Die Prüfer des Rechnungshofs kommen zu einem klaren Urteil. Sie werfen Ex-Premier Stefan Mappus schwerste Verstöße gegen die Verfassung vor.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die Worte des Rechnungshofpräsidenten sind erst gut ein halbes Jahr alt. Gewunden begründete Max Munding (CDU) im November gegenüber der StZ, warum sich die Kontrollbehörde bisher nicht mit dem EnBW-Deal befasst habe. Da es sich „im Kern“ um eine verfassungsrechtliche Frage gehandelt habe, die Sache des Staatsgerichtshofs sei, wäre „eine eigenständige Prüfung des Rechnungshofs nicht weiterführend gewesen“. Im Übrigen habe er vor der Landtagswahl „keine Prüfung verhindert“, behauptete Munding.

 

In Wahrheit hatte ein anderer, parteiloser Chefprüfer Anfang 2011 erst mündlich und dann schriftlich gefordert, der Hof müsse das Milliardengeschäft von Stefan Mappus „dringend“ untersuchen. Dies habe er im Senat offiziell angeregt, bestätigte er öffentlich. Doch der Präsident und die zuständige Direktorin Hilaria Dette – beide Christdemokraten, beide einst in Diensten des CDU-geführten Staatsministeriums – ließen den Vorstoß gezielt ins Leere laufen; Munding verweigerte sogar das mehrfach verlangte Protokoll. Tätig wurde der Rechnungshof erst, als Grüne und SPD ihn nach den StZ-Recherchen eindringlich dazu aufforderten.

Der öffentliche Druck für die Behörde war massiv

Nun, da das Ergebnis vorliegt, nimmt sich Mundings Rechtfertigung für die lange Untätigkeit mehr als peinlich aus. Die federführende Prüferin Dette gab dem Druck von Grün-Rot geschmeidig nach und setzte ihren ganzen Ehrgeiz daran, die vorrangig von ihrem Präsidenten zu verantwortende Scharte auszuwetzen. Hatte es anfangs noch geheißen, der EnBW-Deal sei kein Fall für den Rechnungshof, wird diese unhaltbare Einschätzung in dem Gutachten nun Lügen gestraft. Nachdem die Sparkommissare unter öffentlichem Druck zum Jagen getragen werden mussten, fällt ihr Befund nun umso vernichtender aus.

Das 80-seitige Gutachten ist eine Generalabrechnung mit dem Ex-Ministerpräsidenten geworden, dem die Prüfer zu dessen Regierungszeiten bloß nicht zu nahe treten wollten. Erst nach seiner Abwahl setzen sie sich so kritisch mit dem EnBW-Deal auseinander, wie das von Anfang an geboten gewesen wäre. Das im Alleingang durchgezogene Milliardengeschäft, so ihr bürokratisch formulierter, gleichwohl vernichtender Befund, habe „in wesentlichen Teilen nicht den Anforderungen genügt, die aus der Landesverfassung und der Landeshaushaltsordnung folgen“. Es sei „nicht in ausreichendem Maß gelungen, Regelungen zu vermeiden, die für das Land wirtschaftlich nachteilig sind“.

Unverantwortlicher Umgang mit Steuermilliarden

Punkt für Punkt zerpflücken die Prüfer Mappus’ vermeintlichen Coup als unverantwortlichen Umgang mit Steuermilliarden. Schon das „wichtige Landesinteresse“, das nach der Haushaltsordnung der Einstieg bei einem Unternehmen erfordere, sei „nicht hinreichend dargetan“ worden. Die CDU-FDP-Regierung habe es „weder ausreichend geprüft noch überzeugend begründet“; eine konkrete Gefahr für die Versorgungssicherheit etwa sei nicht erkennbar gewesen.

Auch die Pflicht, bei einem Aktienkauf für 4,7 Milliarden Euro „die Wirtschaftlichkeit sehr sorgfältig zu untersuchen“, sehen die Prüfer grob verletzt. Dazu hätte sich das Land „alle mit vertretbarem Aufwand verfügbaren Informationen“ über die EnBW beschaffen müssen. Die von der Investmentbank Morgan Stanley vorgelegte „Fairness Opinion“ habe nicht ausgereicht, nötig wäre eine vertiefte „Due Diligence“-Prüfung gewesen. Die Folge: die schon damals erkennbaren Risiken der Unternehmensentwicklung seien nicht oder nicht hinreichend berücksichtigt worden.

„Ohne Not geschaffener Zeitdruck“

Offen lässt der Rechnungshof die derzeit heißt diskutierte Frage, ob das Land zu viel für die Aktien bezahlt habe. Begründung: Die Angemessenheit des Kaufpreises von 41,50 Euro je Anteil könne man „mit den uns zu Gebote stehenden Erkenntnisquellen nicht valide beurteilen“. Ob dies im Nachhinein überhaupt objektiv gelingen könne, sei fraglich. Insgesamt sei das Verfahren von dem Bemühen geprägt gewesen, „die Verhandlungen um jeden Preis geheim zu halten und binnen kürzester Frist abzuschließen“. Dieser „ohne Not geschaffene Zeitdruck“ habe verhindert, dass „ein solch bedeutendes Rechtsgeschäft mit der gebotenen Sorgfalt vorbereitet wurde“.

Hätte der Rechnungshof dieses vernichtende Ergebnis vor der Landtagswahl präsentiert – Mappus hätte erst gar nicht mehr antreten müssen. Seine Parteifreunde von der CDU trösteten sich nun damit, dass die Prüfer wenigstens keine Aussage zum Preis machten. Dies sei ein „harter Schlag“ für den SPD-Finanzminister, der per Schiedsklage Milliarden von der EdF zurückwolle, verkündete der Fraktionsgeschäftsführer Volker Schebesta.

„Schallender kann eine Ohrfeige nicht sein“

Grüne und SPD werteten das Urteil dagegen ganz anders. „Schallender kann eine Ohrfeige gar nicht sein“, sagte der Grünen-Fraktionsmanager Ulrich Sckerl. Wer jetzt noch gegen die Schiedsklage wettere, „hat nichts verstanden“. „Schwerer kann ein Vorwurf an eine Landesregierung kaum wiegen“, sekundierte sein SPD-Kollege Andreas Stoch. Nun habe man schwarz auf weiß, dass Mappus’ Deal „schlecht vorbereitet, verfassungswidrig und wirtschaftlich unseriös war“. Auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann zeigte sich in seiner Ansicht bestätigt, das Milliardengeschäft sei „völlig verantwortungslos“ gewesen.

Max Munding, der den EnBW-Deal erst gar nicht prüfen wollte, trägt das Ergebnis übrigens mit. Im Senat des Rechnungshofes wurde die Stellungnahme nach StZ-Informationen einstimmig verabschiedet. Seinen Sinneswandel kann der Präsident in der nächsten Sitzung des Untersuchungsausschusses erläutern, wenn er, sein Vize und die Chefprüferin Dette als Zeugen gehört werden. Kretschmann vermied am Dienstag einen Kommentar zu Mundings Rolle, unter Hinweis auf die Unabhängigkeit des Rechnungshofes. In den Regierungsfraktionen aber hatte es schon Ende 2011 höchst kritische Stimmen gegeben: Eigentlich, meinten Abgeordnete, sei der Chefprüfer nicht mehr tragbar.