Das Video mit elektrisierten Vögeln war im Internet ein Millionenhit. Nun bringt die EnBW eine Fortsetzung. Die neue Tonlage in der Werbung zeugt auch vom gewachsenen Selbstbewusstsein des Energiekonzerns.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuuttgart - Wenn junge Leute sich um einen Ausbildungsplatz bei der EnBW bewerben, erwähnen sie neuerdings immer wieder einen Film. Das „Video mit den Vögeln“ ist nach Auskunft eines Sprechers einer der Gründe, warum sie den landeseigenen Energiekonzern cool finden. Wer derart witzig für sich werbe, zeigt sich in den Vorstellungsgesprächen, gilt auch als attraktiver Arbeitgeber.

 

Gemeint ist ein gerade mal 70 Sekunden langer Animationsfilm, mit dem die EnBW Ende 2017 Furore machte. Drei schräge Vögel – eine Eule, eine Krähe und eine Taube – sitzen darin auf einer Stromleitung und lassen sich genüsslich „elektrisieren“. Ein hinzukommendes Eichhörnchen wird von den Stromstößen sogar derart gedopt, dass es plötzlich fliegen kann. All das begleiten die Tiere mit locker-launigen Kommentaren. „Guter Stoff, grüner Strom“, lautet die Botschaft des Clips – ein Hinweis auf den wachsenden Anteil regenerativer Energien bei dem einstigen Atomkonzern.

Elf Millionen Mal online aufgerufen

Gezeigt wurde der Streifen auch in großen Kinos, wo er verlässlich Lacher erntete. Vor allem im Internet aber, bei sozialen Netzwerken oder der Videoplattform Youtube fand er rasant Verbreitung. Mit inzwischen elf Millionen Aufrufen wurde er längst zum „viralen Hit“ – ein Erfolg, den sich die EnBW so nie hätte träumen lassen. Nun will der Karlsruher Konzern ihn fortschreiben: Anfang nächster Woche startet ein zweiter Film mit Eule, Krähe und Taube, intern „Vögel 2“ genannt. Diesmal geht es, ganz zeitgemäß, um E-Mobilität, neben dem Eichhörnchen kommt ein Robotervogel ins Spiel – mehr wird noch nicht verraten.

Gewiss, es ist nur Werbung. Doch darin spiegelt sich auch das wieder gewachsene Selbstvertrauen der EnBW, das durch Atomausstieg und Energiewende schwer erschüttert war. Nach dem Amtsantritt von Frank Mastiaux als Vorstandschef setzte man daher auf betont nüchterne Botschaften. „Energiewende. Sicher. Machen.“, lautete der erste Slogan, der einige Zeit später ganz ähnlich beim Konkurrenten RWE auftauchte. „Zukunft. Sicher. Machen“, warb der Energieriese aus Essen – was man in Karlsruhe jedoch nicht als Plagiat, sondern als Kompliment wertete.

„Wir machen das schon“, versprechen die Mitarbeiter

Im nächsten Schritt stellte die EnBW ihre Mitarbeiter in den Mittelpunkt. „Wir machen das schon“, versprachen sie auf Anzeigen oder Plakaten, in Kurzvideos erklärten sie ihren jeweiligen Beitrag zur Energieversorgung. Immerhin 150 Beschäftigte waren einem internen Aufruf gefolgt, sich als Werbebotschafter zur Verfügung zu stellen – mehr, als letztlich zum Zuge kommen konnten. Mastiaux und seine Leute werteten das als weiteren Beleg, wie sich die zeitweise stark verunsicherten Mitarbeiter wieder mit dem Unternehmen identifizierten, heißt es aus dem Konzern. Nach fünf Jahren des Umbaus schien den Marketing-Strategen die Zeit dann reif für eine neue Tonlage in der Kommunikation. Humorvoll, augenzwinkernd, sympathisch – so wollte man sich mit dem von der Agentur Jung von Matt/Neckar konzipierten Vogel-Video präsentieren. Aber würde das Publikum das akzeptieren? Oder könnte es Ärger geben wegen der vom Strom berauschten Fiedertiere? All das wurde vorab sorgsam untersucht. Für die EnBW sei die Entscheidung für den Film durchaus „mutig“ gewesen, sagt der einst zuständige Agentur-Geschäftsführer Mark Wilms.

Viel Lob und Preise für das Werbevideo

Doch das Wagnis wurde belohnt. Nicht nur bei den Zuschauern kamen die von „Sehsucht“ in Hamburg kreierten Vögel bestens an, wie sie in mehr als 11 000 Kommentaren bekundeten. „Sehr sympathischer Spot“, hieß es da, „selten so gelacht“, so lasse man sich Werbung gerne gefallen. Komplimente gingen an die Agentur („endlich mal wieder kreative Köpfe am Werk“) und das EnBW-Werbeteam, das eine „dicke Gehaltserhöhung“ verdient habe. Auch bei Branchen-Wettbewerben räumte das Video reihenweise Auszeichnungen ab – vorneweg den Preis des Art Directors Club in Bronze, Gold und Bronze beim Spotlight-Festival und erst dieser Tage den Titel „beste Werbeproduktion“ bei den Animago Awards. Selbst in den USA wurden die Karlsruher gleich zweimal gewürdigt, Fachmedien in Vietnam und Frankreich stellten den Film lobend heraus.

Der EnBW verhalf er übrigens nicht nur zu Lehrlingen, sondern auch zu einem neuen Manager. Seit Anfang Oktober arbeitet der einstige Agenturgeschäftsführer Wilms als „Markenchef“ bei dem Stromkonzern. „Director Brand & Reputation“ lautet seine offizielle Bezeichnung. Wenn „Vögel 2“ ähnlich einschlage wie der erste Teil, meint Wilms, dann könne es irgendwann auch noch eine dritte Folge geben.