SPD und Grüne sehen keinerlei Grundlage für eine Notbewilligung der Milliarden. Über das Vorgehen von Mappus zeigen sie sich empört.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)
Stuttgart - Das Milliardengeschäft mit den EnBW-Aktien soll am Mittwoch wie geplant nachträglich vom Landtag abgesegnet werden. SPD und Grüne scheiterten am Dienstag im Finanzausschuss mit einem Antrag auf Vertagung. Die Mehrheit von CDU und FDP setzte im Sinne von Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) durch, dass es bei dem Eilverfahren bleibt. Innerhalb von nur zwei Tagen entscheidet das Parlament damit abschließend über die von Finanzminister Willi Stächele (CDU) vorab bewilligten 5,9 Milliarden Euro und eine Garantie in gleicher Höhe.

Die Opposition reagierte empört auf das Vorgehen der Regierung. "Wenn Mappus das Parlament jetzt nur noch als Abnicker für ein schon gelaufenes, fragwürdiges Geschäft missbrauchen will, spielt die SPD nicht mit", sagte der Vizefraktionschef Nils Schmid. Es bestehe keinerlei Zeitdruck, da noch nicht einmal die Kartellbehörden dem Deal zugestimmt hätten. In Baden-Württemberg stehe die Landesverfassung immer noch "höher als das Aktienrecht", sagte Schmid zur Begründung des Regierungschefs. Dieser hatte vor den aktienrechtlichen Folgen gewarnt, wenn das Geschäft vorzeitig bekannt geworden wäre.

Wie sein SPD-Kollege warf auch der Grünen-Fraktionschef Winfried Kretschmann dem Ministerpräsidenten eine "grobe Missachtung des Parlaments" vor. Die rechtlichen Voraussetzungen für die in Anspruch genommene Notbewilligung seien "überhaupt nicht erfüllt". Angesichts des bis Ende 2011 laufenden Vertrages der EnBW-Großaktionäre gebe es keinen Grund, derart überhastet zu entscheiden.

Rechnungshof hat Bedenken


Auch der Rechnungshof hat offensichtlich Bedenken gegen das Vorgehen des Ministerpräsidenten. Dies machte der Behördenchef Max Munding (CDU) laut Teilnehmern im Finanzausschuss deutlich. Auf StZ-Anfrage wollte sich Munding nicht äußern und verwies auf die vereinbarte Vertraulichkeit. Noch am Vortag hatte die Kontrollbehörde indirekt Kritik an der Umgehung des Landtags geübt. "Allgemein lässt sich sagen, dass in solchen Fällen die Aufnahme eines Haushaltsvorbehalts der gebotene Weg ist", teilte sie mit.

Das Staatsministerium stellte derweil klar, dass sich die Erwerbsnebenkosten nicht, wie von der StZ berichtet, auf 200 Millionen Euro beliefen. Bei 170 Millionen Euro handele es sich um einen Betrag, den die EdF als Ausgleich für die entgangene Dividende im Jahr 2010 erhalte.

Bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart sind bisher noch keine Strafanzeigen wegen des Aktiengeschäfts eingegangen. Dies teilte die Behörde auf Anfrage mit. "Gegebenenfalls eingehende Anzeigen wird die Staatsanwaltschaft wie auch in anderen Fällen zu prüfen haben", hieß es weiter. Die bisherige Berichterstattung in den Medien habe keine Veranlassung gegeben, von Amts wegen Ermittlungen einzuleiten.

Mappus erhält Unterstützung aus der Wirtschaft


Ministerpräsident Mappus widersprach derweil dem Vorwurf, der Landtag sei zunächst nicht über die notwendige Milliardenbürgschaft informiert worden. Man habe dies in den Fraktionen vielleicht "nicht ausgiebig dargestellt", räumte er ein. "Jedem, der sich ein bisschen auskennt", sei aber klar gewesen, dass eine solche Garantie nötig werde. Der FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke hatte öffentlich moniert, der Landtag sei erst am Tag darauf mit der Notwendigkeit einer Bürgschaft konfrontiert worden.

Die Kanzlei Gleiss Lutz wollte sich nicht zu Berichten aus den Fraktionen äußern, wonach einer ihrer Anwälte, der Mappus begleitet hatte, die Notwendigkeit einer Bürgschaft dort auf eine Frage verneint habe. Wegen der Pflicht zur Verschwiegenheit dürfe man dazu nichts sagen, erklärte eine Sprecherin. Sie bestätigte aber, dass es sich bei dem Rechtsanwalt Martin Schockenhoff um einen Bruder des CDU-Bundestagsabgeordneten Andreas Schockenhoff handele, der auch CDU-Bezirkschef in Südwürttemberg ist. Umweltministerin Tanja Gönner (CDU), die aus dem gleichen Bezirk stammt, sagte, die Verwandtschaft dürfe Schockenhoff nicht zu Vorteil, aber auch nicht zum Nachteil gereichen. Mappus fügte hinzu, neben Schockenhoff hätten eine Reihe weiterer Anwälte von Gleiss Lutz das Geschäft begleitet.

Unterstützung bekam Mappus von den Chefs der Unternehmen Daimler, Celesio und HeidelbergCement. Daimler-Chef Dieter Zetsche sagte, das Land brauche eine "gesicherte, berechenbare Energiepolitik und Strom zu bezahlbaren Preisen". Celesio-Chef Fritz Oesterle lobte, der Rückkauf erlaubte der EnBW eine "Strategie aus einer Hand". Von wem die Initiative für die Aktion ausging, blieb unklar.