Interne E-Mails zeigen, wie Mappus und sein Banker Notheis mit den EnBW-Oberen umsprangen: Konzernchef Villis musste sein „großes Indianerehrenwort“ geben, der Chefaufseher Hoffmann sollte abgelöst werden.
Stuttgart - Seine Tage als EnBW-Chef sind gezählt, Ende September scheidet er in Karlsruhe aus. Ein Rätsel um Hans-Peter Villis aber bleibt weiterhin ungelöst: Wie war das mit dem „großen Indianerehrenwort“, das er sich in der Nacht des EnBW-Deals angeblich abnehmen ließ?
Die Formulierung stammt aus jener E-Mail-Korrespondenz, die die Investmentbank Morgan Stanley dem Untersuchungsausschuss des Landtags zur Verfügung stellte. Frühmorgens am 6. Dezember 2010 erkundigte sich ein Kollege darin beim damaligen Deutschlandchef Dirk Notheis, ob er „mit hpv gesprochen“ habe – so die Abkürzung für Villis’ Name. „Done“ (erledigt), erwiderte Notheis, der Ministerpräsident habe „erst weit nach Mitternacht mit ihm telefoniert wegen der Dramatik gestern Abend“. Die Reaktion des Konzernchefs – ob ihm oder Stefan Mappus gegenüber, bleibt offen – schilderte der Banker wie folgt: „Er wird erst im Januar eine Bank mandatieren. Hat großes Indianerehrenwort gegeben. Ist total baff (hier ist ein Smiley eingefügt) und glücklich. . . Zahlen stimmen, sogar noch besser.“
Rätsel um das „große Indianerehrenwort“
Zumindest den Zeitpunkt der Information lässt Hans-Peter Villis bestätigen. Mappus’ Anruf „erfolgte nach Mitternacht“, teilte die EnBW mit. Genauer könne man es nicht mehr sagen, „da wir kein Protokoll angefertigt haben“. Überrascht war der Topmanager in der Tat, sogar „sehr überrascht“. „Normal wäre, dass der Vorstandsvorsitzende vorher Kenntnis bekommt“, sagte er bei einer Veranstaltung des CDU-Wirtschaftsrats.
Zum „Indianerehrenwort“ und seinen angeblichen Glücksgefühlen fällt die Stellungnahme weniger klar aus. „Die E-Mail-Korrespondenz enthält Formulierungen, die wir nicht nachvollziehen können und persönliche Wertungen, die wir nicht weiter kommentieren“, richtete ein Konzernsprecher aus. Bei dem erwähnten Auftrag an eine Bank geht es offenkundig um die „Fairness Opinion“, die im Auftrag von Vorstand und Aufsichtsrat erstellt werden sollte – also eine Bestätigung, dass die Aktionäre nicht zu wenig Geld für ihre Papiere bekämen. Warum es Notheis so wichtig war, dass dies erst im neuen Jahr erfolgte, ist nicht ersichtlich. Villis lässt die Vermutung, er habe dem Wunsch des Bankers – der auch in einem Beraterkreis von ihm saß – Vorrang vor den Interessen des Unternehmens eingeräumt, jedenfalls scharf zurückweisen. Man habe die Bewertung ohnehin erst im Januar einholen können, weil die Barclays Bank dafür das Übernahmeangebot des Landes benötigte; das habe der Vorstand erst am 7. Januar 2011 erhalten.
Kein Kommentar zu angeblichen Glücksgefühlen
Die angebliche Freude über den Wechsel des Großaktionärs immerhin lässt sich erklären. Villis dürfte kaum verborgen geblieben sein, dass die Électricité de France (EdF) von seinen Managementkünsten nicht mehr viel hielt und ihn lieber heute als morgen verabschiedet hätte. Mit dem Land als neuem Eigner wähnte er seinen Job offenbar eher gesichert, obwohl es kein Geheimnis war, dass die Chemie zwischen ihm und Mappus nicht recht stimmte. Dann kam der Wechsel zu Grün-Rot – und das Ende seiner Karriere in Karlsruhe.
Mehr Glück hatte der Aufsichtsratsvorsitzende Claus Dieter Hoffmann. Auch ihn betrachteten Mappus und Notheis wie eine Figur auf ihrem Schachbrett. Unter dem Stichwort „Gespräch mit Hoffmann“ empfahl der Banker seinem Ministerpräsidenten drei Tage nach dem Deal: „Würde ihn in die Villa zum Gespräch einladen, kurz vor Weihnachten, und ihm zuvor mitteilen lassen, dass Du wünscht, dass in der Zwischenzeit keine Personalentscheidungen, insbesondere Vorstandsbesetzungen etc. getroffen werden.“ Damals war etwa der Posten des Finanzchefs (im Wirtschaftsjargon abgekürzt CFO) vakant.
Auch der Chefaufseher sollte ersetzt werden
Diesmal wurde die Regieanweisung nicht befolgt, warum auch immer. „Ein Treffen mit Herrn Mappus im Dezember 2010 hat nicht stattgefunden“, teilte Hoffmann der StZ mit. „Zu Beginn des Jahres 2011 unterrichtete ich Herrn Mappus fernmündlich über die Beratungen des Aufsichtsrates bezüglich der Bestellung von Herrn Kusterer zum CFO.“ Weder inhaltlich noch zeitlich habe es nach dem Telefonat irgendeine Änderung gegeben. Für die frei werdenden Aufsichtsratsposten, so Hoffmann, habe das Land damals noch keine Vorschläge gemacht. Mappus und Notheis beschäftigte nämlich zunächst eine andere Personalie: Ebenso wie die Franzosen wollten sie den Chefkontrolleur offenbar gerne loswerden. Unter dem Betreff „Potenzielle AR Vorsitzende“ unterrichtete der Banker den Ministerpräsidenten am 13. Januar 2011 über das „Ergebnis meines kurzen Brainstormings“. Es folgten sechs Vorschläge, darunter der Audi-Chef Rupert Stadler („Du kennst den doch persönlich, oder täusche ich mich?”), Altbundespräsident Horst Köhler („Der hat jetzt Zeit, versteht was von politischem Kontext und von Finanzen“) oder Frank Weise von der Bundesagentur für Arbeit. Eine Name erscheint im Nachhinein besonders pikant: Notheis empfahl auch Karl-Ludwig Kley, den Chef des Pharmakonzerns Merck – jenes Unternehmens, bei dem Mappus nach der Abwahl Brasilienchef werden sollte.