Häuser dick einzupacken, spart eine Menge Energie. Doch wer nicht richtig plant, handelt sich Schwierigkeiten ein. Experten haben auf einem Kongress im Stuttgart die wichtigsten Problemzonen diskutiert.

Stuttgart - Es gibt schon feine Dämmstoffe: Silikat-Aerogele zum Beispiel. Das Hightech-Material, das zum größten Teil aus feinsten Luftblasen besteht, glänzt mit einer beeindruckend niedrigen Wärmeleitfähigkeit. Es kommt eigentlich aus dem Flugzeug- und Raketenbau, findet sich mittlerweile aber auch in ein bis vier Zentimeter dünnen Dämmplatten für den Innenbereich. Da diese aber sehr teuer sind, werden sie vor allem dort empfohlen, wo es auf jeden Zentimeter Wandstärke ankommt – beispielsweise hinter Heizkörpern. Das auf Wärmedämmung spezialisierte Unternehmen Sto will nun Dämmmatten, die auf Aerogelen basieren, bald auch für den Außenbereich anbieten. Das Zulassungsverfahren laufe, hieß es auf der Clean Energy Building (CEB).

 

Die internationale Fachmesse für energieeffiziente Gebäude, technische Gebäudeausrüstung und regenerative Energieerzeugung fand dieser Tage zusammen mit einem Kongress auf der Messe Stuttgart statt. Ein Schwerpunktthema war die Sanierung von Gebäuden. Dabei wurde deutlich, dass die immer dicker werdende Wärmedämmung der Häuser nach wie vor auch in der Fachwelt für heftige Diskussionen sorgt – immer wieder war vom „Wärmedämmwahnsinn“ die Rede. Andererseits verbrauchen gut gedämmte Gebäude zweifellos weniger Energie, und zwar im Winter zum Heizen und im Sommer zum Kühlen.

Die Skepsis gegenüber dick gedämmten Häusern hängt zweifellos auch damit zusammen, dass Wärmedämmverbundsysteme, kurz WDVS genannt, „nun einmal Null-Fehler-Systeme sind“, wie es der österreichische Bausachverständige Michael Hladik formuliert, also hohe Ansprüche an Planung und Ausführung stellen. Auf dem Seminar „Energieeffiziente Sanierung im Bestand: Fokus Gebäudehülle“ referierte der Experte für Wärmedämmung über die Lebensdauer von WDVS-Fassaden. Diese werde in Tabellen mit einer Spannweite von 25 bis 45 Jahren angegeben. Aus eigener Erfahrung – und in Übereinstimmung mit anderen Experten – geht Hladik aber davon aus, dass gedämmte Fassaden auch noch deutlich länger als 40 Jahre halten können.

Auch ein schickes Design muss funktionieren

Allerdings müssen sie dann auch, so der Sachverständige, „gehegt und gepflegt“, also regelmäßig gewartet werden. Und wenn es nicht schon nach wenigen Jahren zu erheblichen Schäden kommen soll, muss die Dämmung im Detail sorgfältig durchdacht und geplant werden. Gerade daran hapere es aber immer wieder, klagt Hladik: „Das allerwichtigste Baumaterial ist Hirnschmalz – und das wird heute oft nicht mehr verwendet.“ Seine These belegt er mit zahlreichen Bildern schadhafter Fassaden, bei denen schon die Planung mangelhaft war. Dabei bekommen auch die Architekten ihr Fett weg: Auch ein hübsches Design müsse funktionieren. „Da wird schnell gezeichnet, aber nicht fertig gedacht“, sagt Hladik.

Besonders anfällig für Fehler bei Planung und Ausführung sind Ecken und Kanten aller Art sowie Übergänge, an denen unterschiedliche Materialien beteiligt sind, etwa Blechabdeckungen oder Steinsockel. Und natürlich spielt auch die Verarbeitung eine wichtige Rolle. Wenn die Spalten zwischen Dämmplatten unzulässig groß sind und dies vor dem Verputzen nicht beseitigt wurde, droht Ungemach: Dann zeichnen sich die Fugen nicht nur nach wenigen Jahren als unschöne dunkle Linien von außen ab, es kann auch Wasser eindringen und beispielsweise eine Mineralwolledämmung von der Wand her durchnässen.

Auch bei Flachdächern führen Konstruktionsmängel und Pfusch beim Bau immer wieder zu massiven Problemen. Das betrifft auch die energetische Sanierung alter, nur schlecht oder gar nicht gedämmter Dächer, wie der Bausachverständige Dietrich Hinz berichtet: „Wenn man die alte Dämmung einfach auf die neue legt und dabei die alten Dachbahnen durchsticht, erzeugt das neue Schadstellen.“ Die Aufdoppelung, wie diese Sanierung im Fachjargon heißt, kann bei Flachdächern aber auch noch andere Probleme mit sich bringen: Durch die nun viel dickere Dämmung gelange kaum noch Wärme aus dem Gebäudeinneren nach außen, gibt Hinz zu bedenken. Dadurch taue – im Gegensatz zu früher – im Winter kaum noch Schnee, Eis und Reif von unten her weg. Die Folge seien höhere Dachlasten, was statisch zu berücksichtigen sei.

Die Lebensdauer der Fassade verlängert sich

Auch bei Fassaden ist einiges zu prüfen und zu bedenken, wenn man eine bestehende Wärmedämmung aufdoppeln möchte. Dass diese Form der Renovierung allerdings generell ein guter Weg ist, daran lässt Walter Schläpfer keinen Zweifel aufkommen. Als positiv bewertet der Experte des Schweizerischen Maler- und Gipserunternehmern-Verbandes unter anderem den geringeren Energieverbrauch, den höheren Wohnkomfort sowie eine gute Ökobilanz, weil die alte Dämmung nicht entsorgt werden muss, also kein Abfall entsteht. Außerdem verlängere sich durch diese Maßnahme nach den bisherigen Erfahrungen wohl insgesamt die Lebensdauer der Fassade. Dem stehen die Kosten für die fachgerechte Dämmung und die Anpassung von Fensterbänken und Dachvorsprüngen an die nun dickeren Wände gegenüber. Zu bedenken ist auch, dass die Maßnahme von den Behörden genehmigt werden muss, wenn durch die höhere Wanddicke zulässige Grenzabstände überschritten werden.

Bevor die neuen Dämmplatten aufgebraucht werden, ist allerdings eine sorgfältige Prüfung des bestehenden Wärmedämmsystems fällig. „Keine Aufdoppelung ohne bauphysikalische Beurteilung des Wandaufbaus durch eine Fachkraft“, mahnt der Experte aus der Schweiz. Eventuelle Schäden müssen unbedingt beseitigt werden. Außerdem müsse man vorab prüfen, wie gut die alten Platten haften: Dazu wird ein Stück neue Dämmung aufgeklebt und nach dem Trocknen aus der Fassade herausgebrochen. Die Bruchstelle sollte dann nicht an der Klebefläche zwischen neuer und alter Platte liegen, sondern im Dämmmaterial.

Wie die anderen Fassadenexperten weist auch Walter Schläpfer in seinem Vortrag immer wieder darauf hin, wie wichtig eine fachgerechte Planung und Ausführung auch kleiner Details ist. „Hier sind wir wieder beim Denken“, sagt er. Und er gibt auch zu bedenken, dass eine fachgerechte Ausführung sowie geeignetes Material seinen Preis haben – etwa wenn er empfiehlt, dass man „die Farbe nicht nach Aktionspreis, sondern nach bauphysikalischen Gesichtspunkten auswählen sollte“.

Die rechtlichen Regeln zum Energiesparen

Verordnung
Die Energieeinsparverordnung (kurz: EnEV) soll den Bedarf an Energie reduzieren, der für die Beheizung und Kühlung eines Gebäudes sowie die Warmwasserbereitung erforderlich ist. Dies lässt sich sowohl durch eine bessere Wärmedämmung von Wänden, Dach und Fenster erreichen als auch durch eine optimierte Heiz- und Lüftungstechnik. Bei der Modernisierung von Altbauten, die mit größeren baulichen Veränderungen wie etwa Erneuerung von Fassade, Fenster oder Dach verbunden sind, müssen Maßnahmen zur Verringerung des Energiebedarfs ergriffen werden.

Novelle
Seit ihrem Inkrafttreten im Jahr 2002 wurde die Verordnung mehrfach verschärft. Am 6. Februar 2013 hat nun die Bundesregierung einen Entwurf zur neuen EnEV beschlossen, die auch auf die verschärften Anforderungen der Europäischen Union berücksichtigt. Demnach ist vorgesehen, dass der Jahres-Primärenergiebedarf bei Neubauten in den Jahren 2014 und 2016 um jeweils 12,5 Prozent sinken soll. Für bestehende Gebäude ist keine gesetzliche Verschärfung der bestehenden Bestimmungen zur Reduzierung des Energiebedarfs vorgesehen.