Das Dorf hat sich herausgeputzt, die Atommillionen machten es möglich. Der Asphalt auf der Hauptstraße ist frisch aufgetragen, die Schule wurde saniert. Im Medienzentrum, ein schicker Flachbau, sind die Regale bestens bestückt. Gegenüber dem Rathaus zeigt eine elektronische Tafel wahlweise die Öffnungszeiten und die Außentemperatur an. Bürgermeisterin Fabienne Stich ließ zwischen Kirchturm und Rathaus ein Transparent aufspannen, das für den Erhalt des Doppelmeilers plädiert. „Wer weiß, ob wir nicht bald Schulklassen schließen müssen, weil die Leute wegziehen“, hat sie vor Kurzem gesagt. Rund ein Drittel der 750 Kraftwerksmitarbeiter wohnen in ihrer Gemeinde, Hunderte weitere sind über Zulieferer in der Region beschäftigt, alle zehn Jahre kommen zur großen Revision Tausende in den Ort.

 

„Das AKW ist der wichtigste Motor unserer Stadt“, sagte die Bürgermeisterin in viele Mikrofone, doch neuerdings hat sie das Reden eingestellt – zumindest mit der Presse. „Weder französische noch deutsche Journalisten erhalten Interviews“, sagt die ansonsten freundliche Empfangsdame im Rathaus. Und im AKW gibt man sich ähnlich zugeknöpft. Man lasse niemanden hinein, wiegelt die Pressesprecherin der Électricité de France in Paris ab, vielleicht sei das in ein paar Monaten anders.

Die Abwärme wird in den Rheinkanal geleitet

Von der Fessenheimer Schleuse am Rheinkanal sind es zu Fuß nur wenige Minuten bis zum Kernkraftwerk. Auf dem Wasser zieht ein belgischer Containerfrachter vorbei. Schmetterlinge flattern zwischen Löwenzahn und Gänseblümchen, und wären da nicht ein paar Verbotsschilder, der Elektrozaun und die Patrouille – fiele das AKW kaum auf. Ihm fehlt der Kühlturm samt weißer Himmelsfahne. Die Abwärme landet im Fluss.

Die beiden Meiler sind vom Kiesweg am Ufer aus bestens zu sehen. Hierher hat der Umweltaktivist Jean-Paul Lacote, ein kleiner, kugelrunder Mann mit schier unerschöpflicher Energie, schon so manchen Protestzug geführt. Für ihn ist es der perfekte Ausgangspunkt, um sich ein Szenario des Schreckens auszumalen. „Mit einer Rakete könnten Sie locker die Schwachstellen der Anlage treffen“, sagt der quirlige Franzose und zeigt auf zwei weiße Gebäude auf der andere Uferseite, gut hundert Meter Luftlinie entfernt. Es sind die beiden Abklingbecken, dort lagern die verbrauchten Brennelemente.

Es ist stürmisch am Kanal, der Gegenwind nimmt zu. „Die alte Kiste gehört vom Netz, das hat Hollande zugesagt“, ruft Lacote gegen die Böen an. Er kann es nicht fassen, dass der Stromkonzern EdF bei all den Protesten nicht längst eingeknickt ist. „Fukushima hat die härtesten Atombefürworter umgedreht“, sagt der 66-Jährige. Auch im Elsass forderten immer mehr Gemeinden die Abschaltung. „Das ist ein Schrottreaktor, ständig gibt es Pannen“, schimpft Lacote. Wenn er sich ärgert, und das tut er beim Thema Kernkraft oft, werden seine Augen unter den struppigen Brauen zu Schlitzen. Die Worte schießen wie Pfeile aus seinem Bart, der wild und nahtlos übergeht in eine Sturmfrisur. „Und wir sind mitten in einer Erdbebenzone. Bricht der Deich des Kanals, bekommt das AKW nasse Füße“, warnt Lacote, der bis zu seiner Rente beim Bund für Umwelt und Naturschutz in Freiburg angestellt war.

„Wer soll bei mir essen, wenn das AKW weg ist?“, fragt sich der Pizzabäcker im Al Pescatore und trocknet die Hände an seiner Schürze. „Ich müsste dann schließen“, kündigt der junge Apotheker an. Und auch Super-U, einem gerade erst vergrößerten Einkaufsmarkt mit Selbstscankassen, würde der Umsatz wegbrechen. Fessenheim hängt am Tropf des Kernkraftwerks, es ist mit ihm gewachsen, ist von ihm abhängig geworden. Die vielen Millionen Gewerbe- und Grundsteuer ließen die elsässische Gemeinde und ihre Nachbarn aufleben. Allein Fessenheim erhält von der Électricité de France (EdF) rund drei Millionen Euro jährlich, etwa die Hälfte des kommunalen Haushalts.

Wie das Dorf von den Atommillionen profitiert hat

Das Dorf hat sich herausgeputzt, die Atommillionen machten es möglich. Der Asphalt auf der Hauptstraße ist frisch aufgetragen, die Schule wurde saniert. Im Medienzentrum, ein schicker Flachbau, sind die Regale bestens bestückt. Gegenüber dem Rathaus zeigt eine elektronische Tafel wahlweise die Öffnungszeiten und die Außentemperatur an. Bürgermeisterin Fabienne Stich ließ zwischen Kirchturm und Rathaus ein Transparent aufspannen, das für den Erhalt des Doppelmeilers plädiert. „Wer weiß, ob wir nicht bald Schulklassen schließen müssen, weil die Leute wegziehen“, hat sie vor Kurzem gesagt. Rund ein Drittel der 750 Kraftwerksmitarbeiter wohnen in ihrer Gemeinde, Hunderte weitere sind über Zulieferer in der Region beschäftigt, alle zehn Jahre kommen zur großen Revision Tausende in den Ort.

„Das AKW ist der wichtigste Motor unserer Stadt“, sagte die Bürgermeisterin in viele Mikrofone, doch neuerdings hat sie das Reden eingestellt – zumindest mit der Presse. „Weder französische noch deutsche Journalisten erhalten Interviews“, sagt die ansonsten freundliche Empfangsdame im Rathaus. Und im AKW gibt man sich ähnlich zugeknöpft. Man lasse niemanden hinein, wiegelt die Pressesprecherin der Électricité de France in Paris ab, vielleicht sei das in ein paar Monaten anders.

Die Abwärme wird in den Rheinkanal geleitet

Von der Fessenheimer Schleuse am Rheinkanal sind es zu Fuß nur wenige Minuten bis zum Kernkraftwerk. Auf dem Wasser zieht ein belgischer Containerfrachter vorbei. Schmetterlinge flattern zwischen Löwenzahn und Gänseblümchen, und wären da nicht ein paar Verbotsschilder, der Elektrozaun und die Patrouille – fiele das AKW kaum auf. Ihm fehlt der Kühlturm samt weißer Himmelsfahne. Die Abwärme landet im Fluss.

Die beiden Meiler sind vom Kiesweg am Ufer aus bestens zu sehen. Hierher hat der Umweltaktivist Jean-Paul Lacote, ein kleiner, kugelrunder Mann mit schier unerschöpflicher Energie, schon so manchen Protestzug geführt. Für ihn ist es der perfekte Ausgangspunkt, um sich ein Szenario des Schreckens auszumalen. „Mit einer Rakete könnten Sie locker die Schwachstellen der Anlage treffen“, sagt der quirlige Franzose und zeigt auf zwei weiße Gebäude auf der andere Uferseite, gut hundert Meter Luftlinie entfernt. Es sind die beiden Abklingbecken, dort lagern die verbrauchten Brennelemente.

Es ist stürmisch am Kanal, der Gegenwind nimmt zu. „Die alte Kiste gehört vom Netz, das hat Hollande zugesagt“, ruft Lacote gegen die Böen an. Er kann es nicht fassen, dass der Stromkonzern EdF bei all den Protesten nicht längst eingeknickt ist. „Fukushima hat die härtesten Atombefürworter umgedreht“, sagt der 66-Jährige. Auch im Elsass forderten immer mehr Gemeinden die Abschaltung. „Das ist ein Schrottreaktor, ständig gibt es Pannen“, schimpft Lacote. Wenn er sich ärgert, und das tut er beim Thema Kernkraft oft, werden seine Augen unter den struppigen Brauen zu Schlitzen. Die Worte schießen wie Pfeile aus seinem Bart, der wild und nahtlos übergeht in eine Sturmfrisur. „Und wir sind mitten in einer Erdbebenzone. Bricht der Deich des Kanals, bekommt das AKW nasse Füße“, warnt Lacote, der bis zu seiner Rente beim Bund für Umwelt und Naturschutz in Freiburg angestellt war.

Die Kontrollkommission kann Gutachten erstellen lassen

Als einer der wenigen darf der Franzose den Betreibern von Fessenheim auf die Finger schauen, auch in der Anlage. Er sitzt als Repräsentant des Umweltverbandes Alsace Nature in der lokalen Kontrollkommission für Fessenheim (CLIS) – zusammen mit Vertretern deutscher und französischer Behörden, des Kraftwerks und Mandatsträgern. „Wir haben keine Entscheidungsmacht, aber können lästige Nachfragen stellen“, sagt Lacote und erzählt von Gutachten zur Erdbebengefährdung oder Überschwemmungsgefahr. Risiken, die die EdF lieber ausblenden würde.

Die Stilllegung Fessenheims ist nicht mehr als ein Versprechen. Zwar das eines Präsidenten, aber entschieden ist nichts. Der Doppelmeiler könnte noch lange Strom liefern, das hat die französische Atomaufsichtsbehörde genehmigt. Und damit rechnet auch AKW-Direktor Thierry Rosso, er geht von einer Gesamtlaufzeit von bis zu 60 Jahren aus. Die reguläre Zehnjahresinspektion sei problemlos verlaufen. Den europäischen Stresstest, der nach Fukushima Pflicht wurde, hat das AKW, an dem der baden-württembergische Energiekonzern EnBW 17,5 Prozent Anteile hält, auch bestanden. Alle 58 Reaktoren in Frankreich seien sicher, urteilte die Behörde und verordnete lediglich Nachbesserungen. In Fessenheim müssen die Bodenplatten unter den Reaktoren verstärkt werden. Sie sind mit einem Meter fünfzig die dünnsten in ganz Frankreich und könnten im Fall einer Kernschmelze bersten. Mängel gab es auch bei der Notkühlung. Eine zusätzliche Grundwasserpumpstation ist Teil der behördlichen Auflagen.

Für Jean-Paul Lacote sind das Fehlinvestitionen, verlorene Millionen, wie er sagt. Für den AKW-Betriebsrat Martin Kupfer ist es die Rettung für Fessenheim. „Wir müssen kämpfen“, fordert der Gewerkschafter der Force Ouvrière, „wenn es sein muss mit Streik.“ Der Fachingenieur für Elektrotechnik ist auf die Umweltaktivisten nicht gut zu sprechen. Nur ungern würde er sich mit Lacote an einen Tisch setzen, das gibt er offen zu. „Das ist ein Supergrüner“, sagt er und nimmt in einem Besprechungszimmer gleich im Eingangsgebäude des AKW Platz. Kupfer geht es um Arbeitsplätze und Rentenansprüche, nicht um Störfalle oder gar Sicherheitsbedenken. Jeden Tag höre er die Sorgen seiner Kollegen, müsse sie hinhalten, könne nur zuhören, vertrösten. Ob es Neuigkeiten gebe? Ob sie ihr Haus jetzt schon verkaufen sollten – wegen des Wertverlusts.

Umsonst ist der Gewerkschafter zu Hollande nach Paris gefahren, hat versucht zu verhindern, was er als Katastrophe für die Region beschreibt. Kupfer hat dem Präsidenten die Zahlen des Niedergangs vorgerechnet. Wenn Fessenheim schließt, werde die Arbeitslosigkeit zwischen Colmar und Mulhouse schlagartig um zwei Prozent steigen – auf elf Prozent.

Das AKW war der letzte Anker. Die Chemieindustrie sei geschrumpft, auch der größte Arbeitgeber weit und breit, Peugeot-Citroën in Mulhouse, habe massiv Stellen abgebaut. Zwar werde der Stromkonzern EdF seine Leute nicht entlassen, weiß Kupfer, aber Hunderte von Beschäftigten in den anderen Kernkraftwerken des Landes unterzubringen, das dauere sicher zwei bis drei Jahre.

Die Angst seiner Kollegen kann Reaktorfahrer Nicolas Bernet nicht teilen. „Warum nicht umziehen?“, fragt er. „Warum nicht etwas Neues wagen? Für den Familienvater ist das Ende von Fessenheim schon längst beschlossen, das hätte jeder sehen könne. Die Abschaltung sei nur eine Frage des Wann. Bernet nimmt eine Postkarte von der Wand, die hat er gefunden und über seinen Schreibtisch gepinnt. Sie zeigt Fessenheim als Schrottreaktor, ratternd, tropfend, voller Lecks und Schrammen, alles notdürftig repariert. Im Rheinkanal schwimmen nur noch Fischskelette. Dazu zwei Worte: Fessenheim. Stilllegen!