Energie für Baden-Württemberg Südwesten braucht Wasserstoff– woher soll er kommen?
Baden-Württemberg braucht das Zukunftsgas. Ein Großteil muss importiert werden. Eine Studie zeigt, woher der Wasserstoff kommen soll – und zu welchem Preis.
Baden-Württemberg braucht das Zukunftsgas. Ein Großteil muss importiert werden. Eine Studie zeigt, woher der Wasserstoff kommen soll – und zu welchem Preis.
In einem klimaneutralen Energie- und Wirtschaftssystem soll Wasserstoff im Südwesten künftig eine zentrale Rolle spielen. CO2-neutral erzeugt, soll dieser künftig in neuen Reservekraftwerken Strom erzeugen, wenn nicht genug Wind- und Sonnenstrom da ist. Doch der Weg hin zur Wasserstoffwirtschaft ist lang: Bis zum Jahr 2032 soll ein insgesamt 9000 Kilometer langes Leitungsnetz entstehen, doch es gibt noch keinen Plan für die Verteilnetze. Der Größte Haken bleibt die Verfügbarkeit: Wie viel Wasserstoff der Südwesten selbst herstellen kann und wie viel andere Länder liefern können, ist noch unklar. Benötigt werden große Mengen. Laut Nationaler Wasserstoffstrategie (NWS) müssen 2030 davon 50 bis 70 Prozent aus dem Ausland importiert werden. Von wo könnte Baden-Württemberg Wasserstoff beziehen? Zu welchem Preis? Und wie? Ein Überblick.
Wird schon jetzt Wasserstoff gebraucht? Ja, und zwar nicht zu knapp. Verbraucht werden in Deutschland laut NWS jährlich rund 1,65 Millionen Tonnen Wasserstoff mit einem Energiegehalt von rund 55 Terawattstunden vor allem von der chemischen Industrie. Die jüngste Fassung der Wasserstoffstrategie nimmt für das Jahr 2030 einen zusätzlichen Wasserstoffbedarf zwischen 40 bis 75 Terawattstunden an. Zusammen mit dem aktuellen Bedarf ergibt sich daraus ein Gesamtbedarf von 95 bis 130 Terawattstunden. Enthalten sind darin auch Wasserstoffverbindungen wie beispielsweise Ammoniak oder Methanol.
Woher soll der Wasserstoff kommen? Als mögliche Wasserstoff-Lieferanten für den Südwesten ziehen Forscher des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg in einer Studie acht Exportregionen in Betracht: Algerien, Marokko, Spanien, Schottland, Norwegen, Finnland, die Vereinigten Arabischen Emirate und Kanada. In diesen Länden sehen die Studienautoren großes Potenzial für den Ausbau der Solar- und Windenergie. Dieser Ökostrom soll Elektrolyseure antreiben, jene Anlagen, die Wasser mit Hilfe von Strom in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegen. Kommen dabei erneuerbare Energien zum Einsatz, wird der Wasserstoff „grün“ genannt. Mit Pipelines und Schiffen soll die klimafreundliche Energie dann in den Südwesten kommen, heißt es in der Studie im Auftrag des baden-württembergischen Umweltministeriums.
Könnte sich Baden-Württemberg selbst versorgen? „Eine wettbewerbsfähige H2-Produktion ist in Baden-Württemberg möglich“, sagen die Fraunhofer-Experten in der Studie. Das Zukunftsgas könnte im Südwesten sogar zu vergleichsweise geringen Kosten hergestellt werden: für 4,3 bis 4,9 Euro pro Kilogramm im Jahr 2032 und nur noch 3,4 bis 3,8 Euro pro Kilogramm bis 2040. Zur Einordnung: Eine Tonne Wasserstoff entspricht dem durchschnittlichen jährlichen Strom-Energieverbrauch von elf Drei-Personen-Haushalten in einem Mehrfamilienhaus.
Der Knackpunkt: Für eine„großtechnische lokale Wasserstoffproduktion“ werden in Baden-Württemberg nicht genügend Erneuerbare ausgebaut werden können, da diese laut den Forschern zunächst als „Ersatz“ für die fossile Energieerzeugung genutzt werden. Weil in Zukunft aber immer mehr Strom benötigt wird, gehen die Forscher davon aus, dass „nur ein geringer Anteil des Wasserstoffbedarfs durch eine lokale Produktion gedeckt werden kann.“
Soll es auch im Südwesten trotzdem Elektrolyseure geben? Ja, mit mehr als 100 Millionen Euro will das Haus von Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) Unternehmen im Südwesten bei Erzeugung von Wasserstoff unter die Arme greifen. Einer Ministeriumserhebung zufolge steige der Bedarf an grünem Wasserstoff schneller und deutlich höher als bislang angenommen. Das Kernnetz decke jedoch nicht alle Regionen ab, die heimische Wertschöpfung soll diese Lücke füllen. „Es ist dabei wichtig, dass wir uns nicht nur auf die geplanten großen Wasserstoffnetze verlassen, sondern rechtzeitig auch lokale Infrastrukturen aufbauen“, mahnt Umweltministerin Walker. Gefördert werden Wasserstoff-Anlagen, die Erzeugung, Speicherung, Verteilung und Nutzung des Energieträgers verbinden. Die Projekte sollen eng mit dem regionalen Stromnetzausbau und dem Ausbau erneuerbarer Energien abgestimmt sein.
Was kostet der Wasserstoff? Bei Wasserstoff-Importen über Pipelines aus Nord- und Ostdeutschland sowie Schottland, Finnland und Spanien entstehen der Fraunhofer-Studie zufolge die geringsten Kosten. Teurer wird das Zukunftsgas, wenn es aus Algerien und Marokko kommt. Die Gründe: längere Transportwege und ein Länderrisiko. Grundsätzlich gelte: Eine hohe Auslastung des Pipelinenetzes verringere die Kosten. Dabei spielen große Erstabnehmer wie mit Wasserstoff laufende Reservekraftwerke eine wichtige Rolle. Doch seit dem Ampel-Aus liegt Bundeswirtschaftsminister Robert Habecks (Grüne) Gesetz zum staatlich geförderten Bau moderner Gaskraftwerke auf Eis. Während sich die Kosten für Pipeline-Importe laut den Karlsruher Forschern im Jahr 2032 zwischen 3,2 und 6,0 Euro pro Kilogramm einpendeln, sinken sie mit höherer Auslastung des Netzes bis 2040 auf 2,4 bis 4,3 Euro je Kilogramm.