Zweieinhalb Jahre hat sich der Untersuchungsausschuss mit den Umständen des EnBW-Deals beschäftigt. Jetzt schließen die Abgeordneten die Akten. Es bleibt die Erkenntnis über Machtmissbrauch und mangelnde parlamentarische Kontrolle.

Stuttgart - Nach 31 Monaten hat der Landtag den politischen Schlusspunkt unter den Untersuchungsausschuss „Ankauf der EnBW-Anteile der Électricité de France (EdF) durch das Land Baden-Württemberg und seine Folgen (EnBW-Deal)“ gesetzt. Die Mitglieder des Landtags nehmen den mit 1500 Seiten umfangreichsten Bericht eines Untersuchungsausschusses und die Erkenntnis mit nach Hause, dass bei künftigen Geschäften das Parlament und die Ministerialverwaltung eingeschaltet werden müssen.

 

In der gestrigen abschließenden Debatte des Landtags verurteilten die Fraktionen erneut einmütig das Vorgehen des früheren Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU). Das Geschäft hätte „so nicht gemacht werden dürfen, es leidet an erheblichen Fehlern“, resümierte der CDU-Obmann Alexander Throm. Dass die Ministerien ebenso wie das Parlament bei dem Geschäft außen vor blieben, das 4,7 Milliarden kostete, betrachtet auch die CDU als falsch. Die Verfassungswidrigkeit hatte bereits der Staatsgerichtshof festgestellt.

Throm: „Das Land wurde falsch beraten“

Throm rügte, dass Mappus, das „Heft des Handelns aus der Hand gegeben hat“ und die Fäden bei dem Bankier Dirk Notheis zusammengelaufen seien. Throm kritisierte auch die Anwaltskanzlei Gleiss Lutz. „Die Anwälte haben das Land falsch beraten“.

In der Einschätzung über die Angemessenheit des Kaufpreises gehen die Ansichten der Fraktionen dagegen nach wie vor auseinander. Weder CDU noch FDP finden belastbare Daten, die „belegen, dass der Preis aus damaliger Sicht nicht angemessen war“, sagte Throm. Grüne und SPD halten den Preis für überhöht. Die CDU forderte gestern erneut die Regierung auf, ihre Klage beim Schiedsgericht der Internationalen Handelskammer ICC in Zürich zurück zu nehmen.

Das Land verlangt dort 840 Millionen des Kaufpreises von der EdF zurück. Andreas Glück, der FDP-Obmann, sieht die Klage des Finanzministers Nils Schmid (SPD) bereits „im freien Fall“. Wo kein Schaden festgestellt werden könne, werde es schwer, ihn einzuklagen.

CDU: „Schmerzhafte Aufarbeitung“

Die CDU nannte die langwierige Aufarbeitung des EnBW-Deals „schmerzhaft und schwierig, aber notwendig“. Der Ausschuss habe Erkenntnisse erbracht, „die für viele so nicht vorstellbar waren“. Die CDU werde daraus „eine Lehre für künftiges Regierungshandeln ziehen“, sagte Throm. Dem politischen Gegner warf er vor, dieser habe den Ausschuss zur Skandalisierung und als politisches Kampfinstrument genutzt. Throm sprach von persönlicher Profilierung und eventuellen persönlichen Traumata aufseiten von Grünen und SPD. Der Ausschussvorsitzende Klaus Herrmann (CDU) beklagte die Informationspolitik und sagte, „der Ausschuss war teilweise löchrig wie Schweizer Käse“.

Für Andreas Glück haben die Regierung und die sie tragenden Fraktionen im Ausschuss gezeigt, „dass Politik ein richtig dreckiges Geschäft sein kann“. Die grün-rote Regierung habe Akten nicht weiter gegeben und so die Arbeit des Ausschusses regelmäßig erschwert.

Sckerl: „Ministerpräsident hat seine Macht missbraucht“

Hans-Ulrich Sckerl, der Obmann der Grünen im Landtag, lobte den gestrigen Tag als einen bedeutsamen: „Wir schließen eine Arbeit ab, die bemerkenswert ist“. Sckerl rechnet den EnBW-Untersuchungsausschuss zu den „erfolgreichsten der Nachkriegsgeschichte“. Er habe gezeigt, „der frühere Ministerpräsident hat seine Macht missbraucht“. Der Ausschuss sei ein „einzigartig negatives Lehrstück über das Aushebeln der Demokratie“.

Den CDU-Abgeordneten warf Sckerl vor, die Fraktion habe als Kontrollorgan versagt. Er erwarte, dass sie die Verantwortung übernähmen, „es reicht nicht, nur auf andere zu zeigen“. Die Rolle von Ulrich Müller, dem ersten Ausschussvorsitzenden, wird nach Sckerls Ansicht von der CDU verharmlost. Müller musste seinen Stuhl räumen, nachdem er Stefan Mappus auf einem Parkplatz Akten übergeben hatte. Herrmann nannte den Rücktritt Müllers folgerichtig, er verwies aber auf einen juristischen Standardkommentar. Danach seien Kontakte von Ausschussmitgliedern mit Zeugen nicht rechtswidrig. Sckerl dagegen wertet Müllers Verhalten als „Versuch, den Ausschuss systematisch hinters Licht zu führen“.

Binder: „Die Landesverfassung stimmt“

Dennoch hatte Sckerl gestern„das gute Gefühl, einen Beitrag zur Aufklärung des Landtags und der Öffentlichkeit geleistet zu haben“. Da fand der Applaus bei Grün und Rot fast kein Ende. Dem SPD-Obmann Sascha Binder blieb nur der Versuch einer philosophischen Betrachtung über das Wohl des Landes,über Loyalität und die Bedeutung der Verfassung. Bei der CDU sei die „Loyalität zu alten Gefolgsleuten größer als zu den Interessen des Landes“. Den Beweis dafür sieht er in der ablehnenden Haltung der CDU zur ICC-Schiedsklage. Binders Fazit: „Die Landesverfassung stimmt, die Landeshaushaltsordnung stimmt“. Der Ausschuss sieht keine Veranlassung an beidem etwas zu ändern. Binders Moral aus dem Ausschuss: „Wir dürfen uns nicht über die Verfassung erheben, sonst wird es eng für die Demokratie.“

Der Ausschuss in Zahlen

Der im Dezember 2011 eingesetzte EnBW-Untersuchungsausschuss geht als einer der längsten in die Geschichte des baden-württembergischen Parlaments ein. Mit 30 Monaten ist er nach dem FlowTex (44 Monate) und dem Sondermüll-Ausschuss (33 Monate) der drittlängste. 15 Abgeordnete gehörten dem Gremium an, das vom früheren Umweltminister Ulrich Müller und nach dessen Rücktritt im Februar 2013 von Klaus Herrmann (beide CDU) geleitet wurde.

Das Gremium sollte den EnBW-Aktienrückkauf von der französischen EDF durch das Land für 4,7 Milliarden Euro aufklären. Die Mitglieder des Gremiums mussten sich durch 250 Aktenordner wühlen und konnten sich in einem virtuellen Datenraum der Investmentbank Morgan Stanley mit 18 000 Seiten informieren.

Das Gremium verbrachte 135 Stunden mit der Aufklärung des EnBW-Deals, davon 110 Stunden öffentlich. Den Steuerzahler kostete die Arbeit des Gremiums gut 900 000 Euro.