Beim Prozessauftakt in Stuttgart streitet der zweite Geschäftsführer von EN Storage eine Mittäterschaft ab. Das Unternehmen aus Herrenberg hatte seine Anleger um fast 95 Millionen Euro gebracht.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Stuttgart - Für den Betrug an Hunderten von Anlegern hält sich Lutz Beier nicht für verantwortlich: Am Montag verlas einer seiner drei Anwälte am Stuttgarter Landgericht eine Erklärung, in der eine Mittäterschaft am Schneeballsystem von EN Storage zurückgewiesen wurde. Zum Prozessauftakt machte der zweite Geschäftsführer des Herrenberger Unternehmens (Kreis Böblingen), das seine Anleger um fast 95 Millionen Euro brachte, ansonsten keine Aussage. Seine Frau, die im selben Verfahren angeklagt ist und als Steuerberaterin für EN Storage arbeitete, stellte sich als beruflich unerfahren da. Edvin Novalic hat dagegen in einem separaten Prozess ein Geständnis abgelegt und seinen Kompagnon als treibende Kraft des Betrugs dargestellt. „Er wollte Millionär werden und hat alles bestimmt“, sagte er über Lutz Beier.

 

Eine Haftstrafe von zehn bis zwölf Jahren wird der Staatsanwalt im Fall von Edvin Novalic fordern. Für seinen Mitgeschäftsführer geht es um die gleiche Zeit hinter Gitter. Er sitzt seit 14 Monaten in Untersuchungshaft. Der 54-Jährige, der laut seinem Anwalt zuvor „ein erfolgreicher Vermögensberater“ war, hat im Juni 2011 mit Edvin Novalic die Firma gegründet. Das Geschäftsmodell von EN Storage bestand darin, Datenspeicherplätze zu verkaufen, die durch die Vermietung an Unternehmen wie Daimler Renditen von bis zu 10,6 Prozent im Jahr abwerfen sollten. Es „war vollständig fingiert, um die Anleger zu täuschen“, verlas der Staatsanwalt aus der Anklageschrift. Später wurden noch Anleihen mit einer jährlichen Verzinsung von bis zu sieben Prozent veräußert.

Beeindruckendes Netzwerk in der IT-Branche

Doch mit dem Geld der Investoren wurde keine Hardware gekauft, es gab auch keine Kundschaft dafür. Edvin Novalic habe es für sich und Dritte verwendet, heißt es in der Anklage – ein klassisches Schneeballsystem. Nach Ansicht des Staatsanwalts war Lutz Beier in dem Unternehmen für die Finanzen und das Marketing verantwortlich, hatte von dem Betrug gewusst und ihn genutzt, „um sich eine Einnahmequelle in erheblichem Umfang“ zu verschaffen. Er zitierte aus einem Prospekt der Firma, in dem „den Erwerbern von Storagesystemen und den Anleihezeichnern eine glänzende Ertragslage und die ständige Ausweitung des operativen Geschäfts“ vorgegaukelt wurde. Die zwei Jahre jüngere Frau des Angeklagten soll ebenfalls in die Geschäftsführung eingebunden und informiert gewesen sein.

Für den Anwalt von Lutz Beier stellt sich nicht die Frage, ob sein Mandant einen Betrug begangen habe, sondern ob er „als Werkzeug instrumentalisiert wurde“. In seiner Erklärung stellte er Edvin Novalic als den Alleinverantwortlichen für das Schneeballsystem dar. Er habe „von Beginn an ein Klima des Vertrauens geschaffen“, sagte der Verteidiger. Aufgrund seines Lebenswandels schien er sehr erfolgreich zu sein, in der IT-Branche verfügte er über ein beeindruckendes Netzwerk. Außerdem habe er es verstanden, private Beziehungen aufzubauen, sei Trauzeuge bei der Hochzeit von Lutz Beier im Jahr 2014 gewesen. Bei EN Storage war der frühere Geschäftspartner nach Darstellung des Anwalts für so gut wie alles verantwortlich. Fragen etwa zu den Geldströmen hätten sich immer aufklären lassen. Sein Mandant hatte „zu keinem Zeitpunkt einen subjektiven Anhaltspunkt, die Redlichkeit von Edvin Novalic anzuzweifeln“, erklärte er. Lutz Beiers Ehefrau machte nur Angaben zu ihrer Person. „Ich kann nicht behaupten, gut in unternehmerischer Steuerberatung und Finanzplanung zu sein“, sagte die 52-Jährige. Sie sei nie darauf getrimmt worden, einen Betrug zu entdecken.

Edvin Novalic behauptete vergangene Woche das Gegenteil: Sein Kompagnon und dessen Frau hätten in der Buchhaltung „alles gerade gebügelt“. Der Prozess gegen das Ehepaar wird am Donnerstag dieser Woche fortgesetzt. Für das Verfahren sind 38 Verhandlungstage angesetzt. Gegen Edvin Novalic geht der Prozess am Montag, 9. Juli, weiter. Das Urteil soll an einem folgenden Verhandlungstag erfolgen.