Deutschlands drittgrößter Energieversorger EnBW will sein Sparprogramm verschärfen und mit intelligenten Dienstleistungen für urbane Räume wachsen.

Karlsruhe -

 

DIE SORGENKINDER

Die klassische Energieerzeugung bleibt das Sorgenkind des Karlsruher Energiekonzerns EnBW. Bei den derzeitigen Strompreisen sei man „an der Schwelle für die Wirtschaftlichkeit der gesamten Erzeugung angelangt, von Kohle über Kernenergie bis Laufwasser“, sagte Konzern-Chef Frank Mastiaux am Dienstag auf der Hauptversammlung in Karlsruhe. Die Auswirkungen im Markt würden „über bilanzielle Maßnahmen wie Abschreibungen hinausgehen“. Zwischen 2012 und 2016 sind die Strompreise von 60 Euro auf gut 20 Euro pro Megawattstunde eingebrochen – ein Effekt, der die EnBW seit 2012 rund 1,5 Milliarden Euro beim Ergebnis gekostet habe, wie Mastiaux erläuterte. Der Preisverfall ist vor allem auf den sprunghaften Anstieg der Ökoenergieproduktion zurückzuführen. Die EnBW hat ihm bereits Rechnung getragen und ihre Gewinnziele im Kraftwerksbereich drastisch zurückgenommen. Stattdessen sollen vor allem das Netzgeschäft, die Erzeugung von Wind- und Solarenergie sowie neue Geschäftsideen angekurbelt werden.

DAS KOSTENPROBLEM

Um Kernenergie und Kohlestrom zu ersetzen, wird das aber nicht reichen. Daher wird die EnBW in diesem Jahr wohl ein neues Sparprogramm auflegen. „Wir müssen nachlegen“, sagte Mastiaux. Die Wirkung der bisherigen Bemühungen, mit denen man bislang rund 1,2 Milliarden Euro eingespart hat, reichten nicht mehr aus. Dazu will der Vorstand im Lauf des Jahres „neue Orientierungs- und Zielmarken“ setzen. Details nannte Mastiaux nicht. Bezogen auf das Basisjahr 2011 hat die EnBW bereits rund 1800 Vollzeitstellen, etwa in der Verwaltung oder im Kraftwerksbereich, abgebaut. Unter dem Strich ist der Effekt nicht so groß, weil in anderen Konzernbereichen verstärkt eingestellt wird.

Für das laufende Jahr rechnet die EnBW mit einem Konzernergebnis, das „zwischen fünf und zehn Prozent“ unter dem von 2015 liegen wird. Zum Zugpferd soll die Ökoenergiesparte werden, die erstmals mehr als 300 Millionen Euro einspielen soll.

DIE AKTIONÄRE

Vor der Halle demonstrierten mehrere Dutzend Umweltschützer und Atomkraftgegner für einen schnellen Atomausstieg und eine nachhaltige Kohleförderung in Entwicklungsländern, etwa in Kolumbien. Von dort bezieht EnBW einen Großteil ihrer Steinkohle. Die Kritik der Aktionäre im Saal bezog sich unter anderem auf die Dividendenpolitik. Die EnBW nehme ihre „Ausschüttungen aus der Substanz des Unternehmens“ vor, sagte Dieter Tassler, Sprecher der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK). Der Dividendenvorschlag von 55 Cent je Aktie summiert sich für 2015 auf rund 149 Millionen Euro. Der Konzernüberschuss belief sich auf weniger – nur 125 Millionen Euro – und kam nur zustande, weil die EnBW Wertpapiere zu Geld machte. Dividenden zu zahlen und gleichzeitig „Vermögenswerte zu veräußern“, sei nicht der richtige Weg, sagte auch Harald Klein von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Der generelle Kurs von Konzern-Chef Mastiaux war unter den rund 950 Teilnehmern dagegen kaum umstritten. „Wir halten Sie, Herr Mastiaux, für den richtigen Mann an der Spitze der EnBW“, sagte DSW-Vertreter Klein.

DIE HOFFNUNG

Auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern nimmt Deutschlands drittgrößter Energieversorger nun schnell wachsende Städte ins Visier. „Die Energiewende wird zunehmend in den Städten und Kommunen Einzug halten“, sagte EnBW-Vorstandschef Frank Mastiaux. Dort entstehe ein wachsender Bedarf, die bestehende Infrastruktur auf neue Beine zu stellen. Im Blick hat die EnBW dabei die digitale Vernetzung durch Breitbandtechnik, interessant für das Unternehmen sind aber auch die Themen Elektromobilität oder das Sammeln von Umwelt- und Sicherheitsdaten. Die Infrastruktur im urbanen Bereich sei ein „Zukunftsmarkt“, sagte Mastiaux.

Erste Produkte hat man auch schon. In Baden-Württemberg betreibt das Unternehmen rund 750 Ladepunkte für Elektroautos. Erst seit einigen Monaten im Markt ist eine Multifunktions-Straßenlaterne. Sie lässt sich mit einer Ladesäule für Elektrofahrzeuge, WLAN-Sendern fürs Internet, Überwachungskameras und Sensoren ausstatten. Diese könnten beispielsweise Feinstaub- oder Schadstoffbelastungen erfassen, diese mit Wetterdaten kombinieren und so Prognosen über die Luftqualität erstellen, sagte Uli Huener, Innovationsmanager bei EnBW, am Rande der Veranstaltung. Man registriere ein reges Interesse der Kommunen, sagte er. 70 bis 80 der Anlagen habe EnBW in kurzer Zeit bereits verkauft.

Um die drastischen Einbrüche besonders im Verkauf von Strom aus Großanlagen abzufedern, forcieren die Karlsruher seit einiger Zeit die Suche nach neuen Geschäftsfeldern. Seit 2015 hält die EnBW-Tochter New Ventures nach Start-Up-Unternehmen Ausschau und kann dafür in den nächsten Jahren 100 Millionen Euro ausgeben. Auf einem neu eingerichteten Campus tüfteln EnBW-Mitarbeiter zudem an Start-up-Ideen.