Bei der Hauptversammlung des Karlsruher Energieversorgers EnBW treten immer mehr Klimaschützer auf. Das Unternehmen nimmt deren Fragen und Kritik ernst und bietet einen Dialog an.

Karlsruhe - Das gab es noch nicht bei einer EnBW-Hauptversammlung. Nach den Vertretern verschiedener Aktionärsvereinigungen trat ein junger Mann ans Mikro vor den Anteilseignern des Karlsruher Energiekonzerns. Der 17-jährige technische Gymnasiast Simon Baumgart ergriff das Wort für die Schülerbewegung Fridays for Future, die seit einigen Monaten immer freitags für den Klimaschutz auf die Straße geht. Und dafür die Schule schwänzt. Auch Baumgart hätte am Mittwoch eigentlich die Schulbank drücken müssen. „Ich werde diese Rede nicht mit meinem Namen beginnen, denn was ich zu allererst klar stellen will: Wir sind nicht eine Person. Wir sind viele, und wir werden immer mehr“, begann er.

 

Auch die EnBW sei von der Dürrephase im vergangenen Jahr betroffen gewesen, weil sie angesichts der niedrigen Flussstände Kraftwerke drosseln musste. Zugleich trage die EnBW aktiv zur Klimakrise bei. „Sie als Aktionäre der EnBW haben große Verantwortung“, sagte Baumgart und forderte, bis zum Jahr 2030 alle deutschen Kohlekraftwerke still zu legen, ein Viertel davon schon in diesem Jahr. „Auch zwei Ihrer Kraftwerke gehören dazu: Das Rheinhafen-Dampfkraftwerk 7 und Heilbronn 7.“ Ein Unternehmen, das zu einem Großteil dem Land gehöre, dürfe nicht „dermaßen auf fossile Energieträger bauen. Das Land ist dazu verpflichtet, die Bürger vor Gefahren zu schützen, und der derzeitige Kurs dieses Konzerns steht dem völlig entgegen“. Der Kurs der EnBW müsse drastisch geändert werden.

Antworten von einem vierfachen Vater

Der EnBW-Vorstandsvorsitzende Frank Mastiaux griff in seiner Reaktion nicht auf eine fertige Antwort zurück, die ihm die vielen Helfer hinter den Kulissen zu allen Fragen zureichen, sondern sprach spontan und frei. „Ich habe einen Riesenrespekt, dass Sie sich so klar und deutlich positionieren und dass Sie hierher gekommen sind“, sagte der EnBW-Chef, der selbst vierfacher Vater ist. „Wir können überhaupt nicht auseinander sein“, wenn es darum gehe, der jungen und allen kommenden Generationen lebenswerte Bedingungen hinterlassen zu wollen.

Eindringlich widersprach der 55-jährige Manager allerdings Baumgarts Forderung nach einer drastischen Veränderung der EnBW. „Da bin ich nicht bei Ihnen.“ Der Konzern habe schon 2012 ein Bekenntnis abgeben, 2020 nur noch 15 Prozent seines Ergebnisses aus fossiler – und damit Kohlendioxid emittierender – Erzeugung beziehen zu wollen. „Und das haben wir Jahre bevor es eine Kohlekommission gab, gemacht.“ Die EnBW habe seither die erneuerbaren Erzeugungskapazitäten verfünffacht. Und sie habe sich immer vehement für einen CO2 -Preis von mindestens 25 Euro eingesetzt. Seit 2012 habe die EnBW neun fossil betriebene Kraftwerksblöcke still gelegt, „weil sie nicht mehr in die Zeit passten“. Fakt sei aber, dass diese Kraftwerke bis heute im Rahmen der Netzreserve am Laufen gehalten werden müssten – im Auftrag der Bundesnetzagentur.

Kritik an Kohleimporten aus Russland

„In diesen Kraftwerken arbeiten junge Menschen und erfahrene Menschen.“ Oft werde vergessen, dass radikale Schritte zu Lasten von Mitarbeitern gingen. „Und glauben Sie mir: die 21 000 Mitarbeiter der EnBW stehen nicht morgens auf, um ökologisch Falsches zu tun.“ Er sei gerne zu einer Fortsetzung des Dialogs „außerhalb dieser Veranstaltung“ bereit, so Mastiaux.

Baumgart war nicht der einzige, der sich für ökologische oder soziale Fragen einsetzte. Waren es früher ökonomische Themen, die die Aktionärstreffen dominierten, sind es heute vor allem Forderungen nach einem nachhaltigen Kohlebezug und Kritik an Kohleimporten etwa aus dem russischen Kusbass, einem „ökologischen Notstandsgebiet“, wie Aktionär Harry Block sagte. Und es sind Forderungen nach einem schnellen Atom- und Kohleausstieg. Ökonomisch sind es eher Randnotizen, die in der Karlsruher Schwarzwaldhalle zur Sprache kommen. „Sie sind auf einem sehr guten Weg“, lobte etwa der Vertreter der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger, Herbert Wild. Das gelte insbesondere auch im Vergleich zu den Konkurrenten Eon und RWE. Kritisch merkten er und auch Harald Klein von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) allerdings an, dass „keine Dividende auch angemessen gewesen wäre“. Die EnBW will ihren Aktionären für das abgelaufene Geschäftsjahr 65 Cent pro Aktie zahlen – das sind 15 Cent mehr als im Vorjahr – obwohl der Konzern einen um mehr als 80 Prozent auf 334 Millionen Euro gesunkenen Konzernüberschuss ausweisen musste. „Ich habe aber Verständnis dafür, dass die Kommunen die Dividende brauchen“, sagte Klein. Die EnBW gehört zu jeweils knapp 47 Prozent dem Land Baden-Württemberg und neun oberschwäbischen Kommunen, die sich zum Zweckverband OEW zusammengeschlossen haben.