Der BBC-Dreiteiler „Hard Sun“ um den nahenden Weltuntergang könnte die übliche Action-Kanonade im Endzeit-Fach sein. Aber was ist Verschwörung und was Realität?

London - Wenn jemand einen Datenträger voll aufwändig gestalteter Infos darüber unters Volk brächte, dass (nur so ein Beispiel) unser Sonnensystem kollabiert und alles Leben auf Erden vernichtet – was würden liberale, kluge, gebildete wohl Menschen denken? Genau: noch eine berechenbar blödsinnige, aber seltsam faszinierende Verschwörungstheorie. Wie Impfkartelle, Chemtrails, islamische Invasionen, also gefährlich verlockender Blödsinn. Charlie Hicks und Elaine Renko aber – beide liberal, klug, gebildet – zweifeln nur kurz am apokalyptischen Gehalt von besagtem USB-Stick, der den zwei Londoner Polizisten zugespielt wird. „Wie lang haben wir noch“, fragt der Kommissar seine Kollegin und bricht bei der Antwort in Tränen aus.

 

Mit dieser Aussicht endet der erste von drei Teilen eines BBC-Thrillers, den das ZDF seit Montag in seiner Mediathek zeigt und sieben Tage später im Hauptabendprogramm. Doch auch rings um die himmelschreiende Erkenntnis vom jüngsten Gericht durchleiden die beiden Cops ein mal eiskaltes, mal siedend heißes Wechselbad, in das „Hard Sun“ jede, wirklich jede der gut dreihundert Filmminuten taucht. Nachdem das frühere Supermodel Agyness Deyn als Detective Inspector Renko gleich zu Beginn in ihrer Wohnung furchtbar verdroschen und anschließend fast verbrannt wird, begrüßt ihr Vorgesetzter Hicks (Jim Sturgess) die sichtlich gezeichnete Kollegin in seinem Ermittlerteam, das es sogleich mit der Leiche eines Computerhackers zu tun kriegt, der genüsslich inszeniert von einem Hochhaus stürzt.

Groteske Gewalt

Was ein bestialischer, nicht aber undenkbarer Mord zu sein scheint, entpuppt sich indes rasch als Teil eines größeren Puzzles, das diverse Ingredienzien einer saftigen Verschwörungstheorie enthält: Dem Toten wurde nämlich besagter USB-Stick zum Verhängnis, dessen Inhalt der Geheimdienst mit aller Gewalt bis hin zum Mord verhindern will, um Chaos und Anarchie zu verhindern. Als der drohende Weltuntergang natürlich publik wird und die Gerüchteküche der sozialen Netzwerke zum Brodeln bringt, versucht die undurchsichtige MI5-Agentin Grace Morrigan (Nikki Amuka-Bird) nicht nur alles, um die Glaubwürdigkeit der Sensationsmeldung infrage zu stellen; sie treibt auch permanent Keile zwischen den werdenden Vater Hicks und die einzelgängerische Renko.

Oberflächlich betrachtet ist „Hard Sun“ demnach eine Action-Kanonade voll grotesker Gewalt, Verfolgungsjagden und Explosionen in Zeitlupe, die dem Publikum von der allerersten Sekunde an nicht die kleinste Atempause gönnt. Dass der Dreiteiler auch für Gegner solcher Extraportionen Testosteron erträglich bleibt, liegt an Showrunner Neil Cross und seinen drei Regisseuren Brian Kirk (1. Teil), Nick Rowland (2. Teil), Richard Senior (3. Teil). Gemeinsam schaffen sie es nämlich, die alles entscheidende Frage versiert in der Schwebe zu halten: Droht der Erde wirklich das Ende oder ist es bloß eine Verschwörungstheorie in der Verschwörungstheorie in der Verschwörungstheorie?

Dunkel dräuende Musik

Wenn Populisten mit der Nachricht vom Untergang auf Stimmenfang gehen, wenn ein Priester massenhaft Samariter tötet, um Gottes Gerechtigkeit zu prüfen, wenn sich ausgerechnet Renkos eigener Sohn als Täter des anfänglichen Angriffs auf seine Mutter erweist, wenn der MI5 ihn deshalb als Köder benutzt, wenn überhaupt jeder jederzeit vom Guten zum Bösen und wieder zurück wechseln kann, dann bleibt beim Zusehen eine Anspannung erhalten, die manches Klischee vergessen macht. Wie im Endzeitgenre üblich, regnet es ja auch hier stets zur dunkel dräuenden Musik, sobald was Besorgniserregendes im Anzug ist. Parkhäuser sind da grundsätzlich verlassen, Kirchen sonderbar diabolisch und fatale Verletzungen nur dann tödlich, wenn es ins dramaturgische Konzept passt.

Schlimmer ist allerdings bei weitem die Synchronisation. Während die schwer lesbare Elaine Renko im englischen Original eine angenehm brüchige, zugleich aber trotzige Melancholie ausstrahlt, erinnert sie in der deutschen Übersetzung an hysterische Hausfrauen im Gesamtschulkursus Theater, Klasse 11. Dasselbe gilt für den grüblerischen Charlie Hicks, der mehr nach Waschmittelwerbung als Fernsehschauspiel klingt – wie überhaupt fast jeder Tonfall sämtlicher Protagnisten Werbejingles näher ist als Method Acting. Aber sei’s drum – so lauten offenbar die Regeln im Krachbummbangmetier. Und am Ende erweist sich die Verschwörungstheorie vom Weltuntergang schließlich als – nein, dass muss man schon selbst erleben. Es lohnt sich.

ZDF, ab 16. April, 22.15 Uhr; alle drei Folgen bereits in der Mediathek