An der Universität Hohenheim tüfteln Forscher an einer Biogasanlage, die auch Heu, Stroh und Küchenabfälle verdaut. Das Biogas ist fast reines Methan und es kommt gleich mit dem fürs Erdgasnetz benötigten Hochdruck aus dem Fermenter.

Stuttgart - Eine neue Generation von Biogasanlagen kann ganz unterschiedliche Arten von Biomasse vergären. Außer Energiepflanzen wie Mais mögen sie Heu, Stroh, Küchenabfälle und sogar Hühnermist. „Selbst der kurzfristige Wechsel der Substrate ist kein Problem“, berichtet Andreas Lemmer von der Landesanstalt für Agrartechnik und Bioenergie der Universität Hohenheim. Das steigere die Flexibilität im Betrieb gegenüber herkömmlichen Anlagen enorm. Die Agrartechniker wollen nun auch noch die Effizienz dieser vielversprechenden Anlagen erhöhen.

 

Projektleiter Andreas Lemmer erklärt, wie: „Von der Biomasse bis zur Einspeisung ins Erdgasnetz gibt es üblicherweise drei Prozesse: die Biogaserzeugung, die Aufbereitung des Gases auf Erdgasqualität und die Druckerhöhung zur Einspeisung in die Netze.“ Beim neuen Prototyp seien alle drei Prozesse in einem einzigen Verfahren integriert. Angestrebt wird eine kontinuierliche Erzeugung von Methangas unter selbst erzeugtem Hochdruck von bis zu 100 bar. Das Methan ist danach so rein, dass es nur geringfügig aufbereitet werden muss und auch die energieaufwendige Verdichtung außerhalb des Bioreaktors entfällt. Bei herkömmlichen Biogasanlagen ist dies nötig, damit in die Erdgasleitungen eingespeist werden kann, die unter Hochdruck stehen. Regionale Erdgasnetze benötigen Drücke bis etwa 20 bar, für den internationalen Markt muss die Druckatmosphäre jedoch deutlich höher sein. Damit betreten die Forscher Neuland: „Bislang gibt es noch keine Reaktoren, die bei einem Druck von 100 bar kontinuierlich betrieben werden“, erklärt der Wissenschaftler.

Wiederkäuen nach dem Vorbild der Kuh

Damit organische Masse zu Biogas werden kann, muss sie zuerst in verschiedene organische Säuren, Zuckerverbindungen und Alkohole umgesetzt werden. Erst im nächsten Schritt verwandeln sich diese Substanzen in Methan. Beide Prozesse geschehen bei herkömmlichen Biogasanlagen in einem einzigen Behälter. Der Allesfresser der Uni Hohenheim teilt diesen Prozess auf zwei Reaktoren auf. „Im ersten Fermenter wird die organische Biomasse bei 55 Grad in organische Säuren und Alkohole umgewandelt“, sagt Lemmer. Ein Sieb hält alle Teilchen zurück, die größer sind als 0,1 Millimeter. So können nur gelöste Stoffe entweichen. Was also noch nicht abgebaut ist, bleibt drinnen. Die Methanbildung wird in dieser Stufe unterdrückt, indem der pH-Wert heruntergeregelt wird. Dadurch erhöht sich der Mehraufwand für die Technik, denn die Steuerung muss den pH-Wert optimal einstellen.

Damit die Anlage schwierige Substrate meistert, haben sich die Forscher etwas Besonderes ausgedacht: Wie beim Wiederkäuen einer Kuh werden die nicht verdauten Anteile noch einmal zerkleinert. Für die Wiederaufbereitung wird der Gärrest zuerst in einer Mühle zermahlen und dann durch eine Pilzkultur zersetzt. Das erhöhe den Methanertrag bei sehr faserreichen Stoffen deutlich, sagt Lemmer. Nach dem zweiten Durchlauf in der Biogasanlage falle der Rest dann viel geringer aus und könne als Dünger verwendet werden.

Erst im zweiten Reaktor erfolgt die Umwandlung zu Methan. „Da bislang noch niemand einen Fermenter kontinuierlich unter Hochdruck betrieben hat, wussten wir anfangs nicht, wie sich der Prozess verhalten würde“, erklärt der Projektleiter. Deshalb führten die Forscher die ersten Versuche mit einem Druck von 10 bar bei einer Temperatur von 37 Grad durch. Es zeigte sich, dass den Mikroorganismen Druckschwankungen in diesem Bereich gar nichts ausmachen. „Bezogen auf das Fermentervolumen ist die Methanproduktivität sehr hoch“, sagt Lemmer. Diese liege bei etwa der vierfachen Menge von herkömmlichen Biogasanlagen. Das System sei sehr stabil, könne nicht überlastet werden und übersäuere nicht. Im schlechtesten Fall sinke nur der Abbaugrad.

Das Biogas enthält fast nur Methan

Um den Druck auf 100 bar zu erhöhen, lassen die Wissenschaftler das erzeugte Gas so lange nicht entweichen, bis die gewünschte Druckhöhe erreicht ist. Unter diesen Bedingungen hat Kohlendioxid eine höhere Löslichkeit in der Flüssigkeit als Methan. Das Gas entweicht, wie beim Öffnen einer Sprudelflasche, wenn es nicht mehr unter Druck steht. So können diese beiden Gase schon während der Produktion getrennt werden und der Methangehalt im Biogas steigt. „Momentan liegt der Anteil bei 87 Prozent Methan, das ist schon gut“, sagt Lemmer. Bei einer normalen Biogasanlage liege er bei maximal 55 Prozent. „Wir wollen deutlich über 90 Prozent kommen, damit die nachfolgenden Aufbereitungskosten gering sind.“ Da die neuen Druckreaktoren teurer sind, müssen sie mehr leisten, um wirtschaftlich zu sein.

Zudem entwickeln die Agrartechniker eine Steuertechnik, mit der die Methanerzeugung auch kurzfristig bedarfsgerecht geregelt werden kann. Dies soll mit einem Sensor geschehen, der je nach Stromnachfrage gezielt die Weiterleitung vom ersten in den zweiten Fermenter steuert. „Wenn weniger gebraucht wird, als vorhanden ist, wird der Überschuss in einem Tank zwischengelagert“, erklärt der Projektmitarbeiter Simon Zielonka. „So können die Betreiber von Biogasanlagen einen Energievorrat anlegen, der sich in Zeiten großer Gasnachfrage kurzfristig zu Gas verarbeiten und ins Netz einspeisen lässt.“