Das nationale Begleitgremium soll Vertrauen in die Standortsuche schaffen. Nun aber halten die Grünen zwei nominierte Experten nicht für wirklich unabhängig – und fordern ihren Rückzug.

Berlin - Wie sensibel die Menschen auf ein Atommülllager in ihrer Nachbarschaft reagieren, haben die jahrelangen Proteste im niedersächsischen Gorleben gezeigt. Deshalb stand die Bürgerbeteiligung weit oben auf der Agenda, als der Bundestag 2013 das Standortauswahlgesetz beschloss. Die Suche nach einem Ort, an dem der radioaktive Abfall aus deutschen Meilern auch eine Million Jahre nach dem Kernkraftausstieg 2022 möglichst gefahrlos unterirdisch lagern kann, soll keine geheime Kommandosache sein. Vielmehr wird die Öffentlichkeit dem Gesetz zufolge in Regionalkonferenzen und über das neue Nationale Begleitgremium eingebunden. Es hat im Dezember 2016 unter dem Vorsitz des ehemaligen Bundesumweltministers Klaus Töpfer seine Arbeit aufgenommen.

 

Vertrauen ist das Ziel und zugleich das Kapital des Gremiums, dem unparteiische Experten und auch zufällig ausgewählte Bürger angehören. Es ist eine, so lautet der offizielle Auftrag, „unabhängige gesellschaftliche Instanz, die über dem Auswahlverfahren steht“. Schließlich soll die Gruppe, die Einsicht in alle relevanten Unterlagen hat, den bis zum Jahr 2031 angelegten Prozess „vermittelnd begleiten, erklären sowie schlichtend zwischen den Akteuren des Standortauswahlverfahrens aktiv werden können“. Bisher hat sie gute Arbeit geleistet, wie ihr Sylvia Kotting-Uhl bescheinigt, die atompolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. Die Sitzungen sind für jedermann, und auch einige kritische Vertreter von Bürgerbewegungen haben sich bereits vorsichtig positiv über die ersten vier öffentlichen Dialogveranstaltungen geäußert.

Wie glaubwürdig ist das Gremium?

Nun aber könnte die Glaubwürdigkeit, auf die das begleitende Gremium so dringend angewiesen ist, nach Ansicht der Grünen leiden. Grund ist die Liste von Nominierungen, da jetzt in einer zweiten Phase die Verdoppelung der Mitgliederzahl von neun auf 18 ansteht. Auf der Namensliste der Bundesländer, die bei der Ministerpräsidentenkonferenz am 14. Juni verabschiedet und dem Bundestag zum Beschluss vorgelegt werden soll, stehen Beate Kallenbach-Herbert vom Darmstädter Öko-Institut und Wolfram Kudla von der Technischen Universität Freiberg.

Beide sind anerkannte Experten auf ihren Gebieten, allerdings sehen die Grünen die wirtschaftliche Unabhängigkeit nicht gewährleistet, die das Gesetz von Mitgliedern des Nationalen Begleitgremiums fordert; „sie dürfen keine wirtschaftlichen Interessen in Bezug auf die Standortauswahl oder die Endlagerung im weitesten Sinne haben“, heißt es dort. Kallenbach-Herbert beispielsweise wird regelmäßig vom Bundesumweltministerium mit der Erstellung von Gutachten beauftragt, Kudla wiederum hat noch im vergangenen Jahr mit finanzieller Unterstützung des Bundeswirtschaftsministeriums an neuen Endlagerkonzepten geforscht und hält zudem Patente in dem Bereich, etwa zur Abdichtung von Blöcken im Salzgestein, einer der möglichen Lagerstätten.

Keine Befangenheit erkennbar

Während Beate Kallenbach-Herbert auf Anfrage bestätigte, dass sie die baden-württembergische Staatskanzlei um Rücknahme ihrer Nominierung gebeten hat, kann Kudla in seiner Forschungsarbeit keine Befangenheit erkennen. „Forscher brauchen Forschungsgelder, ich habe aber noch nie erlebt, dass der Projektträger deshalb Einfluss auf mich ausgeübt hätte – und mit den Patenten verdiene ich kein Geld, sie zählen in meinem Beruf vielmehr Veröffentlichungen“, so Kudla, der sich weiter auf seine Arbeit im Nationalen Begleitgremium freut: „Ich will diese Aufgabe gerne erfüllen, da ich keine wirtschaftlichen Interessen verfolge, die mit der Endlagersuche zu tun haben könnten – auch nicht im weitesten Sinne.“

Vor einer entsprechenden Nominierungsfrist an diesem Donnerstag fordert ihn die Grüne Kotting-Uhl dennoch zum Rückzug auf: „Meine Kritik hat nichts mit Herrn Kudla als anerkanntem Experten und seiner Person zu tun, aber die Ministerpräsidenten sollten die gesetzlichen Vorgaben respektieren und jemand anderen für das Begleitgremium nominieren – wir dürfen nämlich auf keinen Fall riskieren, dass das Vertrauen in die für die Endlagersuche so wichtige Gruppe erschüttert wird.“

Unabhängig von einzelnen Kandidaten hofft auch der Vorsitzende Klaus Töpfer auf, dass die Glaubwürdigkeit seines Gremiums erhalten bleibt: „Wir vertrauen sehr darauf, dass Personen berufen werden, die sich in gänzlicher Unabhängigkeit mit der schwierigen Fragen der Endlagersuche beschäftigen werden und diesbezüglich das Vertrauen der Bevölkerung wieder herstellen werden.“