Wie lassen sich Klima- und Wirtschaftspolitik verbinden? Der stellvertretende Parteichef redet den Christdemokraten ins Gewissen: Ohne Glaubwürdigkeit beim Klimaschutz habe die CDU keine Zukunft als Volkspartei.

Die CDU kommt an diesem Donnerstag in Berlin zu einem großen Kongress zusammen, der sich damit beschäftigen soll, wie Klima- und Wirtschaftspolitik miteinander verbunden werden können. Unmittelbar vor dem Treffen macht der stellvertretende CDU-Vorsitzende Andreas Jung klar, dass es mit der Union keine Rolle rückwärts in der Atompolitik geben werde. „Es gibt keinen Ausstieg aus dem Ausstieg“, sagt Jung unserer Zeitung. Jung ist auch der Vorsitzende der Fachkommission „Nachhaltigkeit“, die klima- und energiepolitische Positionen für das neue Grundsatzprogramm der Partei erarbeiten soll. Das Programm soll im Frühjahr 2024 fertig sein.

 

„Neubau von Kernkraftwerken hat die CDU ausgeschlossen“

Gerade in der Energiepolitik gelte es, „vom Krisen- in den Zukunftsmodus“ zu schalten, sagte Jung. Das Grundsatzprogramm müsse Vorstellungen für das nächste Jahrzehnt, nicht kurzfristig für die nächsten Jahre formulieren. Die aktuell notwendige Debatte zur Nutzung der letzten drei Kernkraftwerke in der Energiekrise sei dann Vergangenheit, sagte Jung, „ und den Neubau von Kernkraftwerken hat die CDU schon im Grundsatzprogramm 2007 auf dem Stuttgarter Parteitag aus guten Gründen ausgeschlossen“. Dahinter gebe es für die CDU „kein Zurück“. Jung betonte, dass Technologie-Offenheit „Innovationen statt Risikoblindheit bedeute“. Deshalb setze die Partei auf klimafreundliche Technologien, „um die Risiken von Kohlekraft und Kernenergie auszuschließen“. Zwar sei es falsch, inmitten der Energiekrise die Kernkraft abzustellen und stattdessen einseitig auf klimaschädliche Kohle zu setzen. Der grundsätzliche Ausstieg aus der Kernkraft bleibe aber richtig.

Auch der Fracking-Technologie erteilt Jung eine Absage: „Es wäre falsch, mit Fracking trotz der Risiken für unser Wasser ein neues fossiles Fass aufzumachen“, sagte er. „In der Energiekrise könnte deutsches Frackinggas wegen des notwendigen Vorlaufs keinen Beitrag leisten und für die Zukunft müssen wir mit ganzer Kraft Wasserstoff voranbringen statt den Weg zur Klimaneutralität mit Fracking zu gefährden.“

CDU ringt um Stellenwert des Klimaschutzes im neuen Programm

Jung appellierte, dem Klimaschutz den angemessenen Stellenwert beizumessen. „Ohne Glaubwürdigkeit beim Klimaschutz hat die CDU keine Zukunft als Volkspartei“, sagte er. „Wir müssen überzeugende Konzepte für unseren Weg zur Klimaneutralität vorlegen und deutlich machen: Klimaschutz ist für uns Christdemokraten echtes Herzensanliegen, nicht irgendein Thema unter vielen.“ Es gehe „um den Erhalt unserer Heimat, um globale Verantwortung und die Zukunft unserer Kinder“.

Die Positionierung Jungs gewinnt vor dem Hintergrund der Programmdebatte in der CDU an Bedeutung. In der Partei wird über die künftige Schwerpunktsetzung nämlich durchaus kontrovers diskutiert. Dabei geht es auch um die Frage, welchen Raum und Stellenwert die Klimapolitik einnehmen soll.

Die Reformkräfte in der Partei haben immer wieder darauf hingewiesen, dass die Klimapolitik für die Partei abgesehen von den Sachargumenten auch von grundsätzlich strategischer Bedeutung ist, um die CDU für neue Wählerschichten zu öffnen.

„Turbo“ bei den erneuerbaren Energien

Dagegen waren auf dem Feld der Energiepolitik vom Parteivorsitzenden Friedrich Merz bislang wenig neue Töne zu hören. Zuletzt beschränkte er sich vor allem auf die Kritik an der Abschaltung der letzten Atomkraftwerke und am Gesetz über den Heizungsaustausch. Inhaltlich beließ es Merz zumeist bei der wenig konkreten Betonung der Technologie-Offenheit.

Erste inhaltliche Festlegungen über den künftigen energiepolitischen Kurs soll eine Klausurtagung des Parteivorstands über Himmelfahrt bringen, die am für die CDU sentimental aufgeladenen Ort Cadenabbia stattfindet, dem italienischen Urlaubsort Konrad Adenauers.

Bis Freitag soll die Fachkommission „Nachhaltigkeit“ ihre Vorschläge präsentieren. Welche Grundlinien da zu erwarten sind, machte Jung im Gespräch mit unserer Zeitung bereits deutlich. Er spricht von „vier Säulen unserer Strategie für klimaneutrale Energie und Industrie bis 2045“. Diese sind „eine Turbobeschleunigung beim Einsatz erneuerbarer Energien, Energieeffizienz, ein zügiger Hochlauf beim Wasserstoff und die CO2-Kreislaufwirtschaft.“