In der Region Stuttgart wird der Weg für die Energiewende frei: Bisher gab es hier neun Standorte mit 27 Windrädern – künftig könnten es 96 Standorte mit 400 bis 500 Anlagen sein. Besondere landschaftliche Orte wie die Burg Teck werden vor der "Verspargelung" aber geschützt.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - In der Region Stuttgart wird der Weg für die Energiewende bald frei sein: Bisher gab es in Stuttgart und den umliegenden Landkreisen neun Standorte mit 27 Windrädern – künftig könnten es 96 Standorte mit 400 bis 500 Anlagen sein. Der Verband Region Stuttgart (VRS) hat jetzt erstmals Unterlagen über die neuen Vorranggebiete samt Standortkarten an die Regionalräte verschickt, die am Mittwoch im Planungsausschuss darüber beraten. Die Entscheidung fällt dann am 25. Juli in der Regionalversammlung.

 

Schon die alte Landesregierung hatte die Windenergie besser nutzen wollen und einen Windatlas erarbeiten lassen, der nun bei der Suche nach Standorten eine wichtige Rolle spielt. Die neue Landesregierung strebt an, den Anteil der Windkraft an der Stromproduktion von derzeit knapp einem Prozent auf zehn Prozent im Jahr 2020 zu erhöhen. Die Region Stuttgart ist bisher im Schnitt – das eine Prozent schafft sie gut. Um eine Verzehnfachung zu erzielen, müssten in der Region Stuttgart, die neue höhere Leistung der Anlagen zugrunde gelegt, ungefähr 110 Windräder zusätzlich gebaut werden. Alle müssten mindestens 100 Meter hoch sein, sehr viele werden wohl auch die Höhe von 179 Metern wie das umstrittene Windrad bei Ingersheim erreichen.

Viele Einwände werden vermutlich noch berücksichtigt

Die nun in einem aufwendigen Verfahren erarbeiteten Standorte sind also üppig bemessen. Da das Land aber keine Vorgaben gemacht hat, wie die Anlagen auf die Landesfläche verteilt werden sollen, hat der VRS die Maximalanzahl ermitteln wollen. Diese Zahl dürfte sich aber in den kommenden Monaten noch deutlich reduzieren. Denn die Standorte sind zwar bereits mit den Kommunen und wichtigen Fachstellen abgesprochen, beileibe aber noch nicht mit allen Verbänden. Nach den Sommerferien wird der VRS rund 400 Infopakete verschicken mit der Bitte um Stellungnahme: Die Bedürfnisse der Flugsicherung, der Bundeswehr, des Deutschen Wetterdienstes oder auch der Naturschutzverbände müssen noch besser als bisher berücksichtigt werden.

Die Bürger sollen laut Thomas Kiwitt, dem Technischen Direktor des VRS, in Infoveranstaltungen, übers Internet oder durch direkte Eingaben ihre Meinung sagen dürfen. Und vermutlich werden auch die Regionalräte noch die eine oder andere Veränderung einfordern. Vielleicht werden am Schluss 100 tatsächlich gebaute Windräder für die kommenden Jahre eine realistische Zahl sein.

Viele Kriterien für die Wahl der bisherigen Standorte hat das Land vorgegeben, so die notwendige Windstärke oder die Abstandsregeln zur Wohnbebauung. Kiwitt betonte, dass zwei Drittel der ausgesuchten Standorte sogar eine Windstärke von mindestens 5,5 Meter pro Sekunde in 100 Meter Höhe aufwiesen und damit deutlich über der Mindeststärke von 5,3 Meter pro Sekunde lägen: „Der insgesamt windschwachen Region Stuttgart steht also eine Vielzahl gut geeigneter Standorte zur Verfügung.“ Diese Standorte darf man sich im Übrigen nicht als kreisförmige Flächen vorstellen: Sie sind je nach Landschaftsform auch sehr lang gezogen, und sie sind sehr unterschiedlich groß (siehe Grafik).

An einem Standort werden mindestens zwei Windräder stehen

Was den Landschaftsschutz anbetrifft, hat die Region aber eigene Kriterien entwickelt. Dazu zählt vor allem der hohe Schutzwert der sogenannten Landmarken: Besonders schöne landschaftliche oder kulturelle Ort sollen nicht durch Windräder verschandelt werden. 33 Landmarken weist die Liste auf, die dem 53-seitigen Umweltbericht zur Standortsuche beigefügt ist – vom Kloster Adelberg über den Jusi bis hin zur Y-Burg im Remstal. Kiwitt will allerdings nicht ausschließen, dass man von der einen oder anderen Stelle doch den Württemberg oder die Burg Teck und dennoch zugleich ein Windrad sehen kann.

Daneben hat sich der VRS bemüht, die Standorte so groß zu machen, dass jeweils mindestens zwei, oft aber auch deutlich mehr Windräder aufgestellt werden können. Durch diese Konzentration soll die Belastung in der dicht besiedelten Region verringert werden. Auch hat man bei der Planung zwischen den Standorten mindestens zwei bis drei Kilometer Abstand gelassen, um lange Galerien von Windrädern zu vermeiden. Und: keine Gemeinde soll von Windkraftanlagen umzingelt sein – das ist aber, wie Kiwitt einräumen musste, bisher auf der Schwäbischen Alb nicht immer gelungen. Die Einwohner von Mühlhausen beispielsweise könnten, wenn die Planung so bliebe, künftig überall Windräder sehen, egal in welche Richtung sie schauen.

Bis das Verfahren ganz abgeschlossen sein wird, dürfte es noch ein bis zwei Jahre dauern. Allerdings sollen schon 2013 einige Standorte frei gegeben werden, damit die Energiewende ins Rollen kommen kann.

Eine Karte mit allen 96 möglichen Standorten gibt es hier.