CDU-Parteichef Thomas Strobl will es bei einer halbherzigen Aufarbeitung des EnBW-Deals unter Stefan Mappus belassen. Das dürfte nicht genügen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Singen - Es wird ein heikler Auftritt für Thomas Strobl. Wenn der baden-württembergische CDU-Chef  in Singen beim Landestag der Jungen Union spricht, muss er aufpassen, nicht alt auszusehen. Der Parteinachwuchs will nicht nur den Blick nach vorne richten, sondern noch einmal kritisch zurückschauen: Deutlicher als manch anderer, hört man, wolle sich der künftige Landesvorsitzende Nikolas Löbel zur Amtszeit von Ministerpräsident Mappus im Allgemeinen und dessen EnBW-Deal im Besonderen äußern.

 

Schwierig ist das für Strobl deshalb, weil er beides bisher so weit wie möglich vermieden hat. Bei der Neuaufstellung der Partei kann der einstige Generalsekretär, der im Juli von Mappus den CDU-Vorsitz übernahm, durchaus Erfolge verzeichnen. Die Basis fühlt sich wieder besser eingebunden, allmählich entsteht eine neue Diskussionskultur. Doch das Kalkül des Heilbronner Bundestagsabgeordneten, die jüngere Vergangenheit Vergangenheit sein zu lassen, ist seit dem 6. Oktober durchkreuzt.

Loyalität wird Strobl nicht gedankt

 Da verurteilte der Staatsgerichtshof den EnBW-Kauf als glatten Verfassungsbruch - und brachte damit die bisher vermiedene Aufarbeitung der Mappus-Zeit in Gang. Der Rücktritt von Landtagspräsident Willi Stächele und die Niederlage von Ex-Ministerin Tanja Gönner im Bezirk Südwürttemberg sind die äußeren Zeichen eines Prozesses, der die Partei und, vielleicht noch mehr, die Fraktion gewaltig umtreibt. Zwei Positionen ringen miteinander: Ohne eine schonungslose Analyse der Mappus-Zeit, sagen die einen, gebe es keinen wirklichen Aufbruch. Mit der Selbstkasteiung müsse nun Schluss sein, entgegnen die anderen, es gelte, den Kampf mit Grün-Rot aufzunehmen.

Strobl gehört, gemessen an seinen Äußerungen, zum zweiten Lager. "Kein schlechtes Wort" werde er öffentlich über Mappus sagen, betont er seit der Abwahl. Das gebiete ihm die Loyalität, mit der er erst Günther Oettinger und dann dem Nachfolger, vor allem aber der CDU Baden-Württemberg gedient habe. Ob diese Loyalität etwas zu vorbehaltlos war, will er nicht kommentieren. Viele Parteifreunde waren jedenfalls irritiert, wie nahtlos der "General" von Oettinger zu Mappus w echselte und wie inbrünstig erdessen Kurs verteidigte. Intern soll Strobl, wie Landesvorständler berichten, "Schlimmeres verhindert" haben. Nach außen ist darüber nichts Konkretes gedrungen.

Die anhaltende Loyalität wundert CDU-Strategen umso mehr, als sie Strobl nicht gedankt wird. Im Beisein seines Nachfolgers sagte Mappus beim Abschied vor seinem Heimatkreisverband jenen entlarvenden Satz, den selbst seine Getreuen als Schlag ins Gesicht empfinden müssten: "Lieber 15 Monate MP als gar nie MP."

Gönner im "emotionalen Ausnahmezustand"

Hauptsache, ich - das war die Botschaft, die im scharfen Kontrast zum Motto seines Ziehvaters Erwin Teufel steht. "Erst das Land, dann die Partei, dann die Person", predigte der stets. Teufels Losung, sagt Strobl, "muss weiter gelten und gilt weiter." Vor Ort hielt er freilich den Mund. Dass er überhaupt in den Enzkreis gefahren war, halten viele sowieso für unbegreiflich.

Immerhin wiederholt Mappus dort nicht den Satz, mit dem er seine Geringschätzung des Daseins als einfacher Abgeordneter zum Ausdruck gebracht hatte: Es sei ihm und der Partei nicht zuzumuten, "die nächsten zwanzig Jahre unter Buchstabe M in einer hinteren Bank des Landtags" zu sitzen. Ähnlich äußerte sich erst kürzlich Mappus' engste Vertraute Gönner, die ausführlich über die eigene Befindlichkeit Auskunft gibt. Es könne der Punkt kommen, wo sie das Leben als Hinterbänklerin "nicht mehr ertrage", gestand sie in einem Interview.

Die Abgeordnetenkollegen sind wenig begeistert. Man müsse sehen, heißt es entschuldigend, dass die Ex-Ministerin noch immer im "emotionalen Ausnahmezustand" sei. Zumindest auf Anfrage hält Strobl nun dagegen: Parlamentarier zu sein - das sei für ihn "etwas ganz Besonderes, ja Ehre und Verpflichtung".

 Vom EnBW-Deal überrumpelt

Schwerer tut sich der Parteichef mit dem EnBW-Deal, von dem womöglich auch er überrumpelt wurde. Das Urteil des Staatsgerichtshof akzeptierte er zwar schneller als andere, aber ansonsten hält er die offizielle Verteidigungslinie, die auch CDU-intern längst bröckelt: das Verfahren sei schlecht, aber das Geschäft an sich gut gewesen; Fukushima und die Atomwende habe doch niemand vorhersehen können.

Dabei entpuppt sich Mappus' Begründung Stück für Stück als Legende. Dass sich seine Getreuen daran klammern, ist menschlich verständlich. Aber vom Chef der Landespartei und Vorsitzenden der einflussreichen CDU-Landesgruppe im Bundestag, sagen Weggefährten, müsse man eine Neubewertung erwarten. Stattdessen bescheinigt Strobl den Stuttgart-21-Gegnern "üble Trickserei" und "gigantische Volksverdummung" - Begriffe, die beim EnBW-Deal schnell auf die CDU zurückfallen. Beide Vorwürfe setzten Vorsatz voraus, erläutert er, "den unterstelle ich aber nicht". Womöglich sei "die Beratung im stillen Kämmerlein falsch" gewesen.

Vielleicht gewinnt der Landesvorsitzende ja bei der Jungen Union neue Erkenntnisse. Hauptthema ist dort die Energiepolitik, zu der auch der zuständige EU-Kommissar Günther Oettinger sprechen wird. Von ihm werden wiederholt vernichtende Äußerungen zum EnBW-Deal referiert, die er natürlich nur intern äußert.

Wechsel beim CDU-Nachwuchs

Vorgänger Die Junge Union (JU) wählt in Singen einen neuen Landesvorsitzenden. Der Bundestagsabgeordnete Steffen Bilger (32), der kürzlich zum CDU-Bezirkschef in Nordwürttemberg gewählt wurde, tritt nicht mehr an; er führte den Parteinachwuchs fünf Jahre lang.

Nachfolger Wohl einziger Kandidat für die Nachfolge ist der nordbadische JU-Bezirkschef und Mannheimer Stadtrat Nikolas Löbel. Der 25-jährige Jurastudent hatte bei der Landtagswahl in Mannheim kandidiert, aber den Einzug ins Parlament verfehlt.