem sind zwei Afrikanerinnen zu sehen, die mit „beschädigtes Haar“ und „kraus und stumpf“ betitelt wurden. Die südafrikanische Drogeriekette Clicks lud die Werbekampagne anstandslos auf ihre Website – und sorgte für einen Sturm der Entrüstung, der schon seit Tagen das Land in Atem hält.

Ein eher kleiner Teil der Bevölkerung fragt sich, wie so etwas passieren konnte: Fiel der peinliche Lapsus denn weder den Verantwortlichen der Werbeagentur noch denen des Multis auf? Vergangene Woche rollten Köpfe: Bei der südafrikanischen Werbeagentur und bei Clicks musste je ein Angestellter als Bauernopfer gehen. Drei weitere sind suspendiert. Unilever entschuldigte sich für den „bedauerlichen Fehler“: Clicks nahm TRESemmé aus den Regalen. Die Empörung hält dennoch an.

Befreiungskämpfer laufen Sturm

Längst hatten die „Economic Freedom Fighter“ (EFF), eine vorgeblich linke Partei zorniger junger Nationalisten, das Thema für sich entdeckt: Den Befreiungskämpfern kommt ein Skandal unter dem Schlagwort Rassismus immer gelegen. Die ganz in rot gekleideten EFF-Aktivisten sorgten dafür, dass zahlreiche Clicks-Filialen in der vergangenen Woche lahmgelegt wurden: Sie zertrümmerten Scheiben, in einer Filiale wurde auch ein Brandsatz gezündet.

Damit war der Haarstreit politisch: Unilever traf sich mit der EFF, um einen Burgfrieden auszuhandeln. Der Konzern soll sich dazu verpflichtet haben, die TRESommé-Reihe für mindestens zehn Tage aus dem Programm zu nehmen und 10 000 Hygieneeinlagen für Frauen in die Townships zu liefern.

Lediglich ein EFF-Kämpfer wurde wegen Widerstands gegen die Staatsmacht verhaftet. Adam Habib, der ehemalige Chef der Johannesburger Witwatersrand-Universität, sieht mit der EFF eine faschistische Partei heranwachsen, die bekämpft werden müsse: „Mich erinnert die EFF an Pol Pots politische Kinder mit ihrer Glorifizierung der Gewalt und ihren nativistischen und rassistischen Ideen“, wettert der Soziologe. Soll keiner sagen, dass es bei diesem Haarstreit um bloße Haarspalterei gegangen sei!