Bevor sich die Besuchergruppe unter Tage im Kleinbus auf eine Fahrt durch das Stollengewirr begibt, wird sie mit Kreide auf einer Tafel registriert. Ja, er habe sich hier anfangs verfahren, sagt der Busfahrer, ein junger Elektriker und Jahrgangsbester in der Technikklasse des Werkes Werra. Er könnte auch in den aktiven Kali-Gruben in den Nachbardörfern arbeiten, aber er hat sich für die Deponie entschieden: „Es gibt keinen großen Unterschied. Nur haben wir hier mehr Sonderauflagen.“ Das Tageslicht vermisse er während der Schicht – vor allem im Sommer.

 

Die Fahrt durch die Finsternis führt ins Archiv: Hinter einer Ziegelwand in einem Stollenteil sind Tausende von Gläsern mit den Materialproben des eingelieferten Mülls in Regalen verstaut, mit Anlieferungsdatum, Nummern und Standort. Denn je nach Stoffgruppe – 600 verschiedene Abfälle sind Herfa zugeordnet – ist eine bestimmte Ecke des Bergwerkes reserviert. Schon oben an der Annahmestelle sind die Stoffe registriert und stichprobenartig untersucht worden – infektiöse, radioaktive, entzündliche und flüssige Stoffe sind ausgeschlossen. Manchmal werden die Lieferungen zurückgewiesen, wenn im Labor die Geräte anschlagen, etwa, weil ein Lieferant Fässer zuvor mit einem Lösungsmittel gereinigt oder beim Verpacken bestimmte Kleber verwendet hat.

In 1000 Jahren hat das Salz den Müll fest umschlossen

Auf einem niedrigen Lastwagen wird der Müll unter Tage – verpackt in riesige Plastiktüten (Big Bags) oder Fässer – in die Stollen gefahren. Die sind verschönert worden für ihre neue Aufgabe: Ihr Grund ist geebnet wie eine Fahrbahn, die Decken sind angefräst und neu gesichert. Flink saust ein Gabelstapler in einem Stollenabschnitt hin und zurück zum Lkw, setzt Paletten mit blauen Fässern in Reih und Glied. Das war’s, die ewige Ruhe beginnt, der Berg kann kommen. Das Salz krieche, sagen die Ingenieure. Anders als Granit oder Ton sei es in Bewegung. In 1000 Jahren habe es den Müll fest umschlossen. Ist ein Stollen voll, wird er mit einer gemauerten Ziegelwand verschlossen – „als Schutz für die Arbeiter“, sagt Olaf Schaub.

Wie sich das Salz bewegt, hat er an 40 Jahre alten Bohrlöchern beobachtet: einst 23 Zentimeter im Durchmesser seien an ihnen die millimeterweisen Veränderungen gut erkennbar. Irgendwann wird das Salz die Mauer zermalmen, die Maurer lassen deshalb an ihren Rändern zum Gestein einen Abstand und füllen ihn mit Dämmstoffen. Das gibt der Mauer eine längere Lebensdauer. Die Deponie ist auf Ewigkeit angelegt. Frühestens in 50 Jahren wird die Grube geschlossen und die Förderschächte werden wasserdicht versiegelt.

Heringens Bürgermeister, ein ehemaliger Grüner, heute parteilos, macht seit 20 Jahren Kommunalpolitik. Ärger über die Deponie gab es zu keiner Zeit: „Es hat hier nie eine negative Diskussion darüber gegeben“, sagt Hans Ries. Nur einmal, vor Jahren, war im Kreistag die Anlieferung des Abfalls ein Thema. Die Lastwagen sollten über die Autobahn rollen und nicht die Dörfer und Städte belasten. „Wir sind eine Industrienation und müssen für die Entsorgung selbst sorgen“, sagt Ries. Man könne den Abfall doch nicht nach Afrika schicken. Nicht wegen der Deponie, sondern wegen der großen Salzabraumhalden ist die Stadt Heringen ständig im Gespräch mit K+S. Die seien Wind und Wetter ausgesetzt, in 600 bis 1000 Jahren seien die „abgeschmolzen“, sagt Ries. Aber die Firma investiere nun 360 Millionen Euro in den Gewässerschutz der Werra.

Die Deponie ist auf Ewigkeit angelegt

Bevor sich die Besuchergruppe unter Tage im Kleinbus auf eine Fahrt durch das Stollengewirr begibt, wird sie mit Kreide auf einer Tafel registriert. Ja, er habe sich hier anfangs verfahren, sagt der Busfahrer, ein junger Elektriker und Jahrgangsbester in der Technikklasse des Werkes Werra. Er könnte auch in den aktiven Kali-Gruben in den Nachbardörfern arbeiten, aber er hat sich für die Deponie entschieden: „Es gibt keinen großen Unterschied. Nur haben wir hier mehr Sonderauflagen.“ Das Tageslicht vermisse er während der Schicht – vor allem im Sommer.

Die Fahrt durch die Finsternis führt ins Archiv: Hinter einer Ziegelwand in einem Stollenteil sind Tausende von Gläsern mit den Materialproben des eingelieferten Mülls in Regalen verstaut, mit Anlieferungsdatum, Nummern und Standort. Denn je nach Stoffgruppe – 600 verschiedene Abfälle sind Herfa zugeordnet – ist eine bestimmte Ecke des Bergwerkes reserviert. Schon oben an der Annahmestelle sind die Stoffe registriert und stichprobenartig untersucht worden – infektiöse, radioaktive, entzündliche und flüssige Stoffe sind ausgeschlossen. Manchmal werden die Lieferungen zurückgewiesen, wenn im Labor die Geräte anschlagen, etwa, weil ein Lieferant Fässer zuvor mit einem Lösungsmittel gereinigt oder beim Verpacken bestimmte Kleber verwendet hat.

In 1000 Jahren hat das Salz den Müll fest umschlossen

Auf einem niedrigen Lastwagen wird der Müll unter Tage – verpackt in riesige Plastiktüten (Big Bags) oder Fässer – in die Stollen gefahren. Die sind verschönert worden für ihre neue Aufgabe: Ihr Grund ist geebnet wie eine Fahrbahn, die Decken sind angefräst und neu gesichert. Flink saust ein Gabelstapler in einem Stollenabschnitt hin und zurück zum Lkw, setzt Paletten mit blauen Fässern in Reih und Glied. Das war’s, die ewige Ruhe beginnt, der Berg kann kommen. Das Salz krieche, sagen die Ingenieure. Anders als Granit oder Ton sei es in Bewegung. In 1000 Jahren habe es den Müll fest umschlossen. Ist ein Stollen voll, wird er mit einer gemauerten Ziegelwand verschlossen – „als Schutz für die Arbeiter“, sagt Olaf Schaub.

Wie sich das Salz bewegt, hat er an 40 Jahre alten Bohrlöchern beobachtet: einst 23 Zentimeter im Durchmesser seien an ihnen die millimeterweisen Veränderungen gut erkennbar. Irgendwann wird das Salz die Mauer zermalmen, die Maurer lassen deshalb an ihren Rändern zum Gestein einen Abstand und füllen ihn mit Dämmstoffen. Das gibt der Mauer eine längere Lebensdauer. Die Deponie ist auf Ewigkeit angelegt. Frühestens in 50 Jahren wird die Grube geschlossen und die Förderschächte werden wasserdicht versiegelt.

Einige Vorteile gegenüber dem Atomlager Asse

Solange das Bergwerk offen ist, kann das Material zurückgeholt werden: Für Abfälle, die Selen oder Tellur enthalten, hat sich wegen der Handyproduktion ein neuer Markt aufgetan. Das Gleiche gilt für Kupfer aus eingelagerten Transformatoren, all das wird wieder herausgeholt – ein kleines Zusatzgeschäft für die 60 Mitarbeiter in Herfa-Neurode. Der Listenpreis für eine Tonne eingelagerten Mülls liegt bei 260 Euro. Ist das nicht ein niedriger Preis für die Ewigkeit? Abteilungsleiter Schaub lacht: „Natürlich hätten wir gern mehr!“ Aber die Anlieferungen sind rückläufig, seit die Industrie per Gesetz zum Vermeiden von Abfällen verpflichtet ist. Überhaupt ist das Entsorgungsgeschäft für K+S allenfalls ein Zubrot. Es macht 2,3 Prozent des Jahresumsatzes von 3,9 Milliarden Euro aus.

Natürlich sind die verstörenden Bilder von purzelnden Fässern im Atomlager Asse auch in Herfa ein Thema. „Im Kippverfahren“, sagt Franz Spachtholz, Technischer Leiter bei der K+S-Entsorgungs-GmbH kopfschüttelnd, sei dort eingelagert worden. Willkürlich, „nicht planmäßig“ habe man dort Müll verstaut. Aber er möchte dies nicht verurteilen, das sei in den 70er Jahren „halt eine andere Sichtweise“ gewesen. Für Herfa sieht Spachtholz im Vergleich zur Asse große Unterschiede: „Gott hat uns beschenkt mit einer langzeitsicheren Untertagedeponie, die den Abfall von der Biosphäre fernhält.“

Atomare Endlager – ein anderes Spielfeld

Dann malt der Ingenieur auf einem Flipchart die Unterschiede auf: Herfa präsentiert sich in seiner Zeichnung als ordentlich belegtes, geologisches Sandwich: Schicht um Schicht, horizontal geordnet, liegt dort übereinander. Die Asse hingegen sieht in der Zeichnung aus wie ein explodierender Atompilz, die Kammern für den Müll liegen übereinander – ein Weg ins Chaos, der Wassereinbruch lag nahe. Zur Debatte über ein atomares Endlager möchte sich bei K+S niemand äußern. „Das ist nicht unser Spielfeld“, sagt Spachtholz. Man könne allenfalls einen sachlichen „Input“ in die Debatte geben. Der könnte lauten, dass Salzbergwerk nicht Salzbergwerk, sondern jedes verschieden ist.

Unten im Stollen ist Feierabend. Der Kleinbus kehrt zum Förderschacht zurück. Olaf Schaub wischt mit einem Schwamm die weiße Kreideschrift mit dem Besuchereintrag von der Tafel. Der Mensch verschwindet, der Müll bleibt.

Toxischer Industriemüll

Arsen
Dass mit der industriellen Produktion auch giftiger Sondermüll anfällt, wird oft ausgeblendet. Das hochgiftige Arsen beispielsweise, ein Halbmetall, ist in Erzen vorhanden, die für die Stahl- und Kupferproduktion benötigt werden, auf die unter anderem die Metall- und Autoindustrie angewiesen ist. In jeder Stahlhütte bleibe auch arsenhaltiger Schlamm zurück, sagt der Ingenieur Olaf Schaub, ein Entsorgungsspezialist bei der K+S-Gruppe in Kassel. In anderen Ländern wird der Sondermüll oft oberirdisch gelagert, in Herfa-Neurode wird er von der Biosphäre abgeschlossen.

Quecksilber
Ein Beispiel für die Entsorgung großer Mengen von kontaminiertem Müll ist Quecksilber. Es ist früher bei der für die Plastikindustrie wichtigen Chlorherstellung im sogenannten Amalgamverfahren massenhaft angefallen und hat Luft, Böden und Baumaterialien verseucht. Die Deponie in Herfa-Neurode hat strenge Sicherheitsauflagen. Sie wird eines Tages wasserdicht verschlossen. Mit Barrieren ist sie von aktiven Kali-Gruben abgeschottet. chl