Der Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus sieht sich beim EnBW-Deal zu Unrecht zum „Sündenbock“ gemacht. Alle Fehler gingen aufs Konto seiner früheren Rechtsberater von Gleiss Lutz. Die verklagt er nun auf Schadenersatz in sechsstelliger Höhe.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Was ist schiefgelaufen beim EnBW-Deal des ehemaligen Ministerpräsidenten Stefan Mappus, und wer trägt die Verantwortung dafür? An diesem Mittwoch wollen die Obleute der Fraktionen im EnBW-Untersuchungsausschuss des Landtags nach zweieinhalb Jahren ihr Resümee ziehen. Mappus’ eigenes Fazit steht bereits jetzt fest: An allen Fehlern oder Versäumnissen – sofern es überhaupt welche gab – sind seine damaligen Rechtsanwälte schuld, er selbst werde völlig zu Unrecht zum „Sündenbock“ gemacht. Das jedenfalls ist die Quintessenz der Zivilklage, mit der der frühere Regierungschef gegen seine einstigen Berater von der Großkanzlei Gleiss Lutz vorgeht. Diese sieht „keine Grundlage“ für solche Ansprüche und will sie entschieden abwehren – auch mit Hilfe der Akten zu den Untreue-Ermittlungen gegen Mappus.

 

Mit der beim Landgericht Stuttgart eingereichten Klage will Mappus zunächst grundsätzlich feststellen lassen, dass ihm Gleiss Lutz und der zuständige Chefadvokat Martin Schockenhoff Schadenersatz schulden; die genaue Höhe wird erst im nächsten Schritt beziffert. Es geht um die Kosten für die anwaltliche Beratung und um seine Einkommensverluste infolge der anhaltenden Aufarbeitung des EnBW-Deals durch Justiz, Parlament und Medien.

„Schaden in sechsstelliger Höhe“

Schon jetzt sei dem Ex-Premier dadurch ein Schaden „in sechsstelliger Höhe“ entstanden, weitere Schäden drohten; der vorläufige Streitwert wird auf 500 000 Euro beziffert. Vertreten lässt sich Mappus von der Münchner Kanzlei Bub, Gauweiler & Partner, die durch ihren spektakulären Erfolg im Kirch-Prozess gegen die Deutsche Bank bekannt wurde: Für die Erben des Medienunternehmers Leo Kirch erstritten sie fast eine Milliarde Euro.

Der Ministerpräsident habe sich bei dem Milliardengeschäft ganz auf die Rechtsberater von Gleiss Lutz verlassen – und sei verlassen gewesen. Das ist der Tenor der knapp 60-seitigen Klageschrift des Anwaltes Franz Enderle. „Alle – tatsächlichen oder vermeintlichen – ,Fehler’, die der Staatsgerichtshof, der Rechnungshof, der Untersuchungsausschuss und die Staatsanwaltschaft Stuttgart dem Kläger vorwerfen, sind direkte Folge der mangelhaften Beratung durch die Beklagten“, schreibt Enderle. Sie hätten mehrere Gelegenheiten gehabt, Mappus auf die verschiedenen Risiken hinzuweisen, aber „keine genutzt“. Die Beratungsfehler hätten nicht nur den Ruf des Ex-Regierungschefs „massiv beschädigt“, sie drohten ihm nun auch noch eine Anklage wegen Untreue einzubrocken.

Nicht über Haushaltsordnung aufgeklärt?

Gleich in sechs Punkten sieht sich Mappus der Klage zufolge falsch beraten. So habe ihm Gleiss Lutz nicht nur empfohlen, den EnBW-Deal per Notbewilligung am Landtag vorbei zu besiegeln – was der Staatsgerichtshof später als Verfassungsbruch wertete. Angebliche Warnungen vor rechtlichen Risiken hätten Mappus nie erreicht. Die Anwälte hätten es auch unterlassen, ihn über die besonderen Anforderungen der Landeshaushaltsordnung aufzuklären. Danach dürfen Unternehmensbeteiligungen nur erworben werden, wenn ein „wichtiges Interesse des Landes“ vorliegt; zudem muss die Wirtschaftlichkeit gründlich untersucht werden.

Dies hatte der Landesrechnungshof bemängelt – und damit die Untreue-Ermittlungen ausgelöst. Gleiss Lutz hätte warnen müssen, dass die vorgenommene Wertermittlung womöglich nicht ausreiche, argumentiert Enderle. Zudem hätten die Anwälte Klauseln für nicht genügend untersuchte Risiken vorschlagen müssen. Auch auf das Risiko, dass ein überhöhter Kaufpreis als verbotene Beihilfe gewertet werden könnte, hätten sie nicht hingewiesen; mit dieser Begründung fordert das Land von der EdF 800 Millionen Euro zurück. Insgesamt hätten die Anwälte „gravierende Pflichtverletzungen“ begangen, folgert Enderle. Auch wenn sie nicht von Mappus persönlich, sondern vom Land beauftragt worden seien, schuldeten sie dem Ex-Ministerpräsidenten Schadenersatz.

Gleiss Lutz weist Forderung zurück

Öffentlich äußert sich Gleiss Lutz nur einsilbig zu der Klage, auch aus Gründen des Berufsgeheimnisses. „Es gibt keine Grundlage für Ansprüche gegen die Kanzlei“, sagt eine Sprecherin lediglich. Wie der Brancheninformationsdienst Juve berichtete, hat die Kanzlei inzwischen einen externen Anwalt eingeschaltet – Uwe Hornung von Clifford Chance – und Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart beantragt. Die Zivilklage basiere maßgeblich auf Erkenntnissen aus der Ermittlungsakte, argumentiert Hornung; an 25 Stellen werde auf diese verwiesen.

Aus Gründen der „prozessualen Waffengleichheit“ benötige man daher Einsicht. Nur so könne man der Darstellung entgegentreten, „wonach Herr Mappus nie etwas erfahren haben will“, weder von Gleiss Lutz direkt noch über den Investmentbanker Dirk Notheis. Dieser sei beim EnBW-Deal „Auge, Ohr und Stimme“ von Mappus gegenüber den Anwälten gewesen. Die „höchst relevante Kommunikation“ zwischen den beiden sei für die Kanzlei jedoch ein „schwarzes Loch“; bekomme sie dazu keinen Zugang, müsse sie beantragen, das Zivilverfahren gegebenenfalls bis zum Abschluss eines Strafverfahrens auszusetzen.

Prozessbeginn im Herbst erwartet

Über den Antrag hat die Staatsanwaltschaft einer Sprecherin zufolge noch nicht entschieden; man warte noch auf Stellungnahmen der Beteiligten. Die ursprünglich bis Ende Mai erwartete Klageerwiderung von Gleiss Lutz dürfte sich damit verzögern. Der erste Termin vor dem Landgericht ist laut Juve für den 19. September angesetzt.