Die USA sind so nah und doch so fern: Zentralamerikanische Migranten stecken im mexikanischen Grenzort Tijuana fest. Aktivisten äußern Kritik an den Organisatoren der Karawane.

Korrespondenten: Klaus Ehringfeld (ehr)

Tijuana - Vom Sportstadion Benito Juárez in Tijuana bis zur Grenze zu den USA sind es gerade einmal hundert Meter. Die zentralamerikanischen Migranten, die in dem Stadion seit mehr als einer Woche ausharren, haben ihr Traumziel jeden Tag sehr nah vor Augen. Am Sonntag nun haben hunderte Menschen aus dem Flüchtlingstreck aus Zentralamerika in Tijuana die Grenze zu den USA gestürmt. Mindestens 500 Migranten versuchten, die Sperranlage zu überwinden.

 

Die Vereinigten Staaten schlossen daher die Grenze zwischen Tijuana und der US-Metropole San Diego, wie der US-Grenzschutz mitteilte. Am Sonntag hatte zunächst eine friedliche Demonstration der Migranten stattgefunden. Schließlich lösten sich mehrere hundert Teilnehmer aus dem Demonstrationszug, um die Grenze zu überwinden und in ihr Zielland zu gelangen. Unter ihnen waren auch Frauen mit Kindern. Die mexikanische Polizei konnte die Menge nicht aufhalten.

Mehr als einen Monat nach dem Aufbruch daheim in Honduras, Guatemala und El Salvador liegen mehr als 4000 Kilometer hinter den Migranten. Bisher ging es immer nur vorwärts. Aber hier, auf ihrer letzten Etappe in Mexiko vor dem großen Ziel steckt die Karawane fest. Die Menschen kommen nicht weiter, wollen aber auch nicht zurück. In Tijuana, der von Migranten gegründeten Stadt in der nordwestlichsten Ecke Mexikos, trifft die Zentralamerikaner nun die harte Realität. Sie merken, dass sie die Grenze zu den USA nicht so einfach überwinden können, wie sie es bisher in Zentralamerika und auch in Mexiko gemacht haben. Sie stehen hier nicht nur der geballten Aggression von US-Präsident Donald Trump gegenüber, sondern auch seiner schier unüberwindliche Grenzbefestigung, die er in den vergangenen Monaten noch einmal verstärken ließ.

„Niemand hat diesen Menschen gesagt, dass sich hier in Tijuana die Grenze zu den USA nicht so öffnet, wie das auf ihrem bisherigen Weg überall der Fall war“, sagt die Anwältin Soraya Vázquez und äußert damit auch indirekt Kritik an den Organisatoren der zentralamerikanischen Karawane. „Die Migranten kommen mit der Fantasie, dass die USA ihnen ihre Türen öffnen. Aber sie machen genau das Gegenteil. Sie schließen die Türen und möglicherweise sogar die ganze Grenze“, sagt Pfarrer Patrick Murphy, Direktor der Scalabriniani-Migrantenherberge in Tijuana. Es sei auch unverantwortlich, die Migranten in so einer großen Zahl dorthin zu bringen. 4700 Männer, Frauen und Kinder sind bereits in der Stadt, bis zu 5000 sind auf dem Weg. Murphy spricht vom humanitären Notstand.

Nur zehn Prozent haben Chancen auf Asyl

„Wenn sie die Geduld verlieren und versuchen, die Grenze in großen Gruppe ohne Papiere zu überwinden, kann es zu einem Unglück kommen“, sagte der aus New York stammende Pfarrer vor der Aktion am Sonntag. Er leitet die älteste Migrantenherberge in Tijuana leitet. Trump habe ja mehrfach angedroht, auch Gewalt gegen die Menschen einzusetzen, die in den USA ein besseres Leben oder Schutz vor Gewalt suchen. „Die Flüchtlinge dachten, sie bleiben hier drei, vier Tage, aber sie bleiben vermutlich drei, vier Monate.“ Und sie müssten meist ihren Traum von den USA durch einen Traum von Mexiko ersetzen.

Die Anwältin Vázquez, die Flüchtlinge in Rechtsfragen berät, kritisiert auch, dass die Zentralamerikaner viel zu spät über ihre Möglichkeiten aufgeklärt wurden. Hunderte gingen davon aus, dass sie in den Vereinigten Staaten Asyl bekommen könnten. „Aber nicht einmal zehn Prozent der Menschen in der Karawane erfüllen dafür die Voraussetzung“, betont Vázquez. Die USA hätten in den vergangenen Monaten die Asylgründe immer weiter eingeschränkt. Heute reicht eine allgemeine Gefahrensituation durch die Gewalt der Jugendbanden nicht mehr aus.

Mexiko will Arbeitsvisa ausstellen

US-Präsident Trump erneuerte derweil seine Drohungen gegenüber den Migranten. Diese dürften nur dann einreisen, „wenn ihre Ansprüche vor Gericht einzeln genehmigt werden“, schrieb er am Samstag auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. „Wir werden nur diejenigen ins Land lassen, die legal kommen.“ Ansonsten greife „unsere sehr starke Politik des Ergreifens und Festnehmens“. Eine Lösung des Konflikts könnte sich aber Anfang Dezember abzeichnen, wenn der Linkspolitiker Andrés Manuel López Obrador das Präsidentenamt von Enrique Peña Nieto übernimmt. López Obrador hat den Zentralamerikanern bereits mehrfach in Aussicht gestellt, in Mexiko bleiben zu können.