Auch der EnBW-Manager Stefan Liebing, ein Parteifreund Matthias Pröfrocks, steht unter Plagiatsverdacht. Hat er bei ihm abgeschrieben?  

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die Plagiatsaffäre um den CDU-Landtagsabgeordneten Matthias Pröfrock zieht nun auch Kreise in die Wirtschaft. Ein politischer Weggefährte Pröfrocks, der EnBW-Manager Stefan Liebing, steht ebenfalls unter dem Verdacht, bei seiner Doktorarbeit abgeschrieben zu haben. Diesen "anonym eingegangenen Vorwurf" prüft gegenwärtig die Universität Duisburg-Essen, wie eine Unisprecherin auf StZ-Anfrage mitteilte. Da es sich um einen "schwebenden Prozess" handele, könne man noch keine näheren Angaben machen. Liebing selbst sagte, er habe die Hochschule nach Kritik im Internet von sich aus informiert. Dem Ergebnis der Prüfung, die noch einige Zeit dauern werde, sehe er "gelassen entgegen".

 

Der gebürtige Stuttgarter Liebing ist nach diversen Stationen bei Shell seit 2008 für die EnBW tätig, zunächst als Konzernbevollmächtigter für das internationale Gasgeschäft, inzwischen in der neu gegründeten Gas Midstream GmbH. Parallel zum Beruf promovierte der Diplomkaufmann im Jahr 2010 an der Universität Duisburg-Essen zum Doktor der Staatswissenschaften. Das Thema seiner Dissertation: "Energiepolitik in der EU und Russland - Interessenlagen, Konfliktpotenziale, Kooperationsansätze". Ein ähnliches Thema hatte der mit Liebing aus der Jungen Union (JU) gut bekannte CDU-Abgeordnete und Jurist Pröfrock bearbeitet ("Energieversorgungssicherheit im Recht der Europäischen Union/Europäischen Gemeinschaften), dem der 2007 verliehene Doktortitel inzwischen von der Universität Tübingen entzogen wurde.

Haben beide den gleichen Text eines Dritten benutzt?

Anonyme Plagiatsjäger im Internet hatten bereits im April Textpassagen aus Pröfrocks Arbeit in Liebings Dissertation entdeckt. Dies werfe die Frage auf, ob Liebing bei Pröfrock abgeschrieben habe oder ob beide den gleichen Text eines Dritten benutzt hätten. Die Plattform "vroniplag" schaltete daraufhin die Universität Duisburg-Essen ein. Inzwischen wurden im Internet auffällige Übereinstimmungen auch mit anderen Quellen entdeckt, darunter einer Doktorarbeit an der Uni Köln aus dem Jahr 2005 ("Der russische Erdgasmarkt zwischen Monopol und Liberalisierung").

Liebing sagte dazu der StZ: "Es ist richtig, dass ich in einem Kapitel meiner Arbeit einige Aussagen aus der Dissertation von Matthias Pröfrock zusammengefasst und unter Angabe der Quelle und des Autors auch ein Zitat eingefügt habe." Ansonsten wolle er "den Ergebnissen der Wissenschaftler an der Hochschule nicht vorgreifen". Im Vorwort seiner Arbeit hatte es der EnBW-Manager als besondere Herausforderung dargestellt, "neben einer intensiven beruflichen Tätigkeit" zu promovieren; dies gelinge nur "mit großer Unterstützung von vielen Seiten". Als Vorteil schilderte er, dass er sich mit dem Thema der Abhängigkeit Europas von russischen Gaslieferungen "nicht nur theoretisch, sondern selbst unmittelbar beruflich" beschäftigt habe. Anstoß für ihn sei gewesen, dass weder Wirtschaftsvertreter noch Journalisten die Schwierigkeiten zwischen dem Lieferanten Russland und den Gasabnehmern in der EU überzeugend hätten erklären können.

Beide gehören einem illustren Netzwerk an

Pröfrock und Liebing kennen sich seit gemeinsamen Tagen beim baden-württembergischen CDU-Nachwuchs. Während der Jurist früh eine politische Laufbahn anstrebte, konzentrierte sich der Kaufmann auf eine Karriere in der Wirtschaft. Beide gehören einem illustren Netzwerk an, einem Verein namens "Liedertafel Zwietracht" mit Sitz in Murrhardt. Liebing ist ausweislich der Internetseite nach wie vor Präsident, Pröfrock Schatzmeister. Der Verein wurde 1997 von JU-Leuten gegründet, die sich regelmäßig zum Singen trafen. Später diente er als "Plattform für einen Freundeskreis", erläuterte Liebing 2008 der StZ; von einem politischen Netzwerk könne man aber nicht sprechen. Im Beirat sind freilich mehrere CDU-Mandatsträger vertreten, darunter der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Joachim Pfeiffer. Der promovierte Betriebswirt war zuvor energiepolitischer Sprecher und früher in der Energiewirtschaft tätig.

Neben seiner Tätigkeit für die EnBW ist Liebing in mehreren Funktionen ehrenamtlich engagiert - so als Lehrbeauftragter für Energiemanagement an der Hochschule Heilbronn, als Vizevorsitzender des Center of International Energy Studies und als Vorstandsmitglied des Afrikavereins der deutschen Wirtschaft. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde er als Generalsekretär der Bundesvereinigung Deutscher Musikverbände (BDMV) bekannt, die heute von dem CDU-Bundestagsabgeordneten Siegfried Kauder geführt wird.