Zum ersten Mal seit 2019 kommen die Grünen zu einem Delegiertentreffen in Präsenz zusammen. Es wird auch um die Laufzeiten der verbliebenen Meiler gehen.

Der letzte Parteitag in Präsenz liegt schon lange zurück. 2019 war das, also vor der Coronapandemie, in Bielefeld. Seitdem ist viel passiert bei den Grünen und in der Welt. Es gibt viel zu besprechen, man ist ja jetzt Regierungspartei. An diesem Wochenende soll es wieder eine richtige Bundesdelegiertenkonferenz geben. Live und in Farbe und nicht nur digital – in Bonn.

 

In der Partei sei ein „großes Verantwortungsgefühl“ zu spüren, sagte am Mittwoch die Politische Bundesgeschäftsführerin der Grünen, Emily Büning, die Delegierten kämen „in krisenhaften Zeiten“ zusammen.

Vom Krieg bis zur Klimakrise

Natürlich steht das Treffen unter dem Eindruck des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und seiner Folgen für Deutschland und Europa. Die Pandemie ist noch lange nicht vorbei, die Klimakrise macht keine Pause. Büning sagte: „Die Menschen wollen Antworten von der Politik. Und wir wollen am Wochenende Antworten geben.“ Und anders als die oppositionelle CDU, die jüngst bei ihrem Parteitag besonders leidenschaftlich übers Gendern und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk debattiert hatte, wollten sich die Grünen nicht vorrangig mit sich selbst beschäftigen.

Rund 800 Delegierte werden in Bonn erwartet, dazu etwa 1000 Gäste. Als Gastredner sind unter anderem DGB-Chefin Yasmin Fahimi, Industriepräsident Siegfried Russwurm und die Mitbegründerin der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial, Irina Scherbakowa, angekündigt. Memorial erhält in diesem Jahr gemeinsam mit Organisationen aus der Ukraine und Belarus den Friedensnobelpreis.

Den Grünen bläst ein Jahr nach der Bundestagswahl der Wind kräftig ins Gesicht. Das gilt auch für ihre beiden prominentesten Minister Robert Habeck (Wirtschaft und Klimaschutz) und Annalena Baerbock (Außen). Die Mehrheit der Bundesbürger ist inzwischen unzufrieden mit dem Wirken der Berliner Ampelkoalition. Die hohen Energiepreise, die starke Inflation und handwerkliche Fehler wie zuletzt bei der Gasumlage haben bei vielen Wählern Zweifel geschürt, ob die Regierung ihrer Aufgabe gewachsen ist.

In der Ampel liegen die Nerven blank – erst recht seit der Landtagswahl in Niedersachsen, wo die FDP aus dem Parlament flog. Zurzeit streiten SPD, Grüne und FDP insbesondere über die Laufzeiten der verbliebenen Atomkraftwerke: Während Habeck allenfalls bereit ist, die beiden süddeutschen Meiler Neckarwestheim und Isar 2 über das Jahresende hinaus für ein paar Monate länger am Netz zu halten, verlangt Lindner dies auch für die Anlage Emsland in Niedersachsen. Der FDP-Chef und Finanzminister blockiert die Ressortabstimmung von Habecks Gesetzentwurf, die Fronten sind verhärtet.

AKW Emsland soll vom Netz

Auf dem Parteitag will sich die Grünen-Führungsriege Rückendeckung von der Basis holen. „Für uns ist klar: Der Atomausstieg bleibt. Atomkraft ist und bleibt eine Hochrisikotechnologie“, heißt es in einem Antrag des Vorstands. Ein befristeter Weiterbetrieb sei nur für die süddeutschen Meiler vertretbar, um Gefahren für die Versorgungssicherheit abzuwenden. Das AKW Emsland werde zum 31. Dezember endgültig abgeschaltet, dann zurückgebaut. „Entscheidend ist für uns, dass keine neuen Brennelemente beschafft werden“, schreibt der Vorstand.

Parteiintern rechnen die Grünen damit, dass die Delegierten diesen Kurs mittragen und Habeck damit den Rücken stärken. Über die Energiepolitik sowie über Soziales soll der Parteitag am Freitag diskutieren. Am Samstag wird es vorrangig um Außenpolitik gehen und am Sonntag um Klimapolitik.