Das Land hat das Potenzial für Windkraft ermittelt. Die Zahlen sind durchaus überraschend.

Leonberg - Es läuft nicht so richtig mit der Windkraft. Von Januar bis September sind in Baden-Württemberg lediglich zwei Anlagen ans Netz gegangen, 2016 waren es im gleichen Zeitraum immerhin 95. Und selbst die Zukunft des Grünen Heiners, Stuttgarts einzigem Windrad, ist offen. 2020 läuft die Betriebsgenehmigung aus, wie es danach weitergeht, steht noch nicht fest.

 

Einem grünen Umweltminister kann das nicht gefallen. Franz Untersteller hat deshalb berechnen lassen, wo es theoretisch noch Potenzial für Windkraftanlagen gibt. Das Ergebnis: Rund 12 000 geeignete Anlagenstandorte gibt es demnach im Land, die 125 000 Gigawattstunden Strom pro Jahr produzieren könnten. „Das ist erheblich mehr, als wir bislang angenommen haben“, sagte Untersteller, als er die Analyse vorstellte. Nun gelte es, diese Flächen so weit wie möglich planerisch zu sichern und für den Ausbau der Windenergie zu nutzen.

20 Anlagen für Weil der Stadt und Mönsheim

Aber was steht in dem Papier, das die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) erstellt hat, konkret? Die Zahlen scheinen hoch und für manche erschreckend. Demnach gäbe es in Leonberg Potenzial für 14 Windkraftanlagen. Noch mehr Wind weht in Weil der Stadt und Mönsheim. Jeweils 20 Anlagen sieht die Untersuchung dort vor. In Renningen und Weissach sind es immerhin jeweils noch 15, in Heimsheim 13 Windräder.

Aber sind solche Zahlen wirklich realistisch? Zuständig für die Ausweisung von Windkraftstandorten sind die Regionalverbände. „Diese Potenzialanalyse regt die Diskussion an, sie schafft aber kein Baurecht“, sagt Thomas Kiwitt, der Technische Direktor beim Verband Region Stuttgart (VRS).

Man könne an den Zahlen ablesen, wo überhaupt Wind weht, und wo Windkraft auf gar keinen Fall möglich ist, weil dort zum Beispiel ein Naturschutzgebiet liegt. „Bevor sie aber gebaut werden, müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein“, erklärt Kiwitt. Zuerst steht jetzt die Regionalplanung an, die weitere Faktoren mit- einbezieht. Im zweiten Schritt muss es für jede Anlage ein Genehmigungsverfahren geben, das die Auswirkungen zum Beispiel auf den Lärm und den Artenschutz prüft. „Und am Anfang muss ohnehin immer die wichtigste Voraussetzung erfüllt sein“, erklärt der VRS-Direktor. „Es muss nämlich der Grundstücksbesitzer seine Fläche zur Verfügung stellen.“ Die Genehmigungsverfahren greifen nicht in die Eigentumsrechte ein.

Auch beim Regionalverband Nordschwarzwald, der für den Enzkreis zuständig ist, nimmt man die Potenzialanalyse zur Kenntnis. „Das ist ein interessanter Ansatz“, sagt der dortige Verbandsdirektor Matthias Proske. Klar sei aber, dass die hohen Zahlen nicht realisiert werden. Wie es jetzt weitergeht, müsse auch im Nordschwarzwald die weitere Regionalplanung zeigen.

Dafür weisen die Verbände sogenannte Windvorranggebiete aus. Das einzige Gebiet im Kreis Böblingen, das zuletzt in Frage kam, befindet sich in Weil der Stadt, nämlich an der Grenze zu Heimsheim. Auch die Nordschwarzwälder sahen viel Potenzial in Heimsheim.

Planung auf Eis gelegt

Im Mai jedoch hatten beide Regionalverbände ihre Planungen aufs Eis gelegt. Damals hatte das Umweltministerium einen neuen Windatlas für Baden-Württemberg veröffentlicht. Weil darin steht, wo wie viel Wind weht, ist das die Grundlage für die Planungen. Und diese Daten haben sich im Vergleich zum Vorgänger-Dokument von 2011 kräftig geändert. Zum Beispiel an der Kreisgrenze Böblingen-Ludwigsburg ist der Wind demnach kräftiger, als zuvor vermutet.

„Wir werden am 27. November in der Sitzung unseres Planungsausschusses beraten, wie wir weitermachen“, kündigt Matthias Proske an. Entweder wird die Suche nach Windvorranggebieten komplett neu aufgerollt, oder an die aktuellen Daten angepasst.

Wie es in der Region Stuttgart weitergeht, steht ebenfalls noch nicht fest. Neben dem neuen Windatlas müsse er jetzt auch das Klimaschutzpaket der Bundesregierung erst abwarten, berichtet Thomas Kiwitt. Darin ist nämlich zu lesen, dass der Abstand der Windkraftanlagen zur Wohnbesiedlung auf 1000 Meter erhöht werden soll – es sei denn, die Länder treffen eigene Regelungen.