Statt auf Windkraft will das Unternehmen künftig stärker auf Fotovoltaik und auf Nahwärmenetze setzen. Die Klage gegen die EnBW im Streit um das Hochspannungsnetz soll demnächst erfolgen.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Bei den Stadtwerken Stuttgart und allgemein in der Energiedebatte in der Stadt scheint es derzeit ruhig zu sein – doch hinter den Kulissen sind wichtige Entscheidungen gefallen. Wir fassen die neuesten Entwicklungen zusammen.

 

Neue strategische Ausrichtung

Vor wenigen Tagen hat der Aufsichtsrat der Stadtwerke Stuttgart entschieden, seine Strategie zu erweitern; vielleicht ist es sogar ein Kursschwenk. Künftig soll der Schwerpunkt auf dem Ausbau von Solaranlagen, Blockheizkraftwerken und Nahwärmenetzen liegen. Da dies ein sehr kleinteiliges Geschäft ist – um die Energieausbeute eines Windrades zu erzielen, benötigt man mehrere Hundert Solaranlagen auf Einfamilienhäusern –, wollen die Stadtwerke mehr Personal für diese Bereiche anstellen. Der Kauf fertiger Windparks irgendwo in der Republik, wie in der Vergangenheit geschehen, soll nicht mehr erste Priorität haben. Man wolle eine urbane Energiewende in Stuttgart; dazu sollen die Stadtwerke einen entscheidenden Beitrag leisten.

Lange war aber kontrovers darüber debattiert worden, wie viel Geld die Stadtwerke für diese Ziele erhalten sollen. OB Fritz Kuhn, der beim Energiethema bei den Bürgern im Wort steht, hat wohl letztlich ein Machtwort gesprochen. Die Rede ist jetzt von einem Etat in dreistelliger Millionenhöhe; das ist für ein kleines Stadtwerk wie Stuttgart mit 50 Mitarbeitern eine stattliche Summe. Der Beschluss sei im Aufsichtsrat in großem Konsens erfolgt.

Noch in diesem Jahr soll das Thema öffentlich im Ausschuss für Umwelt und Technik besprochen werden; darauf habe die SPD gedrängt, sagt deren energiepolitischer Sprecher Hans H. Pfeifer. Kritische Bürger wie Michael Fuchs vom Verein „Kommunale Stadtwerke“ begrüßen die Entscheidung als Schritt in die richtige Richtung; sie komme aber viel zu spät.

Warten auf das Energiekonzept

Tatsächlich wird das Energiekonzept, das OB Fritz Kuhn schon vor einem Jahr als Entwurf vorgelegt hat, erst im Frühjahr 2016 endgültig fertig – mehr als drei Jahre nach seinem Amtsantritt; dabei sollte die Energiewende ein Schwerpunkt in der Amtszeit werden. In den vergangenen Monaten wurde der Entwurf mit Fachleuten, Einrichtungen und Bürgern diskutiert; dennoch sei das Papier immer noch sehr theoretisch, ist zu hören. Es fehlten konkrete Pläne, welche Ziele wie und bis wann erreicht werden sollen. Zumindest muss man die neuen Schwerpunkte der Stadtwerke als wichtigen – und konkreten – Vorgriff auf das Energiekonzept verstehen.

Ein weiterer Punkt ist dem OB ebenfalls wichtig: Dass die beiden geplanten Windräder im Tauschwald ersatzlos wegfallen, will Kuhn nicht akzeptieren – er tüftelt an einem Alternativkonzept, in dem Fotovoltaik sicher auch eine wichtige Rolle spielen dürfte. Daran sollen die Bürger im Norden, die gegen die Windkraft demonstriert haben, mitarbeiten; demnächst wird es ein Gespräch im Rathaus geben.

Bewegung beim Strompreis

Zum 1. Januar 2016 werden die Stadtwerke ihren Preis für den Ökostrom um einen halben Cent pro Kilowattstunde senken. Unterm Strich spart eine Familie im Jahr gerade 17 Euro; die Stadtwerke behaupten aber, seither einen steilen Anstieg der Kundenzahl zu verzeichnen. Ein politisches Signal ist die Senkung auf jeden Fall; sie ist die Konsequenz daraus, dass das Stuttgarter Stromnetz nun abgekoppelt wird vom übrigen EnBW-Netz, und ein Großstadtnetz ist günstiger zu betreiben. Stadtwerke und EnBW sind nun die Betreiber.

Kritik gibt es trotzdem: Diese Senkung hätten die Stadtwerke viel besser vermarkten sollen, hört man in der politischen Szene, zumal die Stadtwerke nun günstiger sind als der Grundversorger EnBW. Gegenüber dem Ökotarif der EnBW sparen Stadtwerke-Kunden mit einem Verbrauch von 3500 Kilowattstunden etwa 34 Euro, gegenüber dem Grundpreis der EnBW sind es sogar 98 Euro pro Jahr.

Klage gegen die EnBW

Der Preis könnte noch günstiger sein, wenn der neue Netzbetreiber (also Stadtwerke und EnBW) auch das lukrative Hochspannungsnetz von der EnBW erhalten würde. Der Energiekonzern hält diese Forderung aber für unbillig; das Hochspannungsnetz sei nicht Teil des Konzessionsverfahrens gewesen. Dem Vernehmen nach hat der Aufsichtsrat nun beschlossen, Klage einzureichen; sie soll im Dezember erfolgen. Nach einer internen Prüfung und nach Rücksprache mit der Bundesnetzagentur sieht die Stadt gute Chancen, diesen Rechtsstreit zu gewinnen. Deutlich unsicherer ist die Situation beim Hochdrucknetz, bei dem ebenfalls strittig ist, ob die EnBW es weiter alleine betreiben darf.

Bürgerbegehren für das Fernwärmenetz

Beim Konzessionsverfahren im Jahr 2014 war ausgeklammert, was mit dem Fernwärmenetz geschehen soll, das derzeit ebenfalls die EnBW besitzt. In diesem Bereich ist die rechtliche Lage völlig unübersichtlich. Nun gibt es ein Bürgerbegehren zur Fernwärme: Das Stuttgarter Wasserforum und die Bürgerinitiative „Frischluft für Cannstatt“ haben die erforderlichen 20 000 Unterschriften zusammengetragen, wie eine Prüfung des Statistischen Amtes der Stadt ergab. Ziel des Bürgerbegehrens ist, dass die Stadt das Fernwärmenetz selbst betreibt, weil die Wärmeversorgung zur Daseinsvorsorge gehöre und weil langfristig die Stadt dafür sorgen könne, dass es in Stuttgart keine klimaschädliche Kohle- und Müllverbrennung mehr gebe, sagt Barbara Kern vom Wasserforum.

Die Stadt Stuttgart werde jetzt ein externes Gutachten erstellen lassen, in dem geprüft werden soll, ob das Bürgerbegehren rechtlich zulässig ist, sagt Sven Matis, der Sprecher der Stadt. Wenn dieses Gutachten vorliegt, werde sich der Gemeinderat mit dem Thema befassen.