Alle wollen die Energiewende, doch bei neuen Windrädern gibt es offenbar Widerstand. Das musste auch das Umweltministerium feststellen.

Stuttgart - Es ist eine der wichtigsten Anliegen der grün-roten Landesregierung und eigentlich sollte sie am Dienstag im Kabinett verhandelt werden. Doch nun ist die Ausweitung der Windkraftanlagen für eine Woche zurückgestellt. Man sei mit den Vorbereitungen nicht fertig geworden, hieß es aus dem Stuttgarter Umweltministerium. Das zehn Punkte umfassende Eckpunktepapier, das eine massive Ausweitung der Flächen für die surrenden Rotoren vorsieht, soll nun kommenden Dienstag im Ministerrat durchgewinkt werden.

 

Es kann gut sein, dass ein Gegenwind von unerwarteter Seite den Koalitionären zu schaffen macht. Die Regionalverbände im Land sind mit den Plänen der Landesregierung absolut nicht einverstanden. Aber nicht, weil sie etwas grundsätzlich gegen den Ausbau regenerativer Energien und speziell der Windenergie hätten. Dem sei gewiss nicht so, versicherte Josef Offele, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Regionalverbände in Baden-Württemberg und ehemaliger Oberbürgermeister von Ettlingen, bereits im Juli dem Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Die Notwendigkeit zur Energiewende sei breiter gesellschaftlicher Konsens und da wollten die Regionalverbände gerne mittun. Jedoch halten die für die Flächenplanung zuständigen Gebietskörperschaften den bisher vorgelegten Entwurf für unausgegoren.

Automatisch "Ausschlussgebiet"

Die Grün-Roten planen die restriktive Politik der Windkraftnutzung, die noch aus Zeiten eines Ministerpräsidenten Erwin Teufel (CDU) stammte und nach ihrer Überzeugung nahezu einer Verweigerung gleichkam. Danach war jeder Hügel oder Bergkamm, der nicht ausdrücklich für die Windenergie zugelassen war, automatisch "Ausschlussgebiet". Als Folge dieser Schwarz-Weiß-Politik liegt der Südwesten im Bund am Ende der Windkraftskala.

Nun soll sich das Land der Windenergie öffnen. Das Eckpunktepapier verlangt, dass die bisherigen Wind-Regionalpläne aufgehoben werden. Die Verbände sind gehalten, neu zu planen. Aber auch den Kommunen räumt Grün-Rot jetzt die Möglichkeit ein, nach Gutdünken Windräder aufzustellen. Verboten ist das Summen der Rotoren allein in der Nähe von Wohnsiedlungen, Verkehrswegen und in Naturschutzgebieten wie der Schwäbischen Alb.

Gesamtbilanz von 2,5 Milliarden Megawatt

Bis 2020 sollen bis zu 1600 Anlagen von 2,5 Megawatt Leistung installiert sein und die Gesamtbilanz auf 2,5 Milliarden Megawatt hinaufgefahren werden. Der Regionalverband Bodensee-Oberschwaben hat 280 neue Standorte ausgewiesen. Insgesamt aber fürchten die Regionalverbände einen "Wildwuchs". Oder eben die Verweigerung. Es sei nicht gewiss, dass durch die neue Freiheit tatsächlich mehr neue Windanlagen entstünden, sagt der Waldshuter Landrat Tilman Bollacher, Vorsitzender des Regionalverbandes Hochrhein-Bodensee. Viele Gemeinderäte und Bürgermeister dächten noch immer ähnlich konservativ wie einst Erwin Teufel. Es sei nicht gesichert, dass die Windräder auch dort hinkämen, wo sie tatsächlich sinnvoll seien. Das Ganze führe zu einer "völligen Beliebigkeit", urteilt Bollacher. Sein Fazit: "Die Steuerung wird völlig falsch angegangen."

Regionalverbändechef Offele forderte Regierungschef Kretschmann auf, steuernd einzugreifen. Doch der Appell verhallt ungehört. Daran sei nicht gedacht, heißt es aus dem Umweltministerium. Die Regionalverbände seien aufgerufen, ausreichend Vorranggebiete auszuweisen. Dann entstehe das Problem erst gar nicht.

Baden-Württemberg liegt hinten

Energie Die global erzielbare Windenergie reicht nach einer Studie der Harvard-Universität mehr als aus, um den gesamten Weltenergiebedarf zu decken und mindestens bis zum 40-Fachen des weltweiten Bedarfs an elektrischer Energie.

Wind. In Deutschland drehten sich Ende 2010 genau 21607 Windenergieanlagen und erzeugten dabei eine Leistung von 27214 Megawatt. Trotz neuer Flächenausweisungen werden die Räume für neue Anlagen stark beschnitten.

Land In Baden-Württemberg waren Ende 2010 nur 368 Windkraftanlagen in Betrieb (467 Megawatt Leistung). Sie trugen 0,9 Prozent zur Elektrizitätsversorgung bei. Nur das Saarland erzeugte weniger Strom aus Windkraft. wom