Die EnBW droht in Stuttgart die Netzkonzession zu verlieren. Schon wird spekuliert, ob der Energieriese dann auch sein Sponsoring einstellt.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)
Stuttgart - Nein, auf dem roten Brustring des VfB Stuttgart steht mittlerweile nicht mehr EnBW – seit vergangenem Jahr werben die Kicker vom Wasen auf ihren Trikots für einen namhaften Joghurt- und Käsehersteller. Dennoch gehört der Energiekonzern aus Karlsruhe weiter zu den Hauptsponsoren: Als "Exklusivpartner" dürfte er jährlich immer noch 1,5 Millionen Euro an den VfB überweisen.

Dieser Zuschuss ist sicherlich nicht akut gefährdet, denn EnBW und VfB haben Verträge, die es zu halten gilt. Dennoch rückt das Sponsoring des Stromriesen derzeit in Stuttgart etwas in den Mittelpunkt: Ende 2013 läuft die Konzession für das Stuttgarter Stromnetz aus, das die Stadt bisher der EnBW für 50 Millionen Euro pro Jahr überlassen hat.

2014 soll die Stadt aber, so lautet derzeit der Wille einer Mehrheit des Gemeinderates, eigene Stadtwerke gründen und die Konzession dort einbringen. Die EnBW verlöre mit dem Betrieb des Netzes eine zentrale Aufgabe in Stuttgart, behielte aber alle ihre Stromkunden – schon heute kann ja jeder Stuttgarter selbst entscheiden, wer sein Energieversorger ist.

Auch Gesundheitsprojekte werden unterstützt


Hinter vorgehaltener Hand hört man aus der EnBW dennoch, dass man das eigene Engagement in Sport, Kultur, Bildung und Gesellschaft überdenken könnte, wenn man als Netzbetreiber nicht mehr in Stuttgart gelitten sei. Tatsächlich zählt der Energiekonzern zu den wichtigen Sponsoren. Neben dem VfB Stuttgart fördert die EnBW in der Stadt kontinuierlich den Schwäbischen Turnerbund, das Kunstmuseum und das Ballett.

Zudem gibt der Konzern Zuschüsse zu vielen Projekten und Veranstaltungen in der Stadt, wie zum Beispiel dem Musikfest, dem Jugendsport, der Rettung des Max-Eyth-Sees oder dem Kunstverkauf der Drogenberatungsstelle Release. Auch Gesundheitsprojekte an Schulen oder die Kinderstadt Stutengarten werden unterstützt. Über Höhe und Vertragsdauer des Sponsorings schweigt sich die EnBW aus – es handelt sich aber in Stuttgart um mehrere Millionen Euro jährlich.

Einen Zusammenhang zwischen Netzkonzession und gesellschaftlichem Engagement gebe es nicht, stellt EnBW-Pressesprecher Ulrich Schröder klar: "Wir sind einfach Teil der Region, in der wir wirtschaftlich aktiv sind", sagt er. Dennoch weiß man aus der Nachbarstadt Ludwigsburg, dass dort durchaus das eine mit dem anderen vermengt wurde.

2400 Menschen arbeiten in Stuttgart für die EnBW


Bei einem informellen Treffen von EnBW-Vertretern, Stadträten und Verwaltungsspitze vor gut zwei Jahren sei das Engagement bei den Profibasketballern der Stadt recht direkt infrage gestellt worden. Dennoch hat Ludwigsburg entschieden, die Konzession den Stadtwerken zu übertragen. Die EnBW hat höchstens als Partner noch eine Chance.

Die Stuttgarter Stadträte werden bei ihrer Entscheidung – sie wird frühestens Ende des Jahres fallen – das Sponsoring als ein Argument berücksichtigen; ein sofortiges Ende aller Aktivitäten befürchtet aber niemand. Wichtig für das Votum ist daneben die EnBW als großer Arbeitgeber in der Stadt: 2400 Menschen arbeiten in Stuttgart für die EnBW, jährlich zahlt der Energiekonzern 16 Millionen Euro Gewerbesteuer. Allerdings: nicht alle Jobs sind in Gefahr, wenn Stuttgart Stadtwerke gründet; denn die EnBW hat auch dann hier Kunden oder betreibt zum Beispiel weiterhin das Fernwärmenetz.

Größeres Gewicht bei der Entscheidung wird die betriebswirtschaftliche Seite haben: Wie sollen Netz, Erzeugung und Vertrieb organisiert werden, um risikoarm und gewinnbringend zu sein? Die städtischen Gutachter Horváth & Partners haben sechs Modelle vorgelegt, die alle eine ähnlich gute Bewertung erhalten haben. Sie empfehlen aber letztlich, dass Stuttgart das Netz übernimmt, es aber von jemand anderem – beispielsweise der EnBW? – betreiben lässt. Und sie empfehlen, beim Vertrieb eine Kooperation einzugehen. Die Kosten- und Einnahmemodelle sind hochkomplex.

Vorerst wird weitergepokert


Strategische Motive werden ebenfalls eine Rolle spielen: Die Stadt will auf jeden Fall die Wasserversorgung übernehmen, die EnBW muss das Leitungsnetz aber gar nicht abgeben. In diesem Bereich ist ein "Deal" nicht ausgeschlossen – die Stadt bekommt das Wasser, die EnBW bleibt Juniorpartner. Und letztlich werden auch politische Interessen in die Entscheidung einfließen.

Werner Wölfle, der Chef der Grünen als größter Rathausfraktion, sagt beispielsweise: "Wir haben nicht vergessen, wie sich die EnBW bei der Debatte um die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke verhalten hat." Sprich: in der Energiepolitik gibt es wenig Übereinstimmungen zwischen EnBW und Grünen. Wölfle kann sich deshalb gut vorstellen, die Stadtwerke als hundertprozentiges Kommunalunternehmen zu betreiben. Oder, wenn man einen Partner bräuchte, sich mit anderen Stadtwerken zusammenzutun.

Vorerst wird also weitergepokert, und keine Seite lässt erkennen, wie gut ihr Blatt wirklich ist. Denn klar ist: ohne Verhandlungen mit der EnBW geht es nicht. "Je weniger Getöse, umso besser", meint Wölfle: "Man läuft sonst nur Gefahr, die Preise in die Höhe zu treiben."

Gutachten und Vorlagen zu den möglichen Stadtwerke-Modellen gibt es hier. »