Mit fragwürdigen Methoden versucht die EnBW, den Stadtwerken Kunden abzujagen. Die von der Politik gewünschte engere Zusammenarbeit wird dadurch belastet.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die EnBW-Vertreter hatten wichtige Neuigkeiten für die Kunden der Mannheimer MVV Energie. Für die Grundversorgung mit Gas und Strom, erläuterten sie an der Haustür, sei künftig in ganz Baden-Württemberg der Karlsruher Konzern zuständig. Daher müssten überall die Verträge umgestellt werden. Das stimmte so natürlich nicht; tatsächlich ging es darum, im MVV-Gebiet neue Kunden für die EnBW zu gewinnen.

 

Auch in Sindelfingen wurden Bürger herausgeklingelt und aufgeschreckt. Bald gebe es die örtlichen Stadtwerke nicht mehr, erfuhren sie, deswegen müsse ein neuer Vertrag geschlossen werden. Mit Sprüchen wie „wir müssen den Zähler ablesen“ erweckten die für die EnBW tätigen Vertreter laut Zeugen den Eindruck, sie kämen selbst von den Stadtwerken.

In Weingarten bei Ravensburg fühlten sich Kunden der örtlichen Technischen Werke Schussental am Telefon bedrängt. Äußerst hartnäckig versuchte eine Dame im Auftrag der EnBW, einen einst abgesprungenen Kunden für die Karlsruher zurückzugewinnen. Obwohl er sich nur Informationsmaterial zuschicken lassen wollte, bekam er eine Vertragsbestätigung. Sein Widerruf wurde ignoriert, stattdessen erhielt er zweimal ein Schreiben mit dem voraussichtlichen Lieferbeginn.

Mannheim, Sindelfingen und Weingarten sind nur drei von etlichen ähnlich gelagerten Fällen. Landauf, landab gibt es zunehmend Ärger wegen Drückerkolonnen oder Telefonwerbern im Auftrag der EnBW. Auf den „Direktvertrieb“ wollen die Karlsruher im hart umkämpften Energiemarkt nicht verzichten. Die „aktive Ansprache von potenziellen Kunden“, heißt es, sei schließlich ein „völlig normaler Vorgang“. Doch zum Problem wird sie nicht nur wegen der dubiosen Methoden, die immer wieder geschildert werden. Sie vergiftet auch das Klima zwischen dem staatlichen Energiekonzern und den Stadtwerken, mit denen dieser – so der Auftrag der Landespolitik – deutlich besser zusammenarbeiten soll.

Zudem schneidet sich die EnBW ein Stück weit ins eigene Fleisch: in Mannheim ist sie mit 15 Prozent, in Sindelfingen mit 20 Prozent und im Schussental mit gut 25 Prozent am örtlichen Versorger beteiligt. Rechtsstreitigkeiten sind da gleich doppelt kontraproduktiv. Die MVV erstritten wegen unlauterer Werbung bereits eine einstweilige Verfügung gegen die EnBW, in Ravensburg steht am 9. November die Gerichtsverhandlung an.

Beschwerden seien „die große Ausnahme“

Eine Rücksichtnahme auf Beteiligungen, sagt ein Sprecher, wäre schon „kartellrechtlich schlicht unzulässig“. Ansonsten bemüht sich der Konzern, die Probleme zu relativieren: Bei 40 000 Kundenkontakten in diesem Jahr seien Beschwerden „die große Ausnahme“. Pauschale oder gar „kriminalisierende Warnmeldungen“ seien daher „völlig unangebracht“. Auch lokale Anbieter würden von der EnBW immer wieder auf Wettbewerbsverstöße hingewiesen, allerdings ohne großes Aufsehen. „Wir wollen einen fairen Wettbewerb in beide Richtungen“, betont der EnBW-Vertriebschef Uli Huener.

„Qualität und Seriosität“ stehen laut EnBW beim Einsatz von Außendienstlern oder Handelsvertretern „an erster Stelle“. Die vom Bundesverband Direktvertrieb formulierten Standards seien Bestandteil von Dienstanweisungen und Verträgen. Wenn es trotzdem begründete Beschwerden gebe, greife man durch. „Schwarze Schafe haben in unserem Direktvertrieb keinen Platz“, sagt Huener. Die Konsequenzen reichten von Nachschulungen über Vertragsstrafen bis hin zur sofortigen Beendigung der Zusammenarbeit.

Im Fall Sindelfingen kam es jetzt zum Schnitt. Aufgrund „mehrerer Hinweise auf Fehlverhalten“ habe man die Zusammenarbeit mit dem fraglichen Dienstleister eingestellt, teilte ein Sprecher mit; dieser sei „nicht mehr für die EnBW Vertrieb GmbH aktiv“. Bei der Aquiso GmbH in Villingen-Schwenningen, um die es sich handelt, klingt das etwas anders. Man habe die Kooperation lediglich „vorübergehend“ beendet, sagt der Geschäftsführer; auf der Homepage wird denn auch unverändert mit der EnBW als Referenz geworben. Die Beschwerden in Sindelfingen erklärt sich der Geschäftsführer mit Missverständnissen vor allem bei „älteren Personen“. In der Konkurrenz mit der EnBW würden die von den Stadtwerken gerne genutzt: „Das ist eine normale Abwehrreaktion.“

Schwieriger würde es mit Konsequenzen bei jenem Dienstleister, der in Mannheim, Weingarten oder auch Konstanz negativ auffiel: die ESD Energie Service Deutschland AG mit Sitz in Offenburg gehört seit gut einem Jahr zu 100 Prozent der EnBW. Bis dahin genossen die ESD-Leute nicht den besten Ruf. Immer wieder warnten Verbraucherschützer vor fragwürdigen Methoden – etwa, als Bürger mit offiziell aussehenden Kärtchen zum Anrufen verlockt wurden. Im Glauben, die Mitteilung käme von ihrem eigenen Versorger, wurden sie dann Ziel eines Abwerbeversuchs. Seit der Übernahme durch die EnBW, die einen eigenen Manager als Vorstand einsetzte, soll alles besser geworden sein: Man habe organisatorische und personelle Maßnahmen ergriffen, um einen „qualitativ hochwertigen Direktvertrieb“ zu garantieren. Gebe es doch Beanstandungen, gehe man diesen „kurzfristig und mit großer Konsequenz“ nach. Neben Weingarten sei derzeit noch ein Vorgang in Ölbronn-Dürrn in der Prüfung, wo Bürger möglicherweise ohne die notwendige Einwilligung angerufen worden seien. Insgesamt bewege sich die Zahl der Abmahnungen auf einem „sehr niedrigen Niveau“, sagt der Alleinvorstand Patrick Müller.

ESD wird konzernintern kritisch gesehen

Konzernintern wird ESD aber auch aus einem anderen Grund kritisch gesehen: weil die Firma ihre Dienste „markenneutral“ anbietet, wildert sie im EnBW-Stammland schon mal für EnBW-Konkurrenten – eine „Kannibalisierung“, die allenthalben Kopfschütteln hervorruft. Für den neuen Konzernchef Frank Mastiaux wird es angesichts des Ärgers quer durchs Land nicht einfacher, das angespannte Verhältnis zu den Stadtwerken zu verbessern; dabei hatte er genau das beim Amtsantritt als eine seiner vordringlichen Aufgaben genannt.

Der Stadtwerkeverband VKU macht aus seinem Unmut jedenfalls keinen Hehl. „Fairer Wettbewerb heißt, Menschen vom Besseren zu überzeugen und ihnen nicht mit Druckmitteln einen Kauf abzupressen“, sagt der Landesvorsitzende Matthias Berz. „Das ist schmierig und hat nichts mit kommunalem Handeln zu tun.“ Vollends fragwürdig werde es, „wenn ein Konzern Vertreter wie Söldnertruppen sogar in Netzgebiete mit eigenen Unternehmensbeteiligungen schickt“. Vertrauen entstehe auf diese Weise nicht. Wenn so die Partnerschaft mit der EnBW aussehe, sagt Berz, „dann ist eine Zusammenarbeit nicht wirklich erstrebenswert“.