Am Freitag nimmt das Jugendhaus in Stuttgart-West endlich wieder seinen Konzertbetrieb auf. Full Of Hell, Phantom Winter und die Stuttgarter Band Wølfenstein versprechen eine sehr laute, sehr extreme Eröffnungsfeier.

S-West -

 

Es ist auf den ersten Blick ein durchaus ungewöhnliches Bild. Da sitzt ein Kerl mit Basecap, Mitte 30, übersät von Tattoos und gekleidet in eine Jeanskutte voller finsterer Aufnäher. Er erzählt gerade etwas von Hardcore, Sludge Metal und Punk, allesamt äußerst extreme und nach außen hin brutale Spielarten des guten alten Rock’n’Roll, als die Tür aufgeht und drei Jugendliche um die zehn Jahre äußerst schüchtern die Köpfe zur Tür reinstrecken. Erwartungsvoll schauen sie ihn an, ein breites Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus. „Ihr wollt Playstation zocken, oder?“, fragt er. Sie lächeln ebenfalls. Nicken. „Da müsst ihr noch ein bisschen warten. Wir besprechen hier gerade etwas.“

Florian Eymers Berufsalltag ist eben kein herkömmlicher. Der 36-Jährige ist gelernter Erzieher und festangestellt im Jugendhaus West (kurz: Juha West) in der Bebelstraße. Tagsüber kümmert er sich um die Kids, abends zeigt er ein anderes Gesicht. Nicht weniger freundlich, professionell und zuvorkommend. Aber aus musikalischer Sicht durchaus nicht alltäglich. Seit seinem absolvierten Praktikum im Jugendhaus kümmert er sich nämlich auch um den abendlichen Konzertbetrieb. Der richtet sich an ein dezidiert erwachsenes Publikum, an Freunde der härteren Gangart, und hat sich seit 2006 zu einem wichtigen Standbein der Stuttgarter Konzertlandschaft gemausert. So wichtig sogar, dass die Sanierung und die damit einhergehende Schließung im September 2016 eine klaffende Lücke hinterließ. „Die Leute haben gemerkt, dass wir geschlossen haben. Das hat durchaus gutgetan“, sagt Eymer.

Abschied vom Sauna-Feeling

Leicht ist es ihm dennoch nicht gefallen, in einer Stadt wie Stuttgart, die eher vom Clubsterben als von der Eröffnung neuer Live-Lokalitäten geprägt ist, auch noch eine weitere Bühne dichtzumachen. Zu umgehen war die Sanierung nicht: „Vor allem ging es um Brandschutzauflagen und die sanitären Anlagen“, so Eymer. „Seit 1983 wurde hier praktisch nicht saniert, weshalb die Stadt 2015 verfügt hat, dass hier etwas getan werden muss.“ Jetzt gibt es neuen Brandschutz, neue Toiletten und im Konzertsaal auch eine neue Lüftungsanlage. Das wird besonders die Kundigen freuen, die sich bei voller Hütte schon mal wie in einer Sauna gefühlt haben.

Am Freitag, 23. Juni, nimmt das Juha West also seinen Konzertbetrieb wieder auf. Zur Eröffnung versprechen die Amerikaner Full Of Hell, Phantom Winter und die Stuttgarter Wølfenstein eine sehr laute, sehr extreme Eröffnungsfeier, danach gibt es wieder in schöner Regelmäßigkeit Underground-Konzerte im Jugendhaus. Dass Häuser wie das Juha West, das Cann in Bad Cannstatt oder das Jugendhaus Hallschlag überhaupt mehr und mehr zu wichtigen Akteuren im Live-Betrieb der Stadt werden, ist durchaus merkwürdig. Und doch eine glückliche Fügung: Wo die hiesigen Konzertveranstalter oder Clubbetreiber lieber dreimal nachrechnen, ehe sie einen Insider-Tipp aus den Staaten nach Stuttgart holen und aus eigener Tasche draufzahlen, fällt es Eymer als Veranstalter eher leicht, wenn man etwas schief geht. Dennoch hat er den Anspruch, dass sich der Konzertbetrieb selbst trägt, kein Minus in die Jugendhauskasse frisst. „Klar würde das Haus ein etwaiges Minus auffangen, aber dafür fließt auch ein Überschuss direkt in die Jugendarbeit.“

Zwei Fliegen mit einer Klappe

Orte wie das Juha West bilden eine Szene ab, die nicht unbedingt überschwänglich viele Anhänger verzeichnet. Aber dafür für die Lebendigkeit, den Abwechslungsreichtum und die Strahlkraft einer Stadt sorgt. „Ich habe zumindest keine Lust, dass diese Szene in andere Städte abwandert, weil hier nichts für sie geboten wird.“ Ab Freitag lassen sich im Juha West also wieder zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Einem ungewöhnlichen Konzertprogramm lauschen – und mit jedem Bier etwas für die Jugendarbeit tun.