Ein Gericht soll jetzt klären, ob die Franzosen zu viel Geld bekommen haben. Es geht um mögliche Ansprüche auf Schadenersatz.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Wegen des EnBW-Deals von Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) kommt es nun auch zu einer Konfrontation zwischen dem Land Baden-Württemberg und dem französischen Staatskonzern Électricité de France (EdF). Nachdem Kompromissversuche gescheitert sind, hat das Land bei der Internationalen Handelskammer in Paris eine Schiedsklage gegen die EdF eingereicht. Damit will es prüfen lassen, ob der Kaufpreis von 41,50 Euro je Aktie überhöht war; für gut 45 Prozent an dem Energiekonzern hatte das Land insgesamt 4,7 Milliarden Euro bezahlt. Im Fall eines Erfolges könnte es mit einer Rückerstattung des überbezahlten Betrages rechnen.

 

„Wir wahren damit die Möglichkeit, Schadenersatzansprüche geltend zu machen“, begründete Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) die Klage. Die Anwälte des Landes hätten dringend dazu geraten, um Rechtsnachteile zu vermeiden. An diesem Freitag wäre die einjährige Frist abgelaufen, innerhalb derer das Land vor das vereinbarte Schiedsgericht ziehen könnte. Auf eine Verlängerung habe sich die EdF nicht eingelassen, sondern auf den bestehenden Vertrag gepocht, berichtete Schmid. Etwaige Schadenersatzansprüche würden sich wegen nicht erfüllter Ansprüche aus Garantiebestimmungen gegen die EdF richten. Das Schiedsverfahren könne aber auch wichtig sein, um Ansprüche gegen Mappus, seine politischen Mitakteure und die Berater von Gleiss Lutz und Morgan Stanley geltend zu machen. Der Finanzminister stellte zugleich klar, dass der Kauf an sich mit der Klage nicht infrage gestellt werde: „Wir tun das, weil wir voll zu den EnBW-Anteilen stehen.“

Kernfrage ist die Höhe des Preises

In der Klage wird ein Betrag beziffert, den das Land nach seiner Ansicht zu viel bezahlt hat. Die Höhe wurde jedoch nicht bekanntgegeben, da es sich um ein nichtöffentliches Verfahren handele. Wie Schmid erläuterte, könnte es bei dem zu viel gezahlten Betrag um einen Verstoß gegen europäisches Beihilferecht gehen, also um einen ungenehmigten Wettbewerbsvorteil. Ein solcher Vorteil müsste gegebenenfalls ausgeglichen werden, erläuterten die vom Land mit der Prüfung beauftragten Anwälte der Kölner Kanzlei CBH.

Bei der Klage geht es laut Schmid „um die Kernfrage, ob der damalige Kaufpreis angemessen war oder nicht“. Das Schiedsgericht soll sie von einem externen Experten klären lassen, auf den sich beide Seiten verständigen müssen. Dabei werde unter anderem die Frage untersucht, ob der sogenannte Paketzuschlag für das Aktienpaket von etwa 15 Prozent berechtigt war, erläuterten die Anwälte. Zudem spiele es eine Rolle, ob bei der Preisfindung die richtigen Unternehmensdaten und der richtige Multiplikator verwendet worden seien.

Die Bewertung des Unternehmens ist eine zentrale Frage beim Streit über den EnBW-Deal. Gemäß dem Auftrag des Landes hatte die Investmentbank Morgan Stanley keine umfassende Unternehmensbewertung, eine sogenannte Due Diligence, vorgenommen, sondern lediglich eine weitaus weniger tiefe „Fairness Opinion“ abgegeben. Der frühere Ministerpräsident Mappus spricht dagegen – offensichtlich in Abstimmung mit Morgan Stanley – von einer „Due Diligence“ auf der Basis der öffentlich verfügbaren Informationen. Auf die Frage, ob er diese Definition teile, sagte einer der CBH-Anwälte: „Ich verstehe darunter etwas anderes.“ Bei einer klassischen Due Diligence würden unternehmensinterne Daten ausgewertet, für eine Fairness Opinion stehe zudem „viel weniger Zeit“ zur Verfügung. Die Behauptung von Morgan Stanley, das angewandte Bewertungsverfahren sei bei solchen Transaktionen üblich, wollten die Anwälte nicht kommentieren. Tatsächlich kann bei feindlichen Übernahmen aus Gründen der Geheimhaltung nicht in die Bücher des Zielunternehmens geschaut werden. Die Geheimhaltung beim EnBW-Deal hatte jedoch andere Gründe, deren Berechtigung umstritten ist.

Welche Rolle spielt Dirk Notheis?

Auch aus den Unterlagen für den EnBW-Untersuchungsausschuss ergeben sich nach StZ-Informationen Zweifel, ob der Kaufpreis berechtigt war. Sie werfen zudem die Frage auf, welche Interessen der Deutschlandchef von Morgan Stanley, Mappus’ Freund Dirk Notheis, als „Dealmaker“ wirklich vertreten hat. Auch in CDU-Kreisen wird inzwischen die Vermutung geäußert, die Investmentbank sei für Käufer und Verkäufer gleichzeitig tätig gewesen. Diesen Eindruck hatte die Bank selbst durch einen später als „Fehler“ korrigierten Eintrag auf ihrer Internetseite geweckt, demzufolge die französische Filiale „Berater der EdF“ gewesen sei.