Ende des Jahres steht der letzte Castortransport an. Der nächste soll nach Philippsburg, sagt Greenpeace. Doch die Chancen sind gering.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Franz Untersteller war noch Oppositionsabgeordneter, da verkündete er seine Devise für den Umgang mit Atommüll: Anders als die CDU stünden die Grünen "für Verantwortung statt St.-Florian". Die radioaktiven Rückstände dürften nicht allesamt ins niedersächsische Gorleben kommen, das damit als Endlager zementiert würde. Sie müssten nach dem Verursacherprinzip auch an den Reaktorstandorten zwischengelagert werden.

 

Heute, als Umweltminister, will Untersteller zumindest den ersten Teil des Versprechens einlösen. Man trete für ein "ergebnisoffenes, bundesweites Suchverfahren" nach einem Endlager ein, heißt es in der grün-roten Koalitionsvereinbarung. Grundsätzlich, bedeutet das, komme also auch Baden-Württemberg in Betracht. Für das Vorgehen hat der Grüne soeben konkrete Vorschläge gemacht: In mehreren Phasen solle aus vier möglichen Standortgebieten mit Ton- und Salzgesteinen das geeignetste ausgewählt werden. Darunter könnten auch solche im Südwesten sein - Tonformationen nördlich des Bodensees und bei Ulm. Lob bekommt Untersteller dafür auch von der Umweltorganisation Greenpeace - allerdings mit Vorbehalt. "Glaubwürdigkeit entsteht erst, wenn das Land schon jetzt Verantwortung übernimmt", sagt der Greenpeace-Mann Tobias Münchmeyer. Damit mahnt er den zweiten Teil der Ankündigung vom Herbst 2010 an: Damals nämlich plädierte der Abgeordnete für einen Vorschlag der Umweltorganisation, Castorbehälter mit wieder aufbereitetem Atommüll auch in die Zwischenlager an den Kernkraftwerken zu bringen. Es wäre "mehr als angemessen", wenn er wieder bei den Erzeugern lande. Die damalige Stuttgarter Umweltministerin Tanja Gönner (CDU) hatte die auch von ihrem niedersächsischen FDP-Kollegen Hans-Heinrich Sander aufgegriffene Idee umgehend zurückgewiesen. Angesichts der Laufzeitverlängerung, so einer ihrer Einwände, sei in den Zwischenlagern ohnehin kein Platz.

Nun, Ende November oder Anfang Dezember, steht der nächste (und zugleich letzte) Castor-Transport aus der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague bevor. Dank des Atomausstiegs, argumentiert Greenpeace, sei das Problem der Platznot entfallen. Die Vorteile gälten dagegen nach wie vor, wenn die Castoren beispielsweise nach Philippsburg gebracht würden: die Transportstrecke wäre wesentlich kürzer - statt "quer durch Deutschland" führe sie bis kurz hinter die Grenze -, das Unfallrisiko geringer und der Polizeieinsatz deutlich günstiger. Der Zustimmung seines Umweltministers, appelliert Münchmeyer, müsse Ministerpräsident Winfried Kretschmann nun Taten folgen lassen: Er solle den inzwischen zur Hälfte im Landesbesitz befindlichen Energiekonzern EnBW dazu bewegen, Philippsburg für die Zwischenlagerung von Castoren zu öffnen und einen entsprechenden Antrag beim Bundesamt für Strahlenschutz zu stellen.

Atommüll soll bei Verursacher bleiben

Von sich aus sieht der Karlsruher Konzern "derzeit keinen Anlass", die Einlagerungsgenehmigung für Philippsburg erweitern zu lassen. Dies teilte ein Sprecher auf StZ-Anfrage mit. Auch Umweltminister Untersteller lässt offen, ob das Land die EnBW dazu ermuntern wird. Eines steht für ihn allerdings fest: Kurzfristig gebe es "keine Möglichkeit, an den Castortransporten nach Gorleben etwas zu ändern". Bis zu den nächsten Terminen sei die Zeit viel zu kurz, um einen entsprechenden Antrag zu bearbeiten. Eine Prognose für die Dauer des Genehmigungsverfahrens mag ein Sprecher zwar nicht geben - es seien schließlich Proteste oder sogar Klagen zu erwarten -, aber mit zwei Jahren rechnen Experten allemal. Zudem seien vermutlich An- und Umbauten notwendig, weil sich nicht alle Castorbehälter glichen. Der Greenpeace-Mann Münchmeyer lässt das nicht gelten: Wo ein Wille, da ein Weg - nach dieser Devise plädiert er für ein beschleunigtes Verfahren.

Grundsätzlich hält es Untersteller seinem Sprecher zufolge "nach wie vor für vernünftig", den Atommüll nach dem Verursacherprinzip zwischenzulagern. "Die Verursacher sind in der Pflicht", sagt auch die Atomexpertin der Grünen im Bundestag, Sylvia Kotting-Uhl. Doch der übernächste Transport - dann aus dem britischen Sellafield - steht laut Ministerium frühestens 2014 an. Bei der Endlagersuche soll in jenem Jahr nach Unterstellers Plan übrigens die erste Phase abgeschlossen sein: die Auswahl von vier Gebieten, die dann näher untersucht werden.