Edvin Novalic, einer der Ex-Geschäftsführer von EN Storage, muss für knapp acht Jahre in Haft. Aber die juristische Aufklärung geht weiter – es gibt noch zwei Beschuldigte.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Herrenberg - Anderthalb Jahre Untersuchungshaft sind beendet. Nun beginnt die eigentliche Strafe. Das Landgericht Stuttgart hat Edvin Novalic wegen Betrugs zu sieben Jahren und zehn Monaten Gefängnis verurteilt. Damit ist der Prozess gegen den ersten Ex-Geschäftsführer der ehemals in Herrenberg ansässigen Firma EN Storage beendet und ihr Geschäftsmodell gerichtlich als illegales Schneeballsystem enttarnt. Ob das betrügerische Geflecht des zweitgrößten Falls von Anlagebetrug in der Geschichte Baden-Württembergs je vollständig entwirrt werden kann, bleibt hingegen offen, insbesondere, ob je alle Beteiligten abgeurteilt werden können.

 

Der Ex-Geschäftsführer hatte ein Geständnis abgelegt

Am Grundsatz zweifelte schon zu Prozessbeginn niemand. Verhandelt wurde nicht Schuld oder Unschuld, sondern lediglich die Höhe der Strafe. Der Ex-Geschäftsführer von EN Storage Edvin Novalic hatte sich selbst gestellt und gestanden. In monatelangen Vernehmungen hatte er zudem die Namen von Mittätern genannt, internationale Geldströme über Briefkastenfirmen offenbart. EN Storage hatte von fast 5000 Anlegern 93 Millionen Euro eingesammelt, angeblich um Datenserver zu kaufen und an Konzerne zu vermieten. Die Server aber existierten nie. Rechnungen, Testate, Bilanzen waren über eine Zeit von siebeneinhalb Jahren gefälscht worden. Die Staatsanwaltschaft sowie die Bundesdienstaufsicht für Finanzdienstleistungen ermittelten zwischenzeitlich – allerdings ohne Ergebnis.

Insgesamt 673 000 Euro kassierte Novalic gemäß gerichtlicher Feststellung als Geschäftsführergehalt, 173 000 Euro hob er für private Zwecke vom Geschäftskonto ab, Geschenke im Wert von 45 000 Euro bekam er im Sinne eines Handschlags von Geschäftspartnern. Der Verbleib von knapp elf Millionen Euro ist nebulös. „Wir nehmen zugunsten des Angeklagten an, dass er sie zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs verwendet hat“, sagte der Richter Martin Friedrich.

Gericht: Ohne Selbstanzeige „wäre es wahrscheinlich munter weitergegangen“

Das Landgericht Stuttgart rechnete Novalic vor allem sein Geständnis strafmildernd an. Ohne die Selbstanzeige „hätten die Mitbeschuldigten wahrscheinlich munter weitergemacht“, sagte Martin Friedrich. Zugunsten des Angeklagten wertete das Landgericht außerdem, dass Novalic einen Schuldtitel über 70 Millionen Euro unterschrieben und sich der Zwangsvollstreckung unterworfen hatte. Allerdings ist der theoretisch eintreibbare Teil des Geldes bar ins Ausland geflossen und laut dem Insolvenzverwalter Holger Leichtle dort unauffindbar.

Die Verteidigerin Ulrike Paul behauptet hingegen, Personalnot beim Landeskriminalamt sei der Grund dafür, dass die Hinweise ihres Mandanten zu keinem nennenswerten Erfolg geführt hätten. Sie hatte gefordert, dass die Strafe sieben Jahre Haft nicht übersteigen dürfe. Der Staatsanwalt Christian Wolf hatte neuneinhalb Jahre beantragt. „Es darf sich in der Öffentlichkeit nicht der Eindruck festsetzen, dass Verbrechen sich lohnt“, sagte er.

Zu seiner vergleichsweise milden Strafe hatte Edvin Novalic vor allem der Paragraf 46 des Strafgesetzbuches verholfen: die Kronzeugenregelung. Anfangs hatte er die alleinige Schuld auf sich genommen. Erst „als die Ermittler ihm gesagt haben: Das glaubt Ihnen keiner, hat er tatkräftig bei der Aufklärung mitgeholfen“, sagte seine Verteidigerin.

Die beiden Geschäftsführer haben sich nur noch angeschrieen

Was Novalic nicht jeder danken wird. Insbesondere seinen Co-Geschäftsführer Lutz Beier hatte er belastet. Letztlich sei es Beier gewesen, der immer mehr Anlegergeld hatte einsammeln wollen. Seine eigene Aufgabe sei gewesen, die gefälschten Belege für die angeblich gekaufte Technik zu beschaffen. „Unsere Kommunikation bestand in den letzten Jahre nur aus Schreien“, sagte Novalic. Beier habe ihn gar körperlich bedroht. Ehemalige Mitarbeiter bestätigen, dass dies im Geschäftsleben von EN Storage vorgekommen sei. Gegen Beier und seine Ehefrau – die Steuerberaterin des Unternehmens – wird in einem getrennten Verfahren verhandelt. Weil beide leugnen, dass sie von dem Betrug wussten, ist der Prozess ungleich umfangreicher. Ein Urteil ist nicht vor Weihnachten zu erwarten. Im September soll Novalic gegen seinen einstigen Kompagnon aussagen. Zu klären ist außerdem die Rolle dreier Wirtschaftsprüfer, die EN Storage alle Anlegergeschäfte beglaubigt und die Bilanzen für einwandfrei erklärt hatten.