Deutschland verbraucht derzeit ein Drittel weniger Erdgas als in den Vorjahren. Das hat nicht nur mit der warmen Witterung zu tun.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Derzeit wird in Deutschland ein Drittel weniger Erdgas verbraucht als im Mittel der Jahre 2018 bis 2021. Das geht aus neuen, am Donnerstag veröffentlichten Daten der Bundesnetzagentur hervor. Demnach wurde wie in der Vorwoche pro Tag mehr als eine Terawattstunde Gas eingespart, ungefähr ein Drittel des Verbrauchs der Vorjahre im selben Zeitraum.

 

Das folgende Schaubild zeigt die wöchentlichen Einsparungen seit August. Je weiter man in die Heizperiode kommt, desto größer kann die absolute Einsparung sein – weil Heizen einen relevanten Teil des Gasverbrauchs ausmacht.

Haushalte und Gewerbe sparten prozentual etwas mehr ein als die Industrie. Das hat auch mit der ungewöhnlich warmen Witterung zu tun, die den Heizbedarf deutlich reduziert. Einer Prognose des Deutschen Wetterdiensts zufolge ist Stand jetzt mit einem milden Winter zu rechnen, was weitere Einsparbemühungen unterstützen würde.

Industrie reagiert auf Preisdruck

Auch die Industrie verbraucht deutlich weniger Gas als in den Vorjahren. Großkunden haben eigene Gaszähler, deshalb wird ihr Verbrauch separat ausgewiesen.

Die Daten der Bundesnetzagentur beziehen sich auf den absoluten Verbrauch. Bereinigt man sie um konjunkturelle oder Witterungseinflüsse, dann hat die deutsche Industrie im September 19 Prozent weniger Gas verbraucht als zu erwarten wäre, so eine Studie der Hertie School of Governance von einem Team um den Wirtschaftsforscher Oliver Ruhnau.

Im Wesentlichen beruhen diese Einsparungen auf eigenen Bemühungen, etwa durch weniger Heizen, den Verzicht auf warmes Wasser dank eigener Einsparbemühungen oder die Umstellung auf andere Energiequellen. Auch wurden energieintensive Produkte häufiger importiert. Oliver Ruhnaus Studie zeigt auch, dass die Einsparbemühungen bereits vor mehr als einem Jahr einsetzten, als die Gaspreise zu steigen begannen.

Die Industrie hat demnach früher als Haushalte und Gewerbe auf den Preisdruck reagiert. Der absolute Gasverbrauch dieses Sektors liegt aber erst seit Juni konstant unter dem der Vorjahre.

Speicher komplett gefüllt

Unklar ist, inwiefern eine gedrosselte Produktion die Ursache für den zurückgegangenen Verbrauch ist. Die Daten sprechen trotz der erwarteten Rezession nicht für diese These: Im September war die Industrieproduktion trotz hoher Energiekosten stärker als erwartet gestiegen. Auch ganz aktuelle Daten des Statistischen Bundesamts, die auf der LKW-Fahrleistung beruhen, deuten nicht auf ein Absinken der Produktion hin. Bei den Einsparungen handle es sich um eine „spezifische Antwort auf die Krise“, nicht um zurückgehende wirtschaftliche Aktivität, so der Wirtschaftsforscher Ruhnau.

Die Gasspeicher sind weiterhin quasi komplett gefüllt. Am Montag und Dienstag wurden kleinere Mengen Gas entnommen. 245 Terawattstunden sind derzeit eingespeichert. Orientiert man sich an den Vorjahren und rechnet die geplante Einsparung von (mindestens) zwanzig Prozent Gas mit ein, dann benötigt Deutschland in einem durchschnittlich kalten Winter zwischen 2 und 3,5 Terawattstunden pro Tag.

Theoretisch reicht das gespeicherte Gas also für mehr als zwei Monate. Wie voll die Speicher am Ende des Winters sind, hängt vom Nettoimport ab. Im November flossen pro Tag deutlich mehr als 2 TWh nach Deutschland. Sofern der Winter nicht extrem kalt wird, würde das Modellrechnungen zufolge reichen, um die Speicher auch mit Blick auf den Winter 2023/24 zu füllen.