Konsequentes Stromsparen könnte alle Kernkraftwerke überflüssig machen. Doch viele ziehen auch in Stuttgart nicht mit - oft aus Unwissenheit.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Derzeit reden sich alle die Köpfe heiß, wie viele Windräder, Fotovoltaikanlagen und Wasserkraftwerke gebaut werden müssten, um möglichst schnell alle deutschen Atomreaktoren abschalten zu können. Dabei wird gerne vergessen: der Strom, den man gar nicht erst verbraucht, ist doppelt wertvoll - man muss für ihn keine Kraftwerke bauen, und der Verbraucher muss ihn nicht bezahlen.

 

Und das Stromsparpotenzial ist gewaltig. Laut einer Studie des Umweltbundesamtes könnten bis zum Jahr 2015 in Industrie, Kommunen und Haushalten rund 110 Terawattstunden eingespart werden; das entspricht 20 Prozent des gesamten Stromverbrauchs in Deutschland. Der Anteil der Atomkraftwerke an der Stromerzeugung beträgt derzeit 23 Prozent. Sprich: allein das Stromsparen könnte die Reaktoren weitgehend überflüssig machen.

Verbraucher kümmern sich nicht um ihren Stromverbrauch

Die Wirklichkeit ist aber leider komplizierter. Denn viele Unternehmen und auch viele Privatpersonen kümmern sich kaum um ihren Stromverbrauch, schöpfen ihr Potenzial also nicht aus. Zudem nimmt der Energiehunger stark zu - in Baden-Württemberg wurden 1990 knapp 50 Terawattstunden verbraucht, heute sind es 70.

Dieser Trend lässt sich auch bei der Stadt Stuttgart ablesen, die seit den 90er Jahren ein Energiemanagement betreibt. 16 Mitarbeiter prüfen bei den 1400 städtischen Gebäuden den Stromverbrauch, machen Sparvorschläge und testen neue Verfahren - derzeit gibt es zum Beispiel einen Probelauf für LED-Straßenlampen. So konnte 2009 die benötigte Strommenge - rechnerisch bereinigt - um 16,6 Prozent verringert werden. "Insgesamt haben Kommunen ein Sparpotenzial von 30 bis 40 Prozent", sagt Jürgen Görres, der Leiter der Abteilung Energiewirtschaft.

Industrie und Handel können 40 Prozent einsparen

Allerdings: unterm Strich steigt auch bei der Stadt Stuttgart der Stromverbrauch leicht an - die Trendwende ist noch nicht geschafft. Görres führt dies auf viele Faktoren zurück: Die Ganztagesschulen werden ausgebaut, Schulküchen werden eingerichtet, Kläranlagen erhalten neue Reinigungsstufen. Er setzt letztlich auf zwei Faktoren: Es müssten neue stromsparende Technologien eingeführt werden, und der Mensch müsse noch bewusster Strom sparen. "Warum muss in einem Bürohaus den ganzen Tag das Licht im Flur brennen?", fragt Jürgen Görres. Rein rhetorisch, versteht sich.

Hohe Einsparpotenziale sieht das Bundesumweltministerium auch in der Industrie, im Handel und in Dienstleistungsbetrieben - sie verbrauchen 70 Prozent des Stroms. Bis 2020 könnte der Energiehunger laut Ministerium um 20 bis 40 Prozent reduziert werden, und zwar "zu wirtschaftlich vernünftigen Bedingungen". Allein der Einsatz moderner elektrischer Anlagen mit Drehzahlregelung könne den Verbrauch um 15 Prozent senken - das entspräche der Leistung von fast drei Reaktoren des Typs Neckarwestheim II. Das Umweltbundesamt fordert deshalb Instrumente, die "einerseits fördern und andererseits verbindlich fordern".

Neue Elektrogeräte helfen beim Sparen

Laut Hans-Jürgen Reichardt von der IHK Region Stuttgart besitzt das Thema Energiemanagement bei allen Firmen eine wachsende Bedeutung, auch wenn diese bei kleineren Betrieben ausbaufähig sei. Insbesondere in der Förder-, Luft- und Klimatechnik sowie bei Pumpen- und Druckluftsystemen werde stark geforscht, weil in diesem Bereich viel Strom eingespart werden könne. Laut Reichardt haben 2010 rund 800 Unternehmen an IHK-Veranstaltungen zu Energiethemen teilgenommen, 130 Betriebe haben eine Energieberatung gewünscht. "Der Strombedarf pro Maschine nimmt erfreulicherweise ab", so Reichardt. Wegen der guten Konjunktur steigt der Strombedarf insgesamt aber weiter.

Der Verbrauch der privaten Haushalte macht zwar lediglich ein Viertel aus, doch kann jeder mehr als nur ein Scherflein dazu beitragen, die Atomenergie überflüssig zu machen. Stiftung Warentest hat eine Musterrechnung aufgestellt: Ein Haushalt mit vier Personen, der ausschließlich alte Geräte besitzt und nun auf Ware der neuesten Generation umsteigt, könne den Stromverbrauch um 46 Prozent verringern. In barer Münze heißt das: die jährliche Stromrechnung sinkt von 933 auf 501 Euro. Am meisten Geld lässt sich sparen, wenn man nur noch Energiesparlampen verwendet. Hohe Quoten bringen auch eine neue Tiefkühltruhe und ein neuer Wäschetrockner.

Auch die Ölheizung braucht Strom

Stephan Kohler, der Vorsitzende der Geschäftsführung der Deutschen Energie-Agentur (Dena), setzt weniger auf neue Gesetze als auf Aufklärung: "Den Menschen muss klar werden, dass fast jede Maßnahme beim Stromsparen wirtschaftlich ist." Das Unwissen sei aber groß. So habe eine Umfrage der Dena ergeben, dass 50 Prozent der Hausbesitzer glauben, ihre Heizung laufe doch mit Öl und brauche gar keinen Strom. Dabei ist die Umwälzpumpe einer der größten Stromfresser im Haus.

Kohler hält aber auch schärfere Energiestandards für Elektrogeräte für notwendig. Zudem müsse man neue Wege gehen: Warum böten Stadtwerke oder Gerätehersteller nicht Kleinkredite an, damit sich mehr Menschen neue Geräte leisten könnten? Und warum gebe es keine Beratungsprogramme für Privathaushalte? Nach dem persönlichen Toptipp zum Stromsparen gefragt, muss Stephan Kohler nicht lange nachdenken: "Kaufen Sie nur noch Elektrogeräte der Klasse A++", empfiehlt er.

So macht man heimlichen Stromfressern den Garaus

Energiesparlampen Wer die alten Glühbirnen ganz ersetzt, kann 80 Prozent des Stroms für Licht sparen - allein dieser Posten macht bei einem Vierpersonenhaushalt im Jahr bis zu 170 Euro aus. Da rentiert sich die Investition schnell.

Heizungspumpe Im Keller sitzt oft ein sehr gieriger Stromfresser: Alte Heizungspumpen laufen rund um die Uhr, sommers wie winters. Eine neue drehzahlgeregelte Pumpe kostet zwar rund 400 Euro, spart aber über ihre 15-jährige Lebensdauer leicht 2000 Euro an Stromkosten.

Neue Geräte Elektrogeräte im Haushalt, vom Kühlschrank bis zum Fernseher, verbrauchen bis zur Hälfte des gesamten Stroms im Haushalt. Die Anschaffung neuer Geräte kann sich da lohnen: Eine neue Tiefkühltruhe benötigt oft 60 Prozent weniger Strom als das zehn Jahre alte Gerät. Beim Kauf muss unbedingt auf die Energieeffizienz des Gerätes geachtet werden; bei neuen Fernsehern gleicher Größe lassen sich beispielsweise Unterschiede von bis zu 70 Prozent beim Stromverbrauch feststellen. Einen Hinweis gibt das Umweltzeichen Blauer Engel.

Stand-by Oft belächelt und unterschätzt, aber in Wirklichkeit ein richtiges Ärgernis: Das Umweltbundesamt hat ermittelt, dass der Leerlauf aller Geräte in Deutschland vier Milliarden Euro an Stromkosten pro Jahr verursacht. Ein Haushalt kann 50 bis 70 Euro pro Jahr sparen, wenn nur Geräte verwendet werden, die sich ganz ausschalten lassen oder die mit schaltbaren Steckerleisten bewusst vom Netz getrennt werden. 

Mehr Informationen zum Stromsparen in privaten Haushalten unter www.energieeffizienz.de