Der Parteivorsitzende Thomas Strobl und der Fraktionschef Peter Hauk wollen nicht vorab im Detail über den EnBW-Deal informiert gewesen sein. Auch Landtagspräsident Wolf geht auf Distanz zu seinen Parteifreunden.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Der CDU-Landesvorsitzende Thomas Strobl und der Landtagsfraktionschef Peter Hauk wehren sich gegen Vorwürfe des früheren Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) im Zusammenhang mit dem EnBW-Deal. Beide widersprachen dem von Mappus erweckten Eindruck, sie seien über das Milliardengeschäft umfassender und teils auch früher informiert worden als bisher bekannt. Die SPD-Fraktion erwägt gleichwohl, infolge von Mappus’ Attacke nun auch Hauk als Zeugen vor den EnBW-Untersuchungsausschuss des Landtags zu laden.

 

Mappus hatte sich am Vortag empört gezeigt über die kaum verhohlene Aufforderung von Strobl und Hauk, aus der CDU auszutreten. Es sei für ihn „nur schwer erträglich“, dass sich ausgerechnet jene beiden Funktionäre so äußerten, „die beide im Detail über die EnBW-Transaktion informiert waren“. Hauk sei sogar „ausführlich bereits vor der diesbezüglichen Kabinettsentscheidung“ am Morgen des 6. Dezember 2010 unterrichtet worden. Anlass der Hinweise an Mappus, es gebe „keine Zwangsmitgliedschaft“ in der CDU, war eine in den Akten der Staatsanwaltschaft gefundene SMS-Äußerung, in der er die Partei als „Scheißverein“ bezeichnet hatte; seine Anwälte bestreiten dies.

Nur per Telefon informiert

Hauk stellte in einer persönlichen Erklärung dar, er sei mitnichten im Detail, sondern zunächst „nur kursorisch per Telefon“ über den EnBW-Deal informiert worden – ebenso wie der FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. Details habe Mappus im Beisein seines Rechtsanwaltes erst in der Fraktionssitzung am Mittag genannt, also nach der Kabinettssitzung. Bereits am späten Abend des 5. Dezember habe ihn der Ministerpräsident gebeten, für den Folgetag eine Fraktionssitzung einzuberufen, jedoch „trotz Nachfrage ohne Angaben von Gründen“.

Dem widersprach nach dpa-Angaben Mappus’ Anwalt Christoph Kleiner: Hauk sei vor der Kabinettssitzung sehr wohl über Details informiert worden. Die SPD will diese Widersprüche möglicherweise zum Anlass nehmen, um den CDU-Vormann als Zeugen zu laden. „Wir wollen wissen, wann Hauk eingebunden war und wie früh er die Zustimmung der Fraktion gegeben hat“, sagte der Fraktionsobmann Sascha Binder.

Der CDU-Landeschef Strobl ließ einen Sprecher mitteilen, er sei am 6. Dezember zusammen mit der Landtagsfraktion über den EnBW-Deal informiert worden. Zunächst habe er darüber nicht mehr erfahren als am gleichen Tag die Öffentlichkeit. Erst im Nachhinein seien ihm viele Details bekannt geworden – auch durch die Arbeit des EnBW-Ausschusses. Trotz der späten und knappen Information hatte Strobl das Milliardengeschäft vehement verteidigt.

Wolf fordert Neubeginn

Auch Landtagspräsident Guido Wolf (CDU) forderte unterdessen von seiner Partei einen „Neubeginn“. „Wir müssen aufhören, Fehler beschönigen zu wollen“, sagte der Tuttlinger Abgeordnete der „Südwest-Presse“. Die Kontakte zwischen dem Ausschussvorsitzenden Ulrich Müller (CDU) und Mappus sowie die Weitergabe von Informationen verurteilte er scharf: „Mit diesem Verhalten hat er sich und dem Ausschuss insgesamt geschadet, sein Rücktritt war deshalb zwingend“.

Wolf reagierte erst, nachdem ihn der SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel zu einer klaren Distanzierung aufgefordert hatte: Er solle das „pflichtverletzende Verhalten“ Müllers „in einer offiziellen und öffentlichen Erklärung missbilligen“, schrieb er ihm bereits vorige Woche. Schmiedel verwies auf den Ansehensverlust, den die Vorgänge um den EnBW-Ausschuss für alle Fraktionen bedeuteten. Über eine offizielle Reaktion des Parlamentschefs war am Dienstag zunächst nichts bekannt.

Verfahren sei abgelehnt worden

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart erläuterte derweil auf StZ-Anfrage, warum sie gegen Müller wegen der Weitergabe von Informationen an Mappus nicht ermittelt. Ein Verfahren sei bereits mit Verfügung vom September 2012 abgelehnt worden, weil die Prüfung keinen Anfangsverdacht ergeben habe. Wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen könnten sich ohnehin nur Amtsträger oder besonders verpflichtete Personen strafbar machen, teilte ein Sprecher mit; „Abgeordnete fallen nicht darunter“. Zum Zeitpunkt der Weitergabe von Informationen durch Müller habe „kein Beschluss eines Gesetzgebungsorgans oder eine förmliche Verpflichtung einer anderen amtlichen Stelle unter Hinweis auf die Strafbarkeit“ vorgelegen; dies wäre aber Voraussetzung für einen Anfangsverdacht.

Die etwaige Weitergabe des Regierungsberichtes zum EnBW-Deal durch Müller sei aufgrund von Medienberichten aktuell „nochmals überprüft“ worden, berichtete der Sprecher weiter. Die bei Mappus sichergestellten Exemplare des Berichts wiesen aber „keine Kennzeichnung als Verschlusssache“ aus. Der Ex-Ministerpräsident hatte den Inhalt des Berichts laut Medienrecherchen öffentlich kommentiert, noch bevor er vom Staatsministerium freigegeben worden war.

Zugleich untersucht die Staatsanwaltschaft dem Sprecher zufolge, ob sie auf mögliche Indiskretionen aus dem Untersuchungsausschuss reagiert. Derzeit werde geprüft, ob wegen der Weitergabe von Informationen aus den von der Behörde übergebenen Ermittlungsakten ein Verfahren einzuleiten sei. Mappus’ Anwälte hatten eine solche Untersuchung verlangt und auf durchgesickerte Informationen verwiesen. Dazu gehört auch die – von ihnen bestrittene – SMS-Korrespondenz, in der Mappus schrieb, er habe „gute Lust“, aus dem „Scheißverein“ CDU auszutreten.