Nach dem Vorschlag der Regierungskommission sind beim Karlsruher Energiekonzern EnBW weitere Rückstellungen in Höhe von 1,2 Milliarden Euro erforderlich.

Stuttgart - Die Reaktion ist einhellig ausgefallen. Diese Summe überfordere den Konzern, hieß es im April nicht nur bei der Energie Baden-Württemberg (EnBW); mit demselben Tenor äußerten sich auch RWE, Eon und Vattenfall. Die Kritik galt dem Vorschlag der Regierungskommission zur Finanzierung des Atomausstiegs. Danach sollen die Energiekonzerne 23,3 Milliarden Euro für die Zwischen- und Endlagerung des Atommülls bezahlen; die Stilllegung und der Rückbau der Meiler wäre nach dem Vorschlag Sache der Konzerne selbst. Ende 2022 soll der letzte Kernreaktor in Deutschland die Stromproduktion einstellen.

 

Für die Lagerung sollen die Energieversorger zunächst einmal 17,2 Milliarden Euro auf einen öffentlich-rechtlichen Fonds übertragen; entsprechende Rückstellungen in den Bilanzen gibt es bereits. Hinzu kommt nun aber ein Risikozuschlag in Höhe von 35 Prozent – 6,1 Milliarden Euro –, mit dem die Unternehmen die Risiken aus der künftigen Entwicklung der Kosten und der Zinsen vollständig auf den Staat übertragen können. EnBW-Chef Frank Mastiaux hat sich für die Branche in den Verhandlungen stark engagiert, konnte aber den Risikoaufschlag, den die Konzerne für zu hoch halten, nicht verhindern. Ein Gesetz ist aus den Empfehlungen der Kommission noch nicht geworden. Die Bundesregierung prüfe die Details und bereite eine Gesetzesinitiative vor, um die Empfehlungen umzusetzen, hieß es, nachdem die Kommission ihre Arbeit beendet hatte.

Noch fehlt die rechtliche Grundlage

In der EnBW-Zwischenbilanz (30. Juni) schlägt sich die Regelung des Atomausstiegs nur in geringem Umfang nieder. Weil es noch keine rechtliche Verpflichtung gibt, hat der Versorger keine weiteren Rückstellungen gebildet. „Das dürfen wir gar nicht“, sagt Finanzvorstand Thomas Kusterer, das sei in allen Bilanzierungsstandards so geregelt. Dass relativ klar ist, was auf die EnBW zukommt, spielt danach keine Rolle.

Der Konzern hat in der Vergangenheit Atom-Rückstellungen in Höhe von 7,7 Milliarden Euro gebildet. Davon entfallen 4,2 Milliarden Euro auf die Stilllegung und den Rückbau der Atomkraftwerke, bleiben künftig also bei der EnBW. Übertragen werden müssen die 3,5 Milliarden Euro, die auf die Lagerung des Atommülls entfallen. In der Ertragsrechnung sind diese Belastungen verkraftet, in den Fonds eingezahlt werden muss letztlich aber Geld. Wer Vermögen nicht rasch zu Geld machen kann, hat ein Problem, obwohl die Belastungen in der Gewinn- und Verlustrechnung verkraftet sind. Bei der EnBW, so ist zu hören, bereitet das insofern Kopfzerbrechen, als geplante Investitionen im Stammgeschäft womöglich verschoben werden müssen.

Streit um den richtigen Zinssatz

Ebenso wie die Wettbewerber muss die EnBW den Risikozuschlag von 35 Prozent aufbringen; für die Karlsruher sind dies 1,2 Milliarden Euro, die künftig noch ergebnismindernd zurückgestellt werden müssen. „Sofern die Vorschläge der Kommission gesetzlich umgesetzt werden, führt der Risikozuschlag zu einer außerordentlichen Ergebnisbelastung“, heißt es im Zwischenbericht der EnBW.

Umstritten ist bei Rückstellungen für weit in der Zukunft liegende Verpflichtungen – in diesem Fall bis nach 2050 – stets der Rechnungszins. Dabei gilt die Regel: Je höher der angewandte Zins ist, desto weniger muss Jahr für Jahr zurückgestellt werden, um in der Zukunft einen bestimmten fixierten Betrag zu erreichen. Die EnBW hat nun ihren Rechnungszins von 4,7 Prozent auf 4,6 Prozent gesenkt und die Rückstellungen um 139,8 Millionen Euro erhöht. Die Kommission hatte einen Zinssatz von 4,58 Prozent als realistisch bezeichnet, wollte jedoch die Risiken durch die aktuelle Niedrigzinsphase berücksichtigt sehen.