Niedrige Preise an der Strombörse machen konventionelle Kraftwerke unrentabel. Die EnBW muss deshalb kräftig abschreiben. Insgesamt liegen die Sonderbelastungen bei 1,5 Milliarden Euro. Nun drohen dem Konzern rote Zahlen.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Stuttgart - Die Großhandelspreise für Strom werden sich nach Einschätzung der EnBW für längere Zeit nicht erholen. Auch in den kommenden Jahren sei „von einem anhaltend niedrigen Strompreisniveau auszugehen, das die zukünftigen erzielbaren Ergebnisbeträge der EnBW-Erzeugungskapazitäten, insbesondere bei Kohlekraftwerken, erheblich mindert“, teilte der Konzern am Dienstag mit. Daraus ergebe sich ein Wertberichtigungsbedarf auf den Kraftwerkspark von 1,2 Milliarden Euro.

 

Hinzu kommen sogenannte Drohverlustrückstellungen für Strombezugsverträge in Höhe von 0,3 Milliarden Euro. Die EnBW hat sich in diesen Verträgen verpflichtet, von anderen Versorgern bestimmte Strommengen zu einem festgelegten Preis abzunehmen. Liegt dieser Preis über dem am Markt erzielbaren Preis, ergibt sich daraus ein Verlust für die EnBW. Die Laufzeit der Bezugsverträge betrage oft mehrere Jahrzehnte, erläuterte ein Konzernsprecher. Nach seinen Angaben kauft Deutschlands drittgrößter Energiekonzern rund 16 Prozent des verkauften Stroms zu.

Die in einer Pflichtmitteilung für die Börse angekündigten Sonderbelastungen addieren sich auf 1,5 Milliarden Euro. Sie wirken sich nach Angaben der EnBW nicht auf das operative Ergebnis aus, an dem sich die Dividendenzahlung orientiere. Die Ausschüttung für das laufende Geschäftsjahr sei somit nicht gefährdet, betont der Konzern, an dem das Land Baden-Württemberg und der Zweckverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke je 46,75 Prozent halten. Unter dem Strich dürfte die EnBW allerdings in die roten Zahlen rutschen. Rechnet man den Jahresüberschuss im ersten Quartal – knapp 300 Millionen Euro – auf das Gesamtjahr hoch, ergäbe sich ein Plus von 1,2 Milliarden Euro. Unter Berücksichtigung der neuen Sonderbelastungen wäre es ein Minus von 300 Millionen Euro. Die Zahlen für das erste Halbjahr 2014 werden am 1. August veröffentlicht.

Die Großhandelspreise für Strom stehen schon seit Längerem unter Druck. Wurden im zweiten Halbjahr 2012 am Terminmarkt noch rund 50 Euro pro Megawattstunde (1000 Kilowattstunden) bezahlt, sind es aktuell weniger als 35 Euro. Ein Grund dafür ist der Einspeisevorrang für Ökostrom. Vor allem wenn die Sonne scheint und zugleich der Wind kräftig bläst, bewegen sich die Börsenpreise rasant nach unten. Wenn zugleich der Bedarf niedrig ist – etwa an Feiertagen oder Wochenenden – können sich kurzfristig sogar negative Strompreise bilden. Wer den überschüssigen Strom abnimmt, bekommt dann sogar noch Geld dazu. Private Stromkunden spüren von dieser Entwicklung wenig – im Gegenteil: Aufgrund der für viele schwer nachvollziehbaren Konstruktion des Erneuerbare-Energien-Gesetzes hat sich der Strom für sie sogar verteuert. Denn die EEG-Umlage fällt umso höher aus, je weniger Geld die Ökostromerzeuger an der Börse für ihren Strom bekommen.

Konventionelle Kraftwerke lassen sich unter den derzeitigen Marktbedingungen kaum rentabel betreiben. Besonders unwirtschaftlich sind klimafreundliche Gaskraftwerke, die an sich ideal geeignet wären, um die schwankende Stromproduktion aus Wind und Sonne auszugleichen. Aber auch Kohlemeiler rechnen sich immer weniger. Die EnBW will daher mehrere Anlagen stilllegen. Bei den Kraftwerksblöcken in Walheim und Marbach hat die Bundesnetzagentur diesen Schritt allerdings abgelehnt, weil diese Kraftwerke als systemrelevant für einen sicheren Netzbetrieb eingestuft werden. Die EnBW hat gegen den Beschluss geklagt. Eine Entscheidung steht noch aus. Konzernchef Frank Mastiaux hält die für einen erzwungenen Weiterbetrieb vorgesehenen Ausgleichszahlungen für zu niedrig. Auch die beantragte Stilllegung zweier EnBW-Kraftwerksblöcke in Heilbronn wird wohl abgelehnt werden, Ein endgültiger Bescheid der Netzagentur liegt hier aber noch nicht vor.

Auch die anderen großen Versorger leiden unter der Situation am Strommarkt. So musste der nach Eon zweitgrößte deutsche Energiekonzern RWE im vierten Quartal 2013 insgesamt 3,3 Milliarden Euro abschreiben, den größten Teil davon auf Erdgas- und Steinkohlekraftwerke. In den ersten neun Monaten 2013 hatte RWE bereits Wertberichtigungen in Höhe von 1,4 Milliarden Euro vorgenommen.