Die EU kündigt das Ende der Zeitumstellung an und verkauft dies als Akt der Bürgerbeteiligung. Welche eine Heuchelei, kommentiert der StZ-Autor Michael Maurer.

Stuttgart - Endlich produziert die EU positive Schlagzeilen: Sie fragt die Bürger nach ihrer Meinung, sie nimmt diese ernst und kündigt sogar an, dem Mehrheitsbeschluss zu folgen. EU-Kommissionspräsident Juncker platzt schier vor Stolz über den eigenen Großmut, nun das Ende der Zeitumstellung einzuläuten. Bundeskanzlerin Merkel ist ganz begeistert, und aus der SPD heißt es, die EU zeige, dass sie nah an den Alltagsproblemen der Bürger sei. Welch eine Heuchelei!

 

All diese Elogen wären gerechtfertigt, wenn es um ein grundlegendes Problem in Europa ginge. Geht es aber nicht. Es geht um einen Firlefanz wie die Zeitumstellung, die für manche lästig ist, aber keine nachweisbaren positiven oder negativen Folgen hat. Das mögen sich auch viele EU-Bürger gedacht haben. Von 512 Millionen Einwohnern stimmten nur 4,6 Millionen (0,89 Prozent) ab, darunter drei Millionen Deutsche. Das Votum von 84 Prozent gegen die Zeitumstellung ist also mitnichten ein machtvolles Zeugnis des Bürgerwillens, sondern Ausweis der Kampagnenfähigkeit einer Minderheit, die sich geradezu lustvoll in dieses Thema verbissen hat. Statt einer einheitlichen Regelung dürfte nun wieder ein europäischer Flickenteppich entstehen. Für ein reines Placebo, das über ansonsten geringe Mitwirkungsmöglichkeiten hinweghelfen soll, ist dies ein zu hoher Preis.