Hat Stefan Mappus zu viel für die EnBW-Aktien bezahlt? Das lässt die Staatsanwaltschaft von dem Gutachter Wolfgang Ballwieser prüfen. Er kann sich schon einmal auf schwierige Ermittlungen in Frankreich einstellen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Hat der frühere Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) für den Rückkauf der EnBW-Aktien zu viel Geld bezahlt? Diese Frage will die Staatsanwaltschaft Stuttgart im Zuge ihrer Untreue-Ermittlungen jetzt von einem eigenen Gutachter untersuchen lassen. Wie der Behördenchef Siegfried Mahler am Freitag vor dem EnBW-Untersuchungsausschuss des Landtags mitteilte, soll der Münchner Professor Wolfgang Ballwieser – ein Experte für Unternehmensbewertung – den Wert des Energiekonzerns zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses im Dezember 2010 ermitteln.

 

Das Gutachten werde bis zum August erwartet und sei ein „wichtiger Meilenstein“ im Verfahren gegen Mappus, den Ex-Investmentbanker Dirk Notheis sowie die früheren Minister Willi Stächele und Helmut Rau (CDU), sagte Mahler. Ziel der Staatsanwaltschaft sei es, die Ermittlungen noch in diesem Jahr abzuschließen.

Untreue erfordert Vermögensschaden oder -gefährdung

Im Gegensatz zu anderen Gutachtern soll Ballwieser auch unternehmensinterne Daten der EnBW berücksichtigen. Soweit diese nicht freiwillig herausgegeben würden, könne man sie sich holen, sagte der Chefermittler.

Der tatsächliche Unternehmenswert sei entscheidend für die Frage, ob dem Land ein Vermögensnachteil entstanden sei. Mappus hatte für gut 45 Prozent der Aktien knapp 4,7 Milliarden Euro bezahlt – nach Ansicht eines Gutachters der Landesregierung mehr als 800 Millionen Euro zu viel. Diesen Betrag fordert das Land in einem Schiedsverfahren vom Verkäufer, der Electricité de France (EdF), zurück. Untreue könne zwar auch vorliegen, wenn es nur zu einer Vermögensgefährdung gekommen sei, erläuterte der Leitende Oberstaatsanwalt. Im Falle eines Vermögensschaden lasse sie sich aber leichter belegen.

Bei den Ermittlungen gehe es auch darum, ob Mappus das „Riesengeschäft“ mit der in der Landeshaushaltsordnung gebotenen Sorgfalt vorbereitet habe. Der Gutachter werde auch vor Gericht aussagen, wenn es zu einem Prozess komme.

Frankreich sieht die „nationale Sicherheit“ berührt

Schwierig gestaltet sich laut Mahler die Zusammenarbeit mit den französischen Behörden. Auf ein Rechtshilfeersuchen hin hatten diese zwar Räume der EdF und der Investmentbank Morgan Stanley in Paris durchsucht. Der Wunsch, dass daran deutsche Ermittler teilnehmen sollten, sei jedoch abgelehnt worden. Man wisse auch nicht genau, ob die erbetenen Vernehmungen durchgeführt worden seien, sagte der Oberstaatsanwalt; befragt werden sollten unter anderem die Zwillingsbrüder Henri Proglio (EdF) und Rene Proglio (Morgan Stanley) sowie der Europachef der EdF, Gerard Roth.

Weil angeblich die nationale Sicherheit berührt sei, müsse in Frankreich ein Sonderausschuss über die Herausgabe der beschlagnahmten Unterlagen entscheiden; dies steht noch aus.

Bei 50 Aktenordnern wird es nicht bleiben

Mahler rechtfertigte die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, erst fast zwei Jahre nach dem EnBW-Deal Ermittlungen aufzunehmen. Bereits nach acht Tagen sei zwar ein „Beobachtungsvorgang“ angelegt worden; trotz diverser Strafanzeigen habe sich aber kein ausreichender Anfangsverdacht ergeben.

Nach der Anzeige einer Münchner Staatsanwältin, die ihre Stuttgarter Kollegen scharf kritisierte, hätten zehn Vertreter von Staatsanwaltschaft und Generalstaatsanwaltschaft dies noch einmal gemeinsam bekräftigt. Erst aus dem Prüfbericht des Rechnungshofs hätten sich genügend Anhaltspunkte ergeben, um ein Verfahren einzuleiten, sagte Mahler. Nach Angaben des zuständigen Dezernenten Peter Vobiller sind daran fünf Staatsanwälte und sieben LKA-Beamte beteiligt; die Unterlagen umfassten derzeit 50 Aktenordner, weitere dürften hinzukommen. Angesichts der andauernden Ermittlungen wird der Ausschuss seine Arbeit nicht, wie geplant, im Sommer beenden, sondern noch deutlich länger tagen.

Bernhard Jeggle von der Landesgesellschaft Neckarpri sagte als Zeuge, er hätte nie erwartet, dass sich die EdF ganz von ihrem EnBW-Anteil trennen würde. Er hätte vielmehr gedacht, dass die Franzosen „in Deutschland einen Fuß in der Tür halten“ und zumindest eine Sperrminorität behielten.