Der neue US-Präsident richtet das Wort an die Chefs der 27 –EU-Staaten. In den Jahren der Trump-Regierung war das kein einziges Mal vorgekommen.

Korrespondenten: Markus Grabitz (mgr)

Brüssel - Beim Treffen der Staats- und Regierungschefs der EU, das wegen der dritten Welle doch wieder im Video-Format stattfinden musste, gab es einen prominenten Gast. US-Präsident Joe Biden schaltete sich am Abend dazu. Der ständige Ratspräsident und Gastgeber der Runde, Charles Michel, kann stolz darauf sein, dass Biden sich die Zeit nimmt für ein Gespräch mit den Spitzen der EU-Länder. Um zu wissen, wann das das letzte Mal vorkam, muss man bis in die Obama-Ära zurückblättern. In der ganzen Zeit, als Donald Trump im Weißen Haus war, kam so etwas nicht vor. Gegen 20.45 Uhr, so die Planung, würde die Schalte in die USA zustande kommen. Nach einigen einführenden Sätzen von Michel würde Biden zum transatlantischen Verhältnis sprechen. Anschließend gebe es ein kurzes Zeitfenster für eine Erwiderung seitens der Staats- und Regierungschefs. Viel länger als eine Stunde würde die Begegnung nicht dauern, sagen EU-Diplomaten.

 

Zunächst hatten die „Chefs“ am Nachmittag über das Impfen gesprochen. „Unsere oberste Priorität ist, die Impfkampagne in der EU zu beschleunigen“, hatte Michel schon in seinem Einladungsschreiben notiert, das immer zwei Tage vor dem Treffen rausgeht. Michel war aber entschlossen, die Debatte über eine Umverteilung der Impfdosen gar nicht erst zuzulassen, die Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz seit Tagen vom Zaun brechen will.

Zu wenig bestellt

Hintergrund ist: Etliche ärmere EU-Staaten wie Bulgarien, Slowakei, Tschechien, Lettland, Kroatien aber eben auch Österreich haben seinerzeit nicht so beherzt zugegriffen, wie es ihre Bevölkerungszahl erlaubt hätte, als es darum ging, den teuren und schwer zu lagernden Biontech-Impfstoff zu bestellen. Diese Länder sind nun in ihrer Impfkampagne abgeschlagen, weil sie vor allem auf Astrazeneca gesetzt haben und die Firma unter ihren Lieferzusagen bleibt. Die Lage von Bulgarien, Lettland und anderen ist tatsächlich so schlecht, dass diese Länder bis weit ins Jahr 2022 impfen müssten, wenn ihnen die Nachbarn nicht noch Dosen abgeben. Kurz hatte verlangt, dass die kürzlich nachgeorderten zehn Millionen Biontech-Dosen ausschließlich an die betroffenen Länder gehen sollten. In Paris und Berlin will man davon aber nichts wissen. Kein Wunder: Auch in Frankreich und Deutschland ist der Impfstoff knapp, Deutschland stehen aus den zusätzlich angekauften Biontech-Dosen 1,8 Millionen zu. Darauf kann man schlecht verzichten.

Exportverbote?

Angela Merkel war vor dem Gipfel auf den Streit gar nicht eingegangen, hatte sich aber noch einmal zum gemeinsamen EU-Ansatz bei der Impfstoffbeschaffung bekannt: Da selbst bei kleinen Unterschieden in der Verteilung große Diskussionen ausbrächen, wolle sie sich nicht vorstellen, was wäre, wenn einzelne EU-Staaten Impfstoff hätten und andere nicht: „Das würde den Binnenmarkt in seinen Grundfesten erschüttern.“

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen warb für die Vorschläge der Behörde für eine schärfere Überwachung der Impfstoffexporte. Von der Leyen hatte gedroht, dass Exporte von Vakzinen künftig an Staaten verboten werden könnten, die selbst Impfstoffe produzieren, aber deren Ausfuhr verhindern. Vor allem die USA und Großbritannien sind hier im Fokus. Aus diesen beiden Ländern hat es bislang noch keine Einfuhren von Impfstoffen in die EU gegeben. Die Bundesregierung hält nichts von generellen Verboten. Mit Hinweis auf die komplizierten Lieferketten hieß es im Umfeld der Kanzlerin: Die USA exportierten zwar nicht Impfstoffe, doch dafür gebe es einen regen Austausch von Vorprodukten. Man rate zur Vorsicht und wolle keinen Ärger haben mit Ländern, auf die Impfstoffhersteller angewiesen seien. Im Entwurf des Gipfeldokuments ist denn auch von Exportverboten keine Rede. Es heißt dort lediglich: „Wir unterstreichen die Bedeutung von Transparenz sowie des Verwendens der von Export-Genehmigungen.“

Thema waren zudem die Beziehungen zur Türkei. Nachdem sich die Spannungen im östlichen Mittelmeer zwischen Zypern und der Türkei um die illegalen Erdgasbohrungen etwas beruhigt haben, will die EU wieder einen Schritt auf Ankara zumachen. Die EU will die Kommission auffordern, die auf Eis gelegten Gespräche über die Zollunion zumindest wiederaufzunehmen. Es taut allenfalls ein wenig im Verhältnis zur Türkei. Darauf weist ein hoher EU-Diplomat hin: ein Abschluss der Gespräche über die Zollunion sei in weiter Ferne.